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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 4 (April 1929)
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Keßler, E.: Neue Wege künstlerischer Erziehung: eine Ausstellung von Jugendarbeiten in München
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Schmuckfreude und Schmuckgestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0097

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smmnengesireut Icheineu die einzelnen Blätter, und
eben darum in ihrer Wirliung frappant, da dieleS
scheinbare Ungefähr der Nebeneiuaiiderreihuiig das
vielgestaltige Köniien des liindlicheii Ausdrucks zeigt.
Gauguin sagk einmal: „Ls gibt zwei Arten von
Schönheit, die eiue entspringi aus dem Instinlrt, die
nndcre mird erlernt." Diese instinlitive Schönheit

suchen und verehren wir in der Kunst des Kindes.
Wie stark das Bedürfnis nach den erneuernden Kras-
ken ist, die aus dieser Kunst zu schöpfen sind, beweist
die entschlossene Zusammenarbeit, die sich mit der
bewuszken Bildung bes kindlichen Tuns befassend,
allerorken gleichzeitig eingeseht hak und die in dieser
Ausstellung einen schönen Ausdruck sindet.

' Schmuckfreude und Schmuckgestaltung *

Wir legen also für jede Schmuckarbeit in der
Schule grundsählich fest, dasz Schmuck und Ge-
staltung eine einheitl! che Tätlgireit sind.
Dajz nichk ein Gegenstand fertig hergestellt und dann
verziert wirü, sondern dasz seine Berzierung darin
besteht, dasz sie einen Teil des Gestaltungsvorgan-
ges ist. Kein Ding soll also erst als Zweckgegen-
stand gemacht und dann „bestickt" werden. Es soll
gemacht werden, nachdei» seine volie Erscheinung
geistig fertig ist in jedem Teilchen von Anfang bis
zu Ende. Stoff und Farbe, Form und Schnikt,
Art dcr Berschlüsse, Nähte und Faiten, der hand-
iverklichen Arbeit und ihrer Durchfllhrung. Das ist
lchon Schmuck und soll als Schmuck empfunden wer-
den, dajz unker allen vorhandenen Slossen der ge-
wählk wird. der neben allen Eigenschasten der Halt-
barkeit, Wnschbarkeik, Lichtechtheit, Güte von Fa-
-en und Weberei, die wir aus Zweckgründen ver-
langen, auch die besiht, dem Auge in seiner Stoff-
lichkeit, seiner Farbe und Farbigkeit, seiner Muste-
rung wohlzutun, sowie bem Gefiihl in leiner Fein-
heit und Äeichheit zu schmeicheln. Alles ist schon
Schmuck, was im Stosf ekwas über das hinaus
darstellt, was dcn Gegenstand gut und zweckdienlich
macht. A!an liann sagen: „Das Kleid war sehr gut,
ladeilos und vorbildiich", und man kann sagen: „Ein
anderes war das alles auch, aber es war mit einem
Wort schön." Dann war ekwas mehr Liebe in der
Stofswahl zu spüren, etwas mehr Feinheit in dem
Gefühl, das hier in der Wahl mit sprach, etwas mehr
Farbenklang und mehr Kenntnis von den Möglich-
lieilen, üie die Stoffarken in der Berarbeitung zu-
lassen. Es sind feine Unterschiede, fast nur fllhl-
bar, zwischen Stoff und Stoff, daß sie kaum zu er-
lilären sind. Ilnd boch bilden sie die Grundlage fllr
jede schöne Arbeit. Nur wer alles von Stoffen weih
und üann sein Gefühl immer übt im Tasten und
im 'Zlrbeiken. der wird wahrhafkig feinsinnig siir alles
Slossliche. Dafür svll viel Zeit in der Scpule' ge-
biancht werüen: das soll erfajzt werden, was ein
Sloss nn sich scho» Lharakkeristisches hat, zu wel-
chcm Gegenskand, aber auch zu welcher Form er sich
cigiiek, welä)e Falken, Kräuseln, Belebungen fllr ihn
rasscn. Mehr noch aber, zu welcher Form und Aus-
gcstnltung er anregk, welche sr zwingend verlangt,
wohin er die Phantasic führk. Der Schmuck für
den gnnzen Menschen, die. WoPiung ist das, was
wir erreichen wollen mit dem Skoff selbst und nicht
mi! dem Schmuclr des Skoffs.

So weit musz dieser Gedanke gekragen werden,
dast schliestlich das Schulkind der Oberstufe oft fühlt,

' Methodc dcs Nadelaibeits-Unterkichts von E. Altmnnn
M. birnpc, M Mnndorss. lTcnbner L.>

dast ein Stück höher skeht und feiner wirkt, wenn
gar kein Schmuck daran lst, ja, dast manches direkt
verschlechkert wird durch irgendein Mehr als das
von Stoff und Farbe in ihrer Gesamkgestaltung.
Es bedeutet aber die höhere Kultur, das vorge-
schrittene Berständnis, wenn so gearbeitet wird: und
nicht damit ist es zu erreichen, dast wir etwa sagen,
„wir schaffen einfach jede Berzierungsarbeit ab".

Mit der Berzierungsarbeit soll das Kind sich das
Berständnis erarbeiken. Darum soll sie geübt und
ausgellbt werden im rechken Sinne. Wir tragen also
ruhig üer Schmuckfreunde der Kinder Nechnung, um
sie in ihrem Geschmack entscheidend beeinflussen zu
können.

Aeichnen im Dienste dcr Nadelarbeit

WaS aber vom Zeichnen als Hilfsarbeit den Na-
delarbeiksunkerricht angeht, ist dreierlei: einmal das
leichte Skizzieren eines Gegenstandes seiner Form,
Einteilung und Farbe nach, dann die sachliche Werlr-
arbeit, nach der der Gegenskand !n allen Einzelhei-
len auSgeführk werden lrann und schliestlich die an-
deutende, mehr oder weniger genau durchgeführte
schemakische Erlrlärungsskizze.

Die Lehrerin, die das Zeichnen in üiejer Weise in
den Dienst der Nadelarbeit stellen soll, must es felbst
anwenden können, must aber auch, was sie von ihren
Schlllern verlangt, diese lehren können. Sie brauchk
ihnen keine Zeichenstunde zu geben, aber das in der
Zeichenstunde Geübke: die Sehübung, die Raumein-
lcilung, die farbige Darskellung aus der Phanlasie.
die geometrische Zeichnung und Aufteilung u. a. m.
kann sle in Beziehung zu dem Stoff sesten, den sie
zu behandeln hat. Sie must es verstehen, die gestal-
tenden Kräfke, die sich in der freien Arbeit der Kin-
der regen, auch tätig in der durch handwerkliche Be-
dingungen gebunden werden zu lassen. Und es musz
ihr eine innere Nolwendigkeit für ihren Unlerricht
sein, auch hier eine klare Linie auszuarbeiken und
zu befolgen, auf welche Weise die Kinder zu einer
folgerichtigen Anwendung des Zeichnens für ihre
handwerkliche Arbeit zu erziehen sind.

Selbstverständlich wird die Nadelarbeikslehrerin
Anteil am Zelchenunterricht nehmen und versolgen,
was sie daraus auf den Nadelarbeilsunkerricht an-
wenden kann, umgestellt aber auf die Nokwendigkeit.
die Stoff und Handwerk verlangen. Es lästt sich
aber aus dem ganzen Arbeikskreis des Zeichnens
Gleichartiges in der Nadelarbeit finden. Dem freien
Ausüruck innerer Erlebnisse enlsprechen die Ber-
suche, Dingen, Form und Farbe zu geben, üie aus
Skoff enkstehen sollen. Die Darstellungsweise, far-
biges Tuschen oder Schwarz-Weist-Zeichnen, ist die
 
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