66
logen stimmen ein. Allerorten wird die Deukung und
Erforschung des Wesens der Dinge «ls die neue
Aufgabe der Wissenschaft erkannt. „Planmäßiges
Wesensforschen an Stelle subjektiven Wertratens"
sStrzygowski)...
Die Künstler haben ohne eine Ahnung all jener
parallelen Verlagerungen unserer Kultur und gewitz
ohne Bewußtsein der weltgeschichtlichen Tragweite
sich im lehken Iahrzehnk nicht mehr dazu verstehen
können, exakt perspekkivisch im alten Sinne zu schaf-
fen... Enkweder vermögen die auf allen Kulkur-
gebieten heut führenden Köpfe durchzudringen und
können Schöpferkum und Erfindung als Lebens-
kräfke durchsetzen, oder es verbleibt bei der ewigen
Wiederholung, welche das 19. stahrhundert seinen
Maschinen und den mechanisterten Menschen lehrke.
Gestalten und Schmücken
Textprobe aus dem Merk „Die neue Nadelarbeit" von Margot Grupe^-
sVerlag Albrecht Dürer-Haus, Berlin.)
Nachdem strenge Gesetze dem Gegenstande die Form
gegeben und das Geücht sür die Schönheit und Ge-
sehmätzigkeik des Materials dieses bestimmt hat, hak
die Phaniasie sreie Bahn in der Mahl der Farben.
Daß auch hier das Unzweckmäßige verworfen wird,
ist nach allem Gesagken selbstverständlich. Aber mner-
holb des Zweckentsprechenden ist die Mahl ünendlich
groß. Nur den Mut zur Farbe muß man haben.
Die Natur sei unsere Lehrmeisterin. Gewiß ist da viel
zu studieren, ehe man verstehk, aus ihr zu schöpfen.
Mit wachem Auge muh man sich in ihr Leben ver-
tiefen, sich die Frage vorleaen, roorm ihre Farben-
schönheit besteht. Der Blick in einen Wald sowohl wie
in einen Blumenkelch kann eine Fülle von Anregun-
gen für Farbenideen geben. Die Frauen folgen blind,
ohne es zu merken, der Farbenmode je der Iahreszeit
und holen Ihre Zusammenstellungen ohne Nachdenken
aus den Läden. So wagen sie keine elgenen Zusammen-
stellungen und haben Angst vor der Selbständigkeik
ihres Geschmacks und vor der Kraft der Farben. Sie
übersehen, daß gerade das ursprüngliche, nakürlicheGe-
sühl nach Leuchikraft und froher Wirkung sucht. Ilnd
daß das dem alken Kulturmenschen so ganz abhanden
gekommen ist. Alle alte Bolkskunst, der naive Aus-
druck menschlichen Kunstempfindens, ist farbenfreu-
-ig und noch heute voll der leuchtendsten Schönheit,
wo sie sich in ihrer Ursprünglichkeik erhalten hat;
die Bolkstrachten geben die schönsten Belspiele von
einer Farbenpracht, die mit wenigen Gründfarben
arbeitet. Für den Lernenden ist es unbedingk nökig,
auf die einfachen und doch so groß wirkenden Zu-
sammenstellungen weniger Farben zurückzugreifen.
Erst muß Krast, schlagende Mirkung durch starke
Gegensätze erstrebt werden, ehe feine Tönungan mit
weichen Abstufungen folgen können. Man muß den
ganzen Kulturgang der Farbe selbst von Anbeginn
durckmachen. Begänne man in zu weichen, gebroche-
nen, verfeinerten Farben, so hiehe das mtk dem Ende
anfangen; man würde bald in Weichlichkeit versan-
den. Nur wenn man mit der kraftvollen Einfachhetl
beginnt, ist der fruchkbare Boden zur Weiterentwick-
lung geschaffen.- Sollte man flch dann noch in Süß-
lichkeit und Flauhett verlieren, wird man leicht eine
Selbstprüfung durch Bergleich mit dem Anfang üben
können. Faroengesehe lassen sich unmöglich aufstellen,
aber das Empfinden ist durch Aebung und fleißige
Berfuche zu steigern. Durch Zusammenstellen von
Stoffproben, von Stickgarnen und Seiden lassen stch
Hunderke von Möglichkeiken probieren. Man gebe
sich Nechenschaft, warum zwei Farben guk tn einer
Tönung zusammenstimmen und schlecht in einer an-
deren; oder wärum zwei Farben gut wirken, die
auf einem roeißen Grund stehen, und ganz schlecht
auf einem grauen. Man wandle üurch dle Welk und
sehe und prüfe dauernd Farben, ihre Wechselwir-
kung, ihre Beränderung !m Llcht, im Schatten, im
Sonnenschein.
