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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 1 (Januar 1929)
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Frantzen: Dürer und wir: (eine gekürzte pädagogische Ansprache zum Gedächtnis seines 400jährigen Todestages)
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Ettel, Josef: Kritische Betrachtung des Artikels ''Stellung zu Britsch-Kornmann'' von Georg Stiehler, Leipzig in Heft 11, 1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0022

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Denn diese sind Männer voll feierlicher Gröhe, voll
Mut, Cntschlossenheit, Frömmigkeit und Eifers. Um
die Apostel in dieser Auffassung zu malen, bedarf es
vielmehr der Phankasie, die das Vorbild der Natur,
in diesem Faile die vier männlichen Modelle um-
zuformen hat. Sie geskalket in der Hauptsache das
Kunstwerk in seinem Rhythmus von Linie, Form,
Farbe und Ton. Wir dürfen infolgedessen die beiden
Sähe miteinander verbinden und im Sinne Dürers
sagen, dah wir die Natur mit Phankasie studiersn müs-
sen, und dürfen auch feststellen, dah das auf die ver-
schiedenste Art möglich ist, mik der reinen Farbe, mit
dem spihen Skifk, durch weiches stneinandersehen der
Töne, wie auch durch einfaches, klares Neben-
einandersehen der Flächen und Körper, wie Dürer
es selbst gekan hat.

Wenn wir seht einmal an unsere eigene Arbeit
denken, dann werden wir finden, dah Dürer, der

grohe Maler, gar nichk so viel anders dachke, datz
er aber mehr konnke und mehr wollte als wir.

Worüber Dürer nicht viel geredet hat, was stch
aber in Anbekracht seines Lebenswerkes von selbst
versteht, ist die Forderung, dah das angeborene
Talent mit Fleiß und H«rtnäckigkeit gepflegt wer-
den muh. stn dieser Hinsichk hak gerade er, wie kaum
ein anderer, an sich selbst mik seinem ganzen Ernste
und seinem starken Willen gearbeitet, und in dieser
Hmsicht möge er uns in der Pflege unjerer beschei-
denen Anlagen das leuchtende Vorbild sein. Ar-
beiten wir weiter an uns selbst, und ehren wir durch
diese unsere Arbeit im Kleinen, den Meister im
Grotzen, damit wir auf solche Weise seinem Genie
wahrhaft gerecht werden.

Für die Ausstellung Dürerscher Bläkter im Zei-
chensaal und für unsere daraus sich ergebenden neuen
Aufgaben mögen diese Morte eine kurze, aber nok-
wendige und festliche Einleitung bedeuten.

Kritische Betrachtung des Artikels
„Stellung zu Britsch-Kornmann" von Georg Stiehler, Leipzig

in Heft 11, 1928

Von 2 ose f Ettel. Wien.

Stiehler gelangt zu folgendem Urteil: „Nein, eine
solche Theorie, die an der Kindeswirklichkeit vorbei
gehk, können wir nicht als sichere theoretisch oder
praktisch weisende Grundlage für unsere Arbeit
werten. Die Theorie mag für gewisse Entwicklungs-
stadien der Kunst, besonders in den Anfängen,
stimmen, nicht aber stimmt sie in der Beurteilung
und methodischen Auswerkung der Kinderzeichnung."
Nehmen wir nun Stiehlers Begründungen und Aus-
legungen unter die Lupe!

Die herausgehobenen Worte „Kindliches ist voll-
endet und ohne Zeit" aus dem Ariikel von Wom-
melsdorff sHamburger Lehrerzeikung 9/1928) stammen
nicht von diesem „Britsch-2ünger", sondern sind dem
Buche Harklaubs „Der Genius im Kinde"
lSeike 13) enknommen. 2ch halte gerade diesen Ar-
tikel für wertooll, weil er in gründlicher, kiefschürfen-
der Weise zu den einzelnen Enkwicklungsstadien des
Zeichenunterrichles in den lehken 30 2ahren von
einer höheren Warte aus Skellung nimmt, mit be-
sonderer Klarheik die Zusammenhänge mik anderen
didaktischen Bemühungen erkennk und an den
Zeichenunterricht der Gegenwark die strengsten For-
derungen stellk. Datz der Berfasser zum Schlusie die
Meinung vertritt, die Gedankengänge von Briksch
und Kornmann könnten uns aus der Enge der heuti-
gen Zeichenmethodik herausführen, bedeutet nichts
anderes als die logische Folgerung, die die Ham-
burger Lehrerschaft auf Grund ihrer mannigfalkigen
Erfahrungen zu ziehen im Begriffe ist.

Die Warnung Kerschensteiners, den Grund-
sah des schöpferisch Künstlerischen in der Erziehung
nichk zu überspannen, berührt unsere Theorie deshalb
nicht, weil diese nur die besondere geistige Leistung
des künstlerischen Denkakkes aufzudecken und gerade
dadurch dem bildhaften, freien Gestalken eine sichere,

feste Grundlage zur Beurteilung und Weiterführung
zu geben sucht. Damit fallen alle Schlagworte vom
,Schöpferijchen", vom „Künstler im Kinde" von selbst
zusammen, weil vom Kinde nicht mehr oder weniger
verlangt wird, als was seiner Wesensart gemätz flch
aus ihm entwickeln kann.

Die Ausführungen des Breslauer Akademispro-
fessors Rading in der „Form" 8/1928 beruhen
auf einem Mitzverständnis. Britsch und Kornmann
sind grundsätzlich keine Gegner des Nakurstudiums,
sie unterscheiden nur zwei verschiedene Durchfüh-
rungsarten: die eine, die Erkenntnisie auf dem Ge-
biet der Gesichtssinneserlebnisie erarbeitet, die erst
die Boraussehungen des künstlerischen Schaffens
bilden (Britsch S. 125) die andere, die mittelS
begrifflicher, naturwissenschaftlicher Methoden mei-
stens auf eine deskriptive Vermesiungsaufnahme
hinausgehk, daher mit Hilfe von Krücken eine höhere
Gestalkungskraft vortäuschen kann oder will, als die
geistige und seelische Reife des 2ndividuums bedingt.
Es ist immer das Bestreben, die Gestaltung hinauf-
zukreiben, von einer yöheren Lage auö zu schQffen,
was nur unter kräftigen SLühen, niemals frei unq
unbehindert geschehen kann. Sotchen Arbeiten steyr
man das Gequälte an, man merkt den Ritz, der
durch die Arbeit geht, die dadurch uneinheitlich, un-
künstlerisch wirkt. Dieses Naturstudium lehnt auch
Professor Rading ab. Datz es aber an anderen
Orten noch vielfach so betrieben wird, ist leider eine
bekannke Tatsache. Ansonsten sagt Profesior Radtng
über Kornmann: „Sehr schön und sehr weise die,
Beschränkung auf das Detail gematz der vorhande-
nen Kraft (Kornmann spricht nur von der Volks-
schule!). Das Ergebnis ist entsprechend °ft von sehr
starker Wirkung, sicherlich ein grotzer Fortschritt
gegenüber dem üblichen gedankenlosen Ilebernehmen
von schon Gesehenem."
 
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