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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft I (Januar 1907)
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Jacobi, Arnold: Zeichnen als Bildungsmittel: 137 Antworten sächsischer Hochschul-Professoren
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0016

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Zeichnen als Bildungsmittel.
137 Antworten sächsischer Hochschul-
Professoren.
Der sächsische Zeichenlehrer-Verein, einer
der rührigsten und zielbewusstesten Deutschlands
erliess kürzlich ein Rundschreiben an die sächsischen
Hochschullehrer mit folgendem Wortlaut:
„Die heutige allgemeine Bildung stützt sich
hauptsächlich auf durch Bücher vermitteltes Wissen.
Dagegen treten Schärfung der Sinne und im Zu-
sammenhang damit selbständiges Beobachten an
unseren allgemeinen Bildungsstätten ganz zurück.
Gesunde und empfängliche Sinne sind aber
die Grundlage aller gesunden Entwicklung.
Es ist bekannt, wie weit die Schulerziehung
jenen Uebelstand würdigt und ihm abzuhelfen ver-
sucht. Sie achtet im Zeichnen, abgesehen von

seinem Werte für einzelne Berufe, ein Mittel, die Kinder zum selbständigen
Beobachten auf natürliche Weise zu zwingen. Eine starke Strömung gewinnt immer
mehr an Kraft dadurch, dass sie an das Zeichnen der Kinder, wie sie es als eine

Muttersprache mit in die Schule bringen, anknüpft und zu immer feinerer Natur-
beobachtung führt, ohne dabei das innere Leben der Kinder zu vernachlässigen.
Während nun in der Volksschule der Zeichenunterricht in allen Klassen (aus-
genommen die Unterstufe) Platz findet, scheint er in den höheren Schulen immer
noch als ein Fach zu gelten, als eine Handfertigkeit, das einzelne brauchen. Im
Gymnasium wird nur in Quinta und Quarta, im Realgymnasium nur in Quinta bis
Untersekunda obligatorisch gezeichnet, also gerade dann aufgehört, wenn der jugend"
liehe Geist ernster, verständiger aufzufassen beginnt. Sachsen steht damit hinter
anderen Staaten weit zurück.

Der Sächs. Zeichenlehrer-Verein will versuchen, eine Aenderung anzuregen,
und erhofft die Mithilfe der sächsischen Hochschullehrer dadurch, dass er um ihre
Meinung über das Zeichnen als Bildungsmittel an allgemeinbildenden Schulen bittet.
Der Sächs. Zeichenlehrer-Verein wendet sich an die Herren Hochschullehrer,
da sie im allgemeinen ausserhalb der niederen und höheren Schulen stehen und
doch das massgebende Urteil über Art und Stärke der Beobachtungsfähigkeit unserer
Jugend haben.
Der Sächs. Zeichenlehrer-Verein bittet Sie, hochgeehrter Herr, die beiliegenden
Fragen freundlichst im Interesse der Sache beantworten und den beiliegenden Frage-
bogen bis zum 17. November a. c. gefälligst zurücksenden zu wollen.“
Okt. 1906. P. H.
Da unter den heutigen Verhältnissen unser Leben sich immer mehr auf die
Stadt mit ihrer Ueberfülle der verschiedensten Eindrücke, ihrer Bequemlichkeit und
Loslösung von Natur und Naturbeobachtung beschränkt, da andererseits immer
weitere Kreise unserer Jugend schon frühzeitig in eng begrenzte Berufssphären ge-
zwängt werden, so wächst für die Schule immer schärfer die Pflicht heran, soweit
es irgend möglich ist, die natürliche Beobachtungsfähigkeit der Kinder zu entwickeln.
Beim Zeichnen ist aber ein innerer Zwang zur Beobachtung gegeben, und es er-
 
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