Makerialfreude heißt auch immer Farbenfreude,
alles Material hat Farbe, und die Farbe haben wir
nur durch das Material. Und ste wirkt anders, je
nachdem das Material beschaffen Ist. Seln Glanz, .
seine Oberfläche, seine Struktur, seine Schmiegsam-
keit, alles trägk dazu bei, die Farbe stumpf oder
leuchkend, ruhig oder flimmevnd erscheinen zü lassen.
Darum sind Farbengegensätze, Materialverbindungen
— Farbenverbindungen — Materialgegensätze die
oornehmsten Wirkungen in der Gestaltung der Dinge.
Wie zwei Skofse zueinander verleilt flnd, wie zwei
Farbenflecke in der Abwechslung zweier Stickgarne
entstehen, wie die ganze Farbengebung einer Arbeit
angelegt ist, das ist oft eindrucksvoller in der Wir-
kung als mühevolle Berzierunaen.
Und doch ist das der wunde Punkt unserer ganzen
häuslichen Nadelarbeit. Sie versieht den fertigen
oder halbfertigen Gegenstand nachträglich mlt jckmük-
kender Arbeit, Schmuckformen, die von anderer Hand
stammend, in keinerlei Beziehung zum Ganzen itehen.
Wie manche Stickere! entstebt aus dem Grunoe; es
muh ekwas eigene Arbeit dabei sein. Berstände dle
Arbeiterin, den ganzen Gegenstand neu und eigen zu
geflalken, so wäre es überflüssta. eine Slickerei dar-
auf zu kun, die nicht mit Lem Anfang entstanden Ist.
Internationale Vereinigung für Kunstunterricht
Den vielen deutschen Teilnehmern an dem Inler-
nationalen Kongreß in Prag ist der Begriff „lln-
ternationale Vereinigung für Kunstunterricht" geläu-
fig; aber auch die Kolleginnen und Kollegen, die
nicht persönlich in Prag waren, verbinden mik die-
sem Begrisf eine klare Borstellung, nicht zuleht auf
Grund der zahlreichen Mltteilungen über Prag in
unserm Blatt während der Sommermonote des letzten
llahres.
Die nachstehenden Zeilen wollen für die llnter-
nationale Bereinigung MitLlieder werben. Dieser
weltumspannende große Bund will die Kunsterzieher
logen stimmen ein. Allerorten wird die Deukung und
Erforschung des Wesens der Dinge «ls die neue
Aufgabe der Wissenschaft erkannt. „Planmäßiges
Wesensforschen an Stelle subjektiven Wertratens"
sStrzygowski)...
Die Künstler haben ohne eine Ahnung all jener
parallelen Verlagerungen unserer Kultur und gewitz
ohne Bewußtsein der weltgeschichtlichen Tragweite
sich im lehken Iahrzehnk nicht mehr dazu verstehen
können, exakt perspekkivisch im alten Sinne zu schaf-
fen... Enkweder vermögen die auf allen Kulkur-
gebieten heut führenden Köpfe durchzudringen und
können Schöpferkum und Erfindung als Lebens-
kräfke durchsetzen, oder es verbleibt bei der ewigen
Wiederholung, welche das 19. stahrhundert seinen
Maschinen und den mechanisterten Menschen lehrke.
Gestalten und Schmücken
Textprobe aus dem Merk „Die neue Nadelarbeit" von Margot Grupe^-
sVerlag Albrecht Dürer-Haus, Berlin.)
Nachdem strenge Gesetze dem Gegenstande die Form
gegeben und das Geücht sür die Schönheit und Ge-
sehmätzigkeik des Materials dieses bestimmt hat, hak
die Phaniasie sreie Bahn in der Mahl der Farben.
Daß auch hier das Unzweckmäßige verworfen wird,
ist nach allem Gesagken selbstverständlich. Aber mner-
holb des Zweckentsprechenden ist die Mahl ünendlich
groß. Nur den Mut zur Farbe muß man haben.
Die Natur sei unsere Lehrmeisterin. Gewiß ist da viel
zu studieren, ehe man verstehk, aus ihr zu schöpfen.
Mit wachem Auge muh man sich in ihr Leben ver-
tiefen, sich die Frage vorleaen, roorm ihre Farben-
schönheit besteht. Der Blick in einen Wald sowohl wie
in einen Blumenkelch kann eine Fülle von Anregun-
gen für Farbenideen geben. Die Frauen folgen blind,
ohne es zu merken, der Farbenmode je der Iahreszeit
und holen Ihre Zusammenstellungen ohne Nachdenken
aus den Läden. So wagen sie keine elgenen Zusammen-
stellungen und haben Angst vor der Selbständigkeik
ihres Geschmacks und vor der Kraft der Farben. Sie
übersehen, daß gerade das ursprüngliche, nakürlicheGe-
sühl nach Leuchikraft und froher Wirkung sucht. Ilnd
daß das dem alken Kulturmenschen so ganz abhanden
gekommen ist. Alle alte Bolkskunst, der naive Aus-
druck menschlichen Kunstempfindens, ist farbenfreu-
-ig und noch heute voll der leuchtendsten Schönheit,
wo sie sich in ihrer Ursprünglichkeik erhalten hat;
die Bolkstrachten geben die schönsten Belspiele von
einer Farbenpracht, die mit wenigen Gründfarben
arbeitet. Für den Lernenden ist es unbedingk nökig,
auf die einfachen und doch so groß wirkenden Zu-
sammenstellungen weniger Farben zurückzugreifen.
Erst muß Krast, schlagende Mirkung durch starke
Gegensätze erstrebt werden, ehe feine Tönungan mit
weichen Abstufungen folgen können. Man muß den
ganzen Kulturgang der Farbe selbst von Anbeginn
durckmachen. Begänne man in zu weichen, gebroche-
nen, verfeinerten Farben, so hiehe das mtk dem Ende
anfangen; man würde bald in Weichlichkeit versan-
den. Nur wenn man mit der kraftvollen Einfachhetl
beginnt, ist der fruchkbare Boden zur Weiterentwick-
lung geschaffen.- Sollte man flch dann noch in Süß-
lichkeit und Flauhett verlieren, wird man leicht eine
Selbstprüfung durch Bergleich mit dem Anfang üben
können. Faroengesehe lassen sich unmöglich aufstellen,
aber das Empfinden ist durch Aebung und fleißige
Berfuche zu steigern. Durch Zusammenstellen von
Stoffproben, von Stickgarnen und Seiden lassen stch
Hunderke von Möglichkeiken probieren. Man gebe
sich Nechenschaft, warum zwei Farben guk tn einer
Tönung zusammenstimmen und schlecht in einer an-
deren; oder wärum zwei Farben gut wirken, die
auf einem roeißen Grund stehen, und ganz schlecht
auf einem grauen. Man wandle üurch dle Welk und
sehe und prüfe dauernd Farben, ihre Wechselwir-
kung, ihre Beränderung !m Llcht, im Schatten, im
Sonnenschein.
Makerialfreude heißt auch immer Farbenfreude,
alles Material hat Farbe, und die Farbe haben wir
nur durch das Material. Und ste wirkt anders, je
nachdem das Material beschaffen Ist. Seln Glanz, .
seine Oberfläche, seine Struktur, seine Schmiegsam-
keit, alles trägk dazu bei, die Farbe stumpf oder
leuchkend, ruhig oder flimmevnd erscheinen zü lassen.
Darum sind Farbengegensätze, Materialverbindungen
— Farbenverbindungen — Materialgegensätze die
oornehmsten Wirkungen in der Gestaltung der Dinge.
Wie zwei Skofse zueinander verleilt flnd, wie zwei
Farbenflecke in der Abwechslung zweier Stickgarne
entstehen, wie die ganze Farbengebung einer Arbeit
angelegt ist, das ist oft eindrucksvoller in der Wir-
kung als mühevolle Berzierunaen.
Und doch ist das der wunde Punkt unserer ganzen
häuslichen Nadelarbeit. Sie versieht den fertigen
oder halbfertigen Gegenstand nachträglich mlt jckmük-
kender Arbeit, Schmuckformen, die von anderer Hand
stammend, in keinerlei Beziehung zum Ganzen itehen.
Wie manche Stickere! entstebt aus dem Grunoe; es
muh ekwas eigene Arbeit dabei sein. Berstände dle
Arbeiterin, den ganzen Gegenstand neu und eigen zu
geflalken, so wäre es überflüssta. eine Slickerei dar-
auf zu kun, die nicht mit Lem Anfang entstanden Ist.
Internationale Vereinigung für Kunstunterricht
Den vielen deutschen Teilnehmern an dem Inler-
nationalen Kongreß in Prag ist der Begriff „lln-
ternationale Vereinigung für Kunstunterricht" geläu-
fig; aber auch die Kolleginnen und Kollegen, die
nicht persönlich in Prag waren, verbinden mik die-
sem Begrisf eine klare Borstellung, nicht zuleht auf
Grund der zahlreichen Mltteilungen über Prag in
unserm Blatt während der Sommermonote des letzten
llahres.
Die nachstehenden Zeilen wollen für die llnter-
nationale Bereinigung MitLlieder werben. Dieser
weltumspannende große Bund will die Kunsterzieher