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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft II (Februar 1907)
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K., E.: Vom Schmücken der Wand
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0032

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und kann mich kaum mehr rühren. Das ist natürlich stark übertrieben,, aber die Männer,
namentlich die Ehemänner, haben das Uebertreiben schnell von den Frauen gelernt. Gut,
also nun die Bilder her.
Aber was für Bilder? Der photographisch verbildete Geschmack der letzten Jahr-
zehnte liebte das Bepflastern der Wände überall dort, wo nur ein Stückchen Tapete zum
Vorschein kam. Und zwar konnte man gar nicht genug Photographien der Anverwandten
dem Auge auf einmal darbieten. Aber auch farbige Wandbilder, die Oeldrucke und bemalten
Photographien, wurden oft ganz unsinnig zusammengehäuft, briefmarkengleich angeheftet,
um die Wand möglichst „reich“' zu machen. Die Museumswand gab das schlechte Beispiel,
diese Bilderwand, die aus Mangel an Raum über und über behängt ist. Aber im Hause
hat doch kein Mensch die Pflicht, Museumskunststücke vorzuführen. Darum ist es gut, dass wir
von dieser Unsitte wieder abgekommen sind. Die Bemühungen der Sezessionen: sämtliche
Bilder möglichst günstig, d. h. in Augenhöhe zu hängen, haben Frucht getragen. Wir sind
dahinter gekommen, dass ein einziges gutes Bild, oder auch einige wenige harmonisch vereinigt,
weit schöner den Raum stimmen, als eine Unzahl von verschiedenartigen und verschieden-
wertigen Stücken das tut.
Denn die Wand an sich hat doch auch ein Recht, irgendwo da zu sein und mitzuwirken
im Raume. Warum also nicht leere Stellen lassen? Diese Stellen sind nämlich gar nicht
leer und zwecklos, sie sprechen mit, sie umgeben das Gemälde so gut wie das Möbel, sie
geben ihnen eine Resonnanz, einen räumlichen Ausklang, dessen die Bilder so gut wie die
Möbel bedürfen und mehr noch als sie.
Ja, wo sollen wir denn aber bei dieser Sparsamkeit mit all unsern Bildern hin, wird man
fragen. Es ist doch schade, wenn man sie in die Rumpelkammer stellt. Gut, wer sich von
seinen Lieblingsstücken nicht trennen will, wechsle mit ihnen ab, so geht es gut. Es geht
das nämlich nicht mit allen. Die Tapete oder die Wandbespannung reden da nicht weniger
mit als die benachbarten Möbel. Einmal platzt der Rahmen aus der Wand heraus, ein
andermal das Bild. Das führt uns ganz von selbst zur Beschränkung auf das Passende,
führt uns zur Raumgestaltung mit Rücksicht auf ein besonders wertvolles Bild, oder auf einen
schönen Teppich an der Wand, ein Schmuckmotiv, das bei uns viel zu selten angewendet
wird. Es gibt zuzeiten nichts Beruhigenderes für das ermüdete, nervöse Auge als solch ein
edles Gewebe in seiner vornehmen, gedämpften Farbenharmonie.
Doch gibt es auch Hilfsmittel, um ein widerspenstiges Bild, wenn auch nicht in räum-
liche, so doch in eine Harmonie der Fläche zu zwingen: man bespannt etwa den Teil der
Wand, auf den das Bild zu hängen kommt, mit einer rauhen Leinwand (Rupfen), die einen
geeigneten farbigen Hindergrund gibt. Hat der Raum natürliche, d. h. durch die Architektur
gegebene Nischen und Sonderwinkel, so wird gegen eine solche aparte Behandlung wenig
zu sagen sein. In einem regelmässig rechteckigen Raume dagegen eine Wand zu Gunsten
eines Bildes besonders zu behandeln und von den andern farbig abzulösen, hat immer
etwas Bedenkliches und bleibt eben ein Notbehelf.
Darum tröste man sich dahin, dass es nicht nur gerahmte und Wandbilder, sondern
auch Hausbilder schlechtweg gibt, die von Zeit zu Zeit aus ihrer Dunkelheit hervorzuholen
eine ebenso liebe Beschäftigung sein sollte wie das Lesen guter Bücher. In den Mappen
der Hausbilderei werden die billigen Wiedergaben der Meisterwerke bildender Kunst einen
besseren Platz finden als an der Wand, wo man doch wohl Originale der Griffelkunst und
Malerei bevorzugen sollte; wenigstens alle die, die solche Originale kaufen können — es
könnens die meisten, und es tuns die wenigsten.
Natürlich schliesst dieser Rat die Photographien und Gravuren nach guten Meistern
nicht von der Wand aus. Wer ein besonderes Freundschaftsverhältnis zu dem oder jenem
grossen Werke hat und dieses ständig vor Augen zu haben wünscht, der wird auch einen
Platz dafür zu finden wissen. Nur sollte er sich vorher reiflich überlegen, ob auch dem
Werke damit ein Dienst geschieht. Es gibt dekorative, bildmässige, und es gibt weniger
bildmässige Werke, weniger zumal, wenn ihnen die Farbe fehlt. Die einfarbige Photographie,
auch die beste noch, gibt den originalen Farbenklang der Gemälde, sie gibt auch den Strich
des Griffels nur ungenau wieder. Sie übersetzt die Farben in helldunkle Töne und Halb-
töne, sie verändert und verwischt die Kontraste, auch oft bei Schwarzweissblättern, obgleich
 
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