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ausdrücklich anerkannt. Ich wies nur darauf hin, dass solche starren Lehrgänge, die man
nach systematischen Grundsätzen zusammenstellt und durchzuführen bestrebt ist, clen Lehrer
in seiner Bewegungsfreiheit hemmen. Und dass dies in den badischen Schulen vielfach der
Fall ist, das glaubte ich (wie meine württ. Kollegen) aus den badischen „Lehrgängen“ ent-
nehmen zu müssen. Wenn dies aber keine „Lehrgänge“ sondern nur Stoffübersichten sein
sollten wie Kollege B. berichtigt, so war die Bezeichnung „Lehrgang“, die überall angebracht
war, und die streng systematische Anordnung irreführend.
3. Dass es Lehrer geben kann, die es nicht verstehen, die Schüler entsprechend anzu-
regen, kann kein Grund dafür sein, einem Fortschritt wie dem Zeichnen im Freien aus
dem Weg zu gehen. Ueberhaupt befindet sich Kollege B. in einem Irrtum, wenn er annimmt,
durch das Zeichnen im Freien müsse der Schüler vor Aufgaben gestellt werden, die „über
sein Verständnis und sein Können hinausgehen.“ Im Gegenteil, die Erfahrung hat gelehrt,
dass man einen stufenmässigen Fortschritt vom Leichteren zu Schwerem im Zeichensaal
niemals so ideal durchführen kann wie im Freien, dazu fehlen in der Regel die Lehrmittel,
die uns im Freien kostenlos zur Verfügung stehen. Der Verein württ. Zeichenlehrer hat
dies in Broschüre II der „Beiträge zur Zeichenunterrichtsreform“ an der Hand eines aus-
giebigen Illustrationsmaterials nachgewiesen. Gewiss sind grosse Klassen im Freien
schwieriger zu unterrichten als kleine, aber dieses Haupthindernis eines gedeih-
lichen Unterrichts trifft für den Zeichensaal, wie auch Kollege B. aus
seiner Praxis entnommen haben wird, genau ebenso zu.
4. habe ich nirgends behauptet, dass das Interesse des Schülers „die einzige Richt-
schnur“ im Zeichenunterricht bilden müsse und nirgends bestritten, dass das Zeichnen wie
„jede künstlerische Arbeit eine geistige Arbeit ist, deren Verständnis planmässig geweckt
werden muss“. Im Gegenteil, ich habe letztere Forderung in meinem Bericht nachdrücklich
betont. Ich glaube, dass es keinem Lehrer, der ernst und zielbewusst arbeitet, verborgen
bleiben kann, dass im Unterricht mit Anspannung der ganzen Kraft gearbeitet werden
muss, und zwar gleichermassen von seifen der Lehrer wie der Schüler, und dass selbst dem
begabtesten Schüler der Schweiss des Angesichts nicht erspart bleibt.
Aber es tut not, neben dem Ernst auch die sonnige Seite des Unterrichts, ohne die
ich mir keinen fruchtbringenden Unterricht denken kann, zu betonen. Vor allem tut es uns Lehrern
not, die wir täglich Gefahr laufen, uns von der Natur des Kindes zu entfernen — der alte Zeichen-
unterricht, der Jahrzehnte bestehen konnte, ist ein Beweis dafür — den obersten Grundsatz
eines psychologischen Unterrichts, den der Berücksichtigung des Interesses immer wieder
ins Gedächtnis zurückzurufen. Für mich ist der Zeichenunterricht nicht nur eine künst-
lerische, sondern auch eine pädagogische Angelegenheit. Jeder Lehrer ist gezwungen,
„die ständige Wahrung des künstlerischen Gesichtspunktes“, wie Kollege B. sich ausdrückt,
im Unterricht häufig genug hinter die ständige Wahrung des erziehlichen Gesichtspunktes
zurücktreten zu lassen. Doch ich glaube, das wollte Kollege B. auch nicht bestreiten.
Aber ich will damit noch sagen, dass nicht der Künstler von Beruf, sondern vielmehr
der künstlerisch fühlende und gebildete Erzieher das letzte Wort bei der Beurteilung des
Zeichenunterrichts der allgemeinbildenden Schulen haben muss. Damit ist eine Frage von
höchster Bedeutung berührt;
5. bin ich mit Kollege B. durchaus einig, wenn er hervorhebt, dass ..in den unteren
Klassen der führende Wille des Lehrers sich deutlich ausprägen“ soll, ja ich gehe noch
weiter, denn ich möchte diese Forderung aufs Bestimmteste auch für die Öberklassen erheben.
Das widerstreitet meines Erachtens aber keineswegs der andern Forderung, dass dem Schüler
auf jeder Stufe Gelegenheit und Anregung zu freier Betätigung gegeben werden muss.
