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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft I (Januar 1907)
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Jacobi, Arnold: Zeichnen als Bildungsmittel: 137 Antworten sächsischer Hochschul-Professoren
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Kolb, Gustav: Zu unseren Abbildungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0018

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— 8 —
Zeichnen als eine Schulung des kostbarsten Sinnes und als einen Bestandteil
kultureller Erziehung betrachten, der keinem Kinde vor enthalten werden dürfte.
2. Aus den hier kurz dargelegten Erwägungen heraus, fordere ich den
Zeichenunterricht für alle Lehranstalten, und zwar darf er nicht auf einer Stufe
abgebrochen werden, wo die Schule den Schwerpunkt auf Begriffsbildung legt,
während grade der jugendliche Nachahmungstrieb sich zur Freude am wahren
Schönen in der Körperwelt formen lässt. Darum ist es widersinnig, wenn unsere
dem griechischen Bildungsideale nachstrebenden Schulen ihren Zöglingen den Weg
dazu erschweren, indem sie vorzeitig Hand und Auge zur Untätigkeit verurteilen.
Wer für eine zeitgemässe Fortbildung des höheren Schulunterrichts eintritt, muss
die Pflege des Zeichnens durch alle Klassen hindurch ebenso erstreben, wie die
biologisch-naturkundliche Unterweisung. Wenn sich das erstere Ziel auch nicht auf
einmal erreichen lassen wird, so darf doch die Festlegung des Zeichnens als vor-
geschriebenen Lehrgegenstandes in den unteren und mittleren Klassen nicht ver-
weigert werden. Es sei auch gleich dem Einwande begegnet, als müsse die obli-
gatorische Ausdehnung jenes Lehrfaches an der ungleichen, ja vielen Schülern
überhaupt fehlenden zeichnerischen Begabung scheitern; zur Widerlegung möchte
ich mich selber als Beispiel anführen. Obwohl jeder eigentlichen künstlerischen
Anlage bar und durch die Gymnasialzeugnisse für einen ganz minderwertigen
Zeichnenschüler erklärt, brachte ich es durch mechanischen Fleiss dahin, dass ich
nicht nur genügende naturhistorische Abbildungen zutage bringen, sondern auch
zu weiterer Ausbildung die damalige Leipziger Kunstakademie besuchen und den
Kursen im Zeichnen und Aquarellmalen folgen konnte. Aehnlich wird der Fall
meistens liegen — auch einem Schwachbegabten Schüler lässt sich Augenmass und
Formensinn anerziehen, wenn nur die richtige Unterweisung da ist.
Professor Dr. A. Jacobi,
Direktor des Kgl. Zoologischen und Anthropologisch-ethnographischen Museums in Dresden,
vormals Professor der Zoologie an der Kgl. Forstakademie Tharandt,
Inhaber des Befähigungszeugnisses für das höhere Schulamt.

Zu unseren Abbildungen.
Die in den Text eingestreuten Silhouetten sind Schülerzeichnungen der Ober-
realschule Göppingen und zwar von Klasse III—VI. Die Originale sind bedeutend
grösser mit Sepia oder Tusche auf blaugraues Papier gezeichnet bezw. gemalt.
Das Silhouettenzeichnen ist eine gute Uebung, welche die Schüler anleitet, eine
Gesamtform charakteristisch aufzufassen. Begabte Schüler können schon in den
Unterklassen dazu angehalten werden. Es macht ihnen viel Vergnügen, den oder
jenen Klassenfreund auf diese Weise im Bild festzuhalten. Die Arbeiten sind
sämtlich „ohne Korrektur“ entstanden.
Die Zeichnung zu unserer Titelseite ist von H. Maier, Zeichenlehrer an der
Gewerbeschule in Stuttgart, diejenige des Titelkopfes von K. Gmelich, Zeichenlehrer
an der Oberreal- und Gewerbeschule in Göppingen. Auf beiden Zeichnungen sind
die Buchstaben V. S. Z. V. (Verband Süddeutscher Zeichenlehrer-Vereine) geschickt
zu einem Signet vereinigt. Der Titelkopf’ zeigt links Holbein, rechts Dürer als
Repräsentanten einerseits des Naturzeichnens, andererseits des Phantasiezeichnens :
ein glücklicher Gedanke, der die beiden Seiten der künstlerischen Tätigkeit, die
 
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