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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft IV (April 1907)
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Kolb, Gustav: Zu unseren Abbildungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0060

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weiteres verständlich und zeigt eine glückliche Uebereinstimmung in Auffassung und
Ausstattung mit dem Zweck. Auch alle Einzelheiten haben ihre Beziehung, so z. B.
wird die berühmte Brunnen- und Kurstadt durch die Ausschmückung des Sockels
charakterisiert. Die Adresse ruht in einer Ledermappe, die ebenfalls nach einem
Entwurf Professor Huberichs in Lederschnitt und leichter Bemalung ausgeführt ist.
Die dem Text eingefügten Abbildungen 4, 5, 6 und 7 sind nach Schülerarbeiten
aus dem fakultativen Zeichenunterricht des Gymnasiums Heidelberg vervielfältigt
worden. Die Originale sind wesentlich grösser und teilweise farbig behandelt. Zeichen-
lehrer Idler, der uns diese vortrefflichen Arbeiten zur Verfügung stellte, schreibt
uns, dass an dem Unterricht 15 Schüler teilnahmen. In jeder Doppelstunde werden
gewöhnlich zwei Figuren dieser Art nach der Natur gezeichnet. Es stehen immer
zwei Modelle zur Verfügung, die sich, um die nötigen Ruhepausen zu haben, nach
je 15 Minuten ablösen, während die zeichnenden Schüler ungehindert Weiterarbeiten
können. Der Vorsitzende unseres Verbands, Zeichenlehrer Erhardt-Heidelberg,
gab den Zeichnungen ein Begleitschreiben mit, das in treffender Weise die Arbeiten
erklärt und verdient, in seinem Wortlaut hier veröffentlicht zu werden: „Es sollen
keine Paradepferdchen sein, diese Blätter; sie wollen nur gewissermassen eine in-
timere Zeichenstunde schildern, welche sich mit dem, was gerade der Tag gebracht
hat, was vielfach für die Jugend Ereignis ist, beschäftigt. So hat der eine Schüler
sein Clownkostüm, der andere den „Koch“ mitgebracht, und dann wird’s mäuschen-
still im Zeichensaal: jedes ist bemüht, die Bewegung, das Kostüm, den Gesichts-
ausdruck so wiederzugeben, dass man seinen Kameraden, das Modell, in der Wieder-
gabe in allen seinen charakteristischen Merkmalen zu erkennen vermag. — An
schönen Sommertagen geht’s dann wieder hinaus in die Natur, in die Landschaft,
da erschliessen sich dem Auge neue Reize. Glücklich der Mensch, welcher gelernt
hat, sie zu empfinden!“ Die Originale von Abbildung 4 und 5 sind auf graues
Tonpapier gezeichnet und teilweise mit Deckweiss und Farbe behandelt, z. B. ist
das Clownkostüm bei 5 (Mütze und Gewand) zinnoberrot, die Halskrause weiss gemalt.
Abbildung 6, Mädchen und Hund, ist ebenfalls eine Naturstudie, die Arbeit eines
offenbar sehr begabten Schülers.
Abbildung 1, 2 und 3 sind verkleinerte Blätter aus den Skizzenbüchern von
Professor Fedor Flinzer (Verlag von Kupfer & Hermann, Berlin N. W. 52, Pauls-
strasse 34). Der rühmlichst bekannte Künstler und Zeichenlehrer Flinzer in Leipzig
feierte am 4. April seinen 75. Geburtstag. Jeder von uns weiss, dass wir in diesem Mann
einen der grössten Förderer des Zeichenunterrichts verehren müssen. Schon im
Jahr 1871 hat er „24 Thesen zu einer Einigung über Zwecke und Ziele des Frei-
handzeichenunterrichts an den allgemeinen Bildungsanstalten“ veröffentlicht, die
teilweise geradezu reformerisch anmuten, wie z. B. „In der Schule ist das Richtig-
zeichnen, gegenüber dem Schönzeichnen, in erste Linie zu stellen“, „Der Zeichen-
unterricht muss beim Schüler das Interesse erregen und festhalten“, „Aller Sche-
matismus ist dem Verständnis schädlich und deshalb für die Schule verwerflich“,
„Der Zeichenunterricht muss Anregung und Anleitung geben zur selbstschöpferischen
Tätigkeit“ etc. Wie sehr Flinzer damals seiner Zeit vorausgeeilt ist, geht aus einer
Aeusserung eines Fachmanns aus dem Jahr 1872 über die These betr. Weckung
des Interesses hervor: „Es ist zu fürchten, dass unter diesem Titel die Spielerei
und der Schwindel sich einschwärzen. Die Teilnahme rege erhalten soll ja über-
haupt aller Unterricht, und der Lehrer versteht sich schlecht auf seinen Vorteil,
 
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