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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 