Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

DOI Heft:
Heft II (Februar 1907)
DOI Artikel:
Trunk, Hans: Vortrag des Malers Trunk in Strassburg
DOI Artikel:
K., E.: Vom Schmücken der Wand
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0031

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
19

sie so lange gewirkt und gestrebt ; aber wer sich in das Wesen des Modernen ver-
tieft, wird die Erfahrung machen, dass der Zeichenunterricht vollauf befähigt ist
die bildende Kunst im Lehrplan zu vertreten und ein Bestandteil der allgemeinen
Bildung und Erziehung ohne Rücksicht auf spätere Berufswahl der Schüler zu
werden.

Vom Schmücken der Wand.

DBK

Eigentlich ist schon die Ueberschrift verkehrt. Aber ich wähle sie doch, weil die
Nöte, um die es sich hier handelt, meist unter dieser Flagge segeln. Denn wir haben eben
nicht die Wand, sondern den Raum zu schmücken. Und wiederum nicht so sehr zu

schmücken als zu gestalten.
Zu gestalten? Was soll ich wohl an den Zimmern meiner Mietswohnung im dritten
Stock viel herumgestalten? Die Wände einreißen? Der Hauswirt würde mich schnell vor
die Tür setzen. Ein paar neue Tapeten bewilligt er, und Türen und Fenster, Boden und
Decke läßt er streichen, wenn sie gar zu schmutzig sind. Damit hat die Gestaltung ein
Ende, ehe sie noch recht begonnen hat.
Doch nicht ganz, wende ich ein. Ein Wohnraum ist ja nicht allein durch seinen
Grundriß, durch das Maß und die Farbe seiner Grenzflächen bestimmt, sondern auch durch
das, was er enthält. Unsere Möbel erst machen den Raum wohnlich. Mit ihnen und nicht
mit dem Wandschmuck allein gestalten wir immerhin, so gut es die gegebenen vier Wände

gestatten, unser Heim.
Wir wissen alle, wie schwer es ist, unsere altgewohnten und ererbten Stücke in neuen

Räumen so aufzustellen, daß es „stimmt“. Das Sofa muß an die lange Wand, und der
Schreibtisch verlangt sein Licht von rechts. Die Anrichte beansprucht die Wand bei der
Tür und der Speisetisch mit all seinen Stühlen muß doch auch Luft haben. Ueberhaupt ist
es merkwürdig, wie ein jedes Möbel still aber entschieden seine persönlichen Rechte zu
wahren weiß. Es duldet durchaus keine Verschachtelung und beansprucht außer dem un-
mittelbar verdrängten und ausgefüllten Luftraum noch seine eigene Raumatmosphäre um
sich herum. Und zwar umsomehr, je größer es ist. Die Schwierigkeit ist nun, diese Raum-
ansprüche auszugleichen, mehr: sie gleichsam durcheinander zu befriedigen, so daß ein räum¬

liches Gleichgewicht entsteht. Wehe dem Stuhl, der sich vor die Kommode, an den Kleider¬

schrank aufzupflanzen wagt! Er wird von den beleidigten Kollegen gestoßen, geschoben
und so schließlich in seine Ecke getrieben, wohin er gehört. Das ist ein grobes Beispiel.
Untereinander sind die vornehmeren Stücke nicht so grob, aber nicht weniger auf ihre
Rechte eifersüchtig. Da kämpft der Schreibtisch still und bedacht so lange mit dem Regal an
der Wand, bis es in den nötigen Abstand gerückt ist, und der monströse Flügel spreizt

sich dermassen unausstehlich,
dass man ihm wohl oder übel
die Mitte des Zimmers ein-
räumen muss, um vor seinen
höhnisch anklagenden Seuf-
zern einigermassen Ruhe zu
haben.
Aber hat man nun leid-
lich Frieden gestiftet, so
stimmt es doch immer noch
nicht. Die eine Hälfte des
Zimmers ist zu schwer, zu
üb er füllt, die andere zu leicht
geworden. Dort muss noch
was hin, sagt die Gattin ge-
wichtig. Um Himmelswillen,
sagt er, ich habe grade genug
 
Annotationen