Darum streng und frei zugleich, und zwar auf allen Stufen soll der Unterricht sein, wie
ich in meinem Bericht hervorgehoben habe. Dabei wird die „solide Basis“ gewahrt und es
wird Raum gewonnen zur Entfaltung der schöpferischen Kräfte des Kindes.
6. Unter freier schöpferischer Betätigung verstehe ich nicht einzig und allein das so-
genannte Phantasiezeichnen. Ich habe dieses absichtlich in meinem Bericht nur gestreift.
Für mich ist jede Naturstudie, die den Stempel selbständiger und eigenartiger Auffassung
trägt — und sei dies auch nur in bescheidenem Masse — eine schöpferische Tat im Kleinen.
Dass die Phantasie „sich nicht über ein gewisses Alter hinaus wachhalten lässt“, möchte ich
auf Grund meiner Erfahrungen ganz entschieden bestreiten.
Ich verzichte hier darauf, weitere Worte über das Phantasiezeichnen zu verlieren.
Dass ich auf diesem Gebiet von den Anschauungen des Kollegen B. abweiche, wissen unsere
Leser. Es soll nur auf die Ausführungen des Kollegen Halm (in No. VII von „Kunst und
Jugend“) verwiesen sein, mit denen ich einig gehe: denn auch mir ist die Phantasie eine
geistige Kraft, die planmässig entwickelt werden, aber auch verkümmern kann, je nachdem.
Freilich, diese geistige Kraft im Kinde richtig zu entwickeln, ist ebenso schwer als sie
fruchtbringend für das gesamte geistige Leben des Schülers sein kann. Da gibt es keinen
Zwang, weder für Lehrer noch für Schüler. Aus diesem Grunde würde es mir auch niemals
einfallen, von einem Lehrer derartige Uebungen zu verlangen, sie müssen vielmehr dem
vorbehalten bleiben, der einen inneren Drang darnach empfindet. Zum Schluss möchte ich
aber betonen, dass ich Achtung vor jeder ehrlichen Ueberzeugung eines andern habe, darum
liegt es mir ferne, eine „Auffassung und Ausübung“ des Zeichenlehrerberufes, wie sie Kollege B.
uns vorführt, für eine solche zu halten, die nicht durch „vieles Nachdenken und durch selb-
ständiges Gehen auf eigenen Wegen“ erworben werden kann. G. Kolb.
ausdrücklich anerkannt. Ich wies nur darauf hin, dass solche starren Lehrgänge, die man
nach systematischen Grundsätzen zusammenstellt und durchzuführen bestrebt ist, clen Lehrer
in seiner Bewegungsfreiheit hemmen. Und dass dies in den badischen Schulen vielfach der
Fall ist, das glaubte ich (wie meine württ. Kollegen) aus den badischen „Lehrgängen“ ent-
nehmen zu müssen. Wenn dies aber keine „Lehrgänge“ sondern nur Stoffübersichten sein
sollten wie Kollege B. berichtigt, so war die Bezeichnung „Lehrgang“, die überall angebracht
war, und die streng systematische Anordnung irreführend.
3. Dass es Lehrer geben kann, die es nicht verstehen, die Schüler entsprechend anzu-
regen, kann kein Grund dafür sein, einem Fortschritt wie dem Zeichnen im Freien aus
dem Weg zu gehen. Ueberhaupt befindet sich Kollege B. in einem Irrtum, wenn er annimmt,
durch das Zeichnen im Freien müsse der Schüler vor Aufgaben gestellt werden, die „über
sein Verständnis und sein Können hinausgehen.“ Im Gegenteil, die Erfahrung hat gelehrt,
dass man einen stufenmässigen Fortschritt vom Leichteren zu Schwerem im Zeichensaal
niemals so ideal durchführen kann wie im Freien, dazu fehlen in der Regel die Lehrmittel,
die uns im Freien kostenlos zur Verfügung stehen. Der Verein württ. Zeichenlehrer hat
dies in Broschüre II der „Beiträge zur Zeichenunterrichtsreform“ an der Hand eines aus-
giebigen Illustrationsmaterials nachgewiesen. Gewiss sind grosse Klassen im Freien
schwieriger zu unterrichten als kleine, aber dieses Haupthindernis eines gedeih-
lichen Unterrichts trifft für den Zeichensaal, wie auch Kollege B. aus
seiner Praxis entnommen haben wird, genau ebenso zu.
4. habe ich nirgends behauptet, dass das Interesse des Schülers „die einzige Richt-
schnur“ im Zeichenunterricht bilden müsse und nirgends bestritten, dass das Zeichnen wie
„jede künstlerische Arbeit eine geistige Arbeit ist, deren Verständnis planmässig geweckt
werden muss“. Im Gegenteil, ich habe letztere Forderung in meinem Bericht nachdrücklich
betont. Ich glaube, dass es keinem Lehrer, der ernst und zielbewusst arbeitet, verborgen
bleiben kann, dass im Unterricht mit Anspannung der ganzen Kraft gearbeitet werden
muss, und zwar gleichermassen von seifen der Lehrer wie der Schüler, und dass selbst dem
begabtesten Schüler der Schweiss des Angesichts nicht erspart bleibt.
Aber es tut not, neben dem Ernst auch die sonnige Seite des Unterrichts, ohne die
ich mir keinen fruchtbringenden Unterricht denken kann, zu betonen. Vor allem tut es uns Lehrern
not, die wir täglich Gefahr laufen, uns von der Natur des Kindes zu entfernen — der alte Zeichen-
unterricht, der Jahrzehnte bestehen konnte, ist ein Beweis dafür — den obersten Grundsatz
eines psychologischen Unterrichts, den der Berücksichtigung des Interesses immer wieder
ins Gedächtnis zurückzurufen. Für mich ist der Zeichenunterricht nicht nur eine künst-
lerische, sondern auch eine pädagogische Angelegenheit. Jeder Lehrer ist gezwungen,
„die ständige Wahrung des künstlerischen Gesichtspunktes“, wie Kollege B. sich ausdrückt,
im Unterricht häufig genug hinter die ständige Wahrung des erziehlichen Gesichtspunktes
zurücktreten zu lassen. Doch ich glaube, das wollte Kollege B. auch nicht bestreiten.
Aber ich will damit noch sagen, dass nicht der Künstler von Beruf, sondern vielmehr
der künstlerisch fühlende und gebildete Erzieher das letzte Wort bei der Beurteilung des
Zeichenunterrichts der allgemeinbildenden Schulen haben muss. Damit ist eine Frage von
höchster Bedeutung berührt;
5. bin ich mit Kollege B. durchaus einig, wenn er hervorhebt, dass ..in den unteren
Klassen der führende Wille des Lehrers sich deutlich ausprägen“ soll, ja ich gehe noch
weiter, denn ich möchte diese Forderung aufs Bestimmteste auch für die Öberklassen erheben.
Das widerstreitet meines Erachtens aber keineswegs der andern Forderung, dass dem Schüler
auf jeder Stufe Gelegenheit und Anregung zu freier Betätigung gegeben werden muss.
Darum streng und frei zugleich, und zwar auf allen Stufen soll der Unterricht sein, wie
ich in meinem Bericht hervorgehoben habe. Dabei wird die „solide Basis“ gewahrt und es
wird Raum gewonnen zur Entfaltung der schöpferischen Kräfte des Kindes.
6. Unter freier schöpferischer Betätigung verstehe ich nicht einzig und allein das so-
genannte Phantasiezeichnen. Ich habe dieses absichtlich in meinem Bericht nur gestreift.
Für mich ist jede Naturstudie, die den Stempel selbständiger und eigenartiger Auffassung
trägt — und sei dies auch nur in bescheidenem Masse — eine schöpferische Tat im Kleinen.
Dass die Phantasie „sich nicht über ein gewisses Alter hinaus wachhalten lässt“, möchte ich
auf Grund meiner Erfahrungen ganz entschieden bestreiten.
Ich verzichte hier darauf, weitere Worte über das Phantasiezeichnen zu verlieren.
Dass ich auf diesem Gebiet von den Anschauungen des Kollegen B. abweiche, wissen unsere
Leser. Es soll nur auf die Ausführungen des Kollegen Halm (in No. VII von „Kunst und
Jugend“) verwiesen sein, mit denen ich einig gehe: denn auch mir ist die Phantasie eine
geistige Kraft, die planmässig entwickelt werden, aber auch verkümmern kann, je nachdem.
Freilich, diese geistige Kraft im Kinde richtig zu entwickeln, ist ebenso schwer als sie
fruchtbringend für das gesamte geistige Leben des Schülers sein kann. Da gibt es keinen
Zwang, weder für Lehrer noch für Schüler. Aus diesem Grunde würde es mir auch niemals
einfallen, von einem Lehrer derartige Uebungen zu verlangen, sie müssen vielmehr dem
vorbehalten bleiben, der einen inneren Drang darnach empfindet. Zum Schluss möchte ich
aber betonen, dass ich Achtung vor jeder ehrlichen Ueberzeugung eines andern habe, darum
liegt es mir ferne, eine „Auffassung und Ausübung“ des Zeichenlehrerberufes, wie sie Kollege B.
uns vorführt, für eine solche zu halten, die nicht durch „vieles Nachdenken und durch selb-
ständiges Gehen auf eigenen Wegen“ erworben werden kann. G. Kolb.