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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 11 (November 1929)
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Volkmann, Fritz: Gestaltung und Organisation: Erfahrungen an einem humanistischen Gymnasium
DOI article:
Klauss, Otto: Was bedeutet uns Lessings Laokoon heute noch?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0305

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293

de» verschlede»en Gestaltungen desselbe» Themas.
Ma» sieht de» bewegliche» Gelst, der nicht »ur in
ailen Vorstellniige» deS Gedächkinsses iind der Phan-
tasie heriimklekterte, sonder» auch das Drum und
Dra» des Gegeiiständllche», das Gefiihlsnräßige i»
inniger Verguickuiig damik lebendig machte. Die Ab-
bilduiige» zeige» 16 Arbeiken, die Ausstellung zelgke
200, dazu »och ekwa 100 reiszbrettgroße Photo-
inonknge».

Cnkstande» sind die Arbeite» i» der Zeit vo»
Michaeli bis Dezeinber. Die Gesainkaufgabe ver-
langke, aus Alkinakerial bildhaft räumliche Gestal-
tuiig zu schaffe». Als Werlrzeug wurden nur Ham-
mer »iid Zange beniihki fask alles isk reine Hand-
und Fingerarbeit. Mit Absicht verarbeikeken wir
nur Altmaterial, u. a. Skreichholz-, Zigarren-, Ziga-
retken- und Medizinschachteln. Wir versuchken, die

Oberflächenreize und Striiliturmöglichkeiken in ande-
rem Zusammenbau klar zur Wirkung zu bringen.
Auszerdem haften diesem Altmaterial Erlebnis-
spuren und aus ihrer Gebrauchsform bestimmte Merte
an, die einerseits zur Gestaltung inspirieren, ande-
rerseits aber auch in der neuen Form zu neuem
Leben erwachen.

Wir hakten einen weiteren Anlasz, Alkmakerial zu
verarbelken. Wir lchalteten Aemmnisse technischer
Art aus, die sich oei der Verwendung von Neu-
makerial unbedingk zwischen Wollen und Gestalkung
drängen. ,

Das Makerial ist unker den Abbildungen ange-
geben, um im Einzelnen einen Einblick in die Arbeik
zu gewähren. Vielleicht ist es späker einmal möglich,
auch Biihnenbilder, Zeichnungen und Photomontagen
zu zeiaen.

Was bedeutet uns Lessings Laokoon heute noch?

Von Otko K l a u sz - Heidenheim.
lFoitselzung.s

Aber selbst die richtig verstandene Antike ist nicht
der alleingtiltige Werkmesser flir alle bildschöpserische
Knnst. Das entwickelke Körpergefiihl der Griechen
läszk sie ein körperliches Schönheitsideal schaffen, das
ihrer Aasse und aller arischen Art angenehm ist.
Werden wir aber die romanische und gotische Kunst,
die frühitalienische und spätbarocke darum als kllnst-
lerisch weniger gut bezeichnen dtirfen, weil die Men-
schen, die sie darskellen, dlesem Neal nicht voll enk-
sprechen? Sollten wir die Kunst der ostischen Bölker,
der Oapaner, Chinesen, Inder deshalb weniger wer-
ten, weil die abgebildeten Menschen schlihäugig oder
gelbhänkig sind? Zat denn diese bioiogisch bedingke
GeschinackSangelegenheik des einzelnen, deS Ge-
schlechtS, der sozialen Schiä)t, diese Modeangelegen-
heit der Zelken und Rassen etwas mit dem Wesen
der Kunst zu tun?

Wie ging es mit Manets Olympia oder mit
Gnugins Frauen aus Tahiti? Sie entfesselten
sittliche nnd ästhekische Enkrüstungsstürme. ohren
Kunstwerk bezweiselk heute niemand mehr. Schon
Herder erhebt seine warnende Stlmme: „Nichts ist
gefährlicher, als eine Delikakesse .unseres Geschmackes
in elnen allgemelnen Grundsah zu bringen, und in
ein Geseh zu schlageni"

Lessing kennk oder anerkennt diese Kunstleistungen
nicht uyd miszt einseltig nur mit dem Maße der
Griechen, das Beste verjeugnend, was ihm selbst ger-
manische Knnst zu bieten hakke. Wir überschreiten in
der Weikerftthrung unseres Gedankenganges damit
bereitS die Erfahrungsvoraussehungen des Laokoon
und sprengen den antik gehaltenen Rahmen seines
Hanpkgesetzes. ^

- Lessing zieht die Weltkunst in gar-keine Bekrach-
knng nnü beschränkl sich ganz auf die europäische.
Aber innerhnlb dieser Kunst verwlrft er alles Häsz-
liche leidenschaftlich als der Bildkunsi unwürdig, und
forderk er das Ddeal des Körpers und der Form.
Sein Begriff der Kunst deckt sich darum mit dem der

klassischen Kunsi, die von der Form her das Leben
sucht. Rembrandks Kunst, die vom Leben her die.
Form gewinnt — wir lehnen uns dabei an G. Sim-
mel an — und die nichts verleugnek, was dieses
Leben an Schönheit und Häjziichkeit birgt, mußte
ihm unbegreiflich erscheinen, und nur darum zu er-
kragen, weil diese Dunkelmalerei selbst einen mit-
leidigen Schatken über soviel Häjzlichkeit wirft. Les-
sing stuft die Bedeutung der künstlerischen Sonder-
siosfgebieke ab, nach deren Befähigung ein lldeal zu
gestalten und weisi dem Porträtmaler, dem Land-
schaftsmaler, dem Tiermaler die niedeisten Plähe an.
Obschon auch daS Porlräl ein 6üeal zulnsse, müsse
doch hier die Aehnlichkeit vorherrschen. Das Por-
trät könne nur das Zdeal eines gewissen Menschen,
nichk aber das lldeal eines Menschen überhaupt dar-
siellen und sei darum nichk der wllrdigste Gegensiand
der Malerei. Er leugnet mik diessr Einschrännung
theorekisch selbst das ideasisierke Selbstbildnis Dürers,
die Mona Lisa Lionardos und die Rnglingsköpfe des
Giorgone. Uns erscheink dieser Nangstreit um den
höchsten Platz müjzig, wo es um das Wesen der
Kunst geht.

Wie makt ist die Frage, ob ein Porträt HLHer zu
stellen sei als ein figllrliches Bild, wo die künstlerische
Tat selbsk spricht, wo die Krafk des erlebnisgestalken-
den Kllnstlertums unbeirrt von aller Theorie das
künstlerische Werk aus sich herausstellt! Wie aus-
sichtslos Lessings Berpönung des Häszlichen in der
Kunst beim Anblick des so häjzlichen und doch so er-
greifenden Kohlebildnisses Dürers von seiner Mutter!
Wir wissen nicht, ob Lessing dieses Werk kannke
und können kaum schlieszen, ob es ihm auch mißfal-
len häkte: aber wir fühlen, dasz eS ein Kunstwerk ist,
troh aller Häszlichkeit, so stark und innerlich, alS es
nur tiefste Kunst sein kann. Und dann: Welche an-
dere Kunst, wetches Geistesgebiet hätke mit so spär-
lichen Mikteln so viel Menschliches und Schicksal-
hafkes so künstlerisch und allgemeingültig zu sagen
vermochk? Nein! Die Grenzen der Bildkunst liegen
 
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