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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft XII (Dezember 1907)
DOI article:
Binal, Karl: Beziehungen zwischen Kunsterziehung und fremdsprachlichem Unterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0152

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und Liebe beachten. Jeder Bau braucht eine gesicherte Grundlage, die in diesem
Lall allein die Schule legen kann, indem sie die verschiedenen Unterrichtsdisziplinen
nach der Seite der Gefühls- und Gewissenskultur hin mehr betont. Zu diesen
Unterrichtsgegenständen gehört neben andern vor allem auch als Grundlage zur
Kunsterziehung der Zeichenunterricht, der in seinen neuen Bestrebungen vor allem
das richtige Sehen und Bühlen in Anspruch nimmt, indem er mit Hilfe der beiden
Baktoren genau dem Vorbild entsprechende schöne Formen bildet, um so auch
richtige Vorstellungen zu schaffen. Nun sucht jeder Lehrer, mag er unterrichten,
was er will, durch eine entsprechende Fragestellung jede unrichtige Antwort zu
vermeiden, jeder falschen Anschauung, jedem falschen Schlüsse sucht er vorzubeugen,
denn er weiss, dass dadurch die "Wahrheit getrübt wird. Dem Grundsätze ent-
sprechend führt die Schule ihren Schützlingen nur möglichst Vollkommenes vor die
Augen. Mit welcher Peinlichkeit werden nicht die Lesestoffe des Schülers, ein
Lesebuch, gesichtet? Dasselbe sehen wir in Keligion, im Singen, Naturgeschichte,
Physik u. s. w. Hier ist der Satz massgebend: „Bür die Jugend ist das Beste
gut genug.“
Ein gedeihlicher Unterricht fordert ein Zusammenarbeiten aller Unterrichts-
gegenstände, d. h. ein Gegenstand sucht sich an den andern anzulehnen oder sich
mit ihm zu verknüpfen. Wird doch verlangt, dass verschiedene Fächer deshalb in
eine Hand gelegt werden sollen.
Sehen wir nun zu, ob diese beiden Forderungen: dem Schüler möglichst Voll-
kommenes zur Vermeidung alles Unrichtigen und die Zusammenarbeit aller Faktoren
auch überall, wo es möglich ist, durchgeführt sind. Die Kunsterziehung ist sich
bewusst, dass die durch die künstlerische Betätigung gewonnenen Erfahrungen und
Eindrücke gewissermassen praktisch verwertet und weitergebildet werden sollen,
durch Betrachtung von nur erstklassigen Werken. Sucht man doch auf die grosse
Masse dadurch zu wirken, dass jeder Gebrauchsgegenstand ästhetisch durchgebildet
wird, um so den Geschmack zu verfeinern. Wenn die Erwachsenen dafür empfäng-
lich sind, wie viel stärker wird der Eindruck auf die Jugend sein.
Um eine möglichst vollkommene Vorstellung zu erreichen, unterstützt der
neuere Sprachunterricht das tote Wort dadurch, dass er den Gegenstand selbst
oder doch dessen Bild zeigt, letzteres ist meistens der Fall. Nun sollte man meinen,
dass doch diese Bilder den Gegenstand naturgetreu geben, auch sein Verhältnis
zur Umgebung entsprechend berücksichtigen sollten. Hier ist der Anknüpfungs-
punkt der Kunsterziehung, resp. des Zeichenunterrichts mit dem Sprachunterricht,
die sprachlichen Anschauungsbilder von Hölzel in Wien werden hiezu verwendet:
Frühling, Sommer, Herbst, Winter, der Wald, die grosse Stadt, der Gutshof u. s w.
Von der künstlerischen Wirkung derselben soll ganz abgesehen werden, aber
die Kichtigkeit, die Naturtreue, wo bleibt die? Lieber keine Bilder als solche, die
erziehen zur Unwahrheit, ein falsches Bild gibt doch keine richtige Vorstellung.
Selbst kleine Schüler sehen die Fehler und Verzeichnungen. Bei dem heutigen
Stand der Reproduktionskunst ist eine Verwendung von solchen Vorbildern nicht
begreiflich.
Der Ueberfüllung der Bilder durch alle möglichen Dinge kann durch Teilung
in mehrere Gruppenbilder abgeholfen werden. Das, was mir immer am meisten
weh tut und was ich unbedingt nicht verstehen kann, sind die geradezu ausge-
suchten fehlerhaften Darstellungen der Gegenstände der Menschen und Tiere. Ich
erinnere nur an den Sensendengler (Gutshof) und an den zuschauenden Knaben,
das Füllen, die Schweine u. s. w., dann auf dem Frühlingsbild, das heimkehrende
Mädchen, der Kinderreigen, der den nesterbauenden Vögeln zusehende Knabe u. s. w.
Charakteristisch sind überall die hässlichen, dicken Köpfe, die verzeichneten Arme
und Beine. Ueberall herrscht nur Steifheit und Plumpheit. Die Gesichter sind
alle durchweg hässlich und mit einer wunderbaren Naivität gezeichnet, durch die
sich überhaupt sämtliche Bilder auszeichnen. Beim grössten Lärm im Walde, durch
Holzhauer, Köhler, Förster, Holzwagen, Kinder u. s. w. verursacht, erscheinen
Keh und Fuchs ganz ruhig. Am meisten leistet sich an Widernatürlichem, In-
 
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