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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft XII (Dezember 1907)
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Kolb, Gustav: Bemerkungen zu der "Entgegnung" von G. Landenberger in Heft XI.
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0150

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Bemerkungen zu der,,Entgegnung“ von G. Landenberger in Heft XI.
Verschiedene unserer Leser haben mir ihrer Verwunderung darüber Ausdruck
gegeben, dass ich die „Entgegnung“ von Kollege G. L an d enb er g er ohne Gegen-
äusserung meinerseits zum Abdruck brachte. Einige davon haben mich darauf auf-
merksam gemacht, dass die „Entgegnung“ verschiedene mich beleidigende Wen-
dungen enthalte.
Mit voller Absicht druckte ich die „Entgegnung“ ab, ohne einen Zusatz zu machen.
Ich nahm an, dass die Zeichenunterrichtsliteratur der letzten 10 Jahre in jedermanns
Gedächtnis sei, sodass jeder Kollege das Unzutreffende der Landenbergersehen Ausfüh-
rungen sofort erkennen würde. Das ist aber anscheinend nicht der Eall. Der Kernpunkt
der Frage ist der: Hat Kollege L. tatsächlich als erster das direkte Skizzieren mit der
Feder — ohne Vorzeichnung — in den Zeichenunterricht eingeführt? Er behauptet dies
mit der Begründuung, dass er zuerst in der Reformzeichenausstellung (Herbst 1905)
solche Zeichnungen vorgeführt habe. Nun bitte ich die Leser in dem Textheft zu
dem Werk „Von der Pflanze zum Ornament“*) Seite 38 nachzulesen. Dort heisst
es wörtlich: Besonderen Uebungen bleibt es vorbehalten, das Vorbild ohne Vor-
zeichnungen direkt mit der Feder oder mit dem Pinsel wiederzugeben. Diese
Uebungen sind sehr wichtig und sollten unbedingt überall von Zeit zu Zeit ein-
geschalten werden etc.“ Das habe ich schon im September 1902 geschrieben.
Wenn ich nun dieselben Konsequenzen ziehen wollte wie Kollege L., so müsste
ich zu dem entgegengesetzten Schluss kommen, als den er in seiner „Entgegnung“
zieht, nämlich zu dem, dass er „meine Methode als einen Fortschritt gegen seine
bisherige Unterrichtsweise in seine Schule eingeführt, allerdings ohne in seinem Werk
auch nur mit einer Silbe zu erwähnen, dass diese Methode die meinige ist.“ Das
fällt mir aber gar nicht ein, denn ich habe noch nie daran gedacht, in dem direkten
Federzeichnen, das ich anscheinend als erster in Württemberg empfohlen habe,
irgendwie eine bedeutende Errungenschaft zu erblicken, auf deren Priorität ich
Wert legen würde. Ich erblicke darin eben auch eines jener mehr untergeordneten
Bereicherungsmittel des Zeichenunterrichts, auf die die Reform hingewiesen hat.
Tatsächlich ist ja das direkte Federzeichnen uralt und von Künstlern seit Jahrhunderten
geübt worden (vergl. die Handzeichnungen eines Raffael, Lionarclo, Michelangelo u. a.)
Dass wir in Göppingen diese Art von Zeichnen seit langem betreiben, das hätte
Kollege L. gerade in der Reformzeichenausstellung, auf die er sich beruft, sehen
können, wenn er sich der Mühe unterzogen hätte, die Ausstellung anderer Schulen
gründlich anzusehen. Er hätte dann eine Masse derartiger Arbeiten (mit deutlicher
Aufschrift versehen) in den Mappen und an den Rahmen sehen können — aber
nicht nur bei uns, auch bei anderen Schulen z. B. bei der Heidenheimer Realschule.
Kollege Hahn kultiviert dieses Gebiet geradezu seit Jahren.
Mit diesen Feststellungen glaube ich hinreichend begründet zu haben, dass
ich die Methode Landenberger durchaus nicht für etwas Neues und Besonderes halten
konnte, und dass der Vorwurf, den mir L. in seiner „Entgegnung“ macht, dass ich
seine geistige Arbeit und epochemachende Entdeckung (vergl. das Ei des Kolumbus
und seinen Hinweis auf clie Entdeckung Amerikas) stillschweigend für mich in
Anspruch genommen habe, nicht nur völlig unbegründet ist, sondern dass die
Tatsachen mich berechtigen würden — wollte ich seine Logik zu der meinigen
machen —■ ihm diesen Vorwurf zu machen. Ich denke, ehe man ein Werk
erscheinen lässt, sollte man sich auch mit der Literatur bekannt machen, die voraus-
ging. Dann kann man sich nicht in der Weise verrennen wie Kollege L., der mir
vorkommt wie ein Mann, der sein Lebtag in einer Ebene lebte, zufällig einen Maul-
wurfshügel findet und nun flugs in die Welt hinausruft: „Sehet her, die ihr noch
keine Berge gesehen habt, ich habe einen solchen allerersten Rangs entdeckt!“
Eine andere Seite der Angelegenheit muss ich indessen ebenfalls beleuchten.
Das Werk von Landenberger wurde mir seinerzeit von dem Verlag zur Beurteilung

*) „Von dei’ Pflanze zum Ornament“, herausgegeben von G. Kolb und K. Gmelich,
36 farbige Tafeln mit Textbuch. Verlag von Illig und Müller, Göppingen.
 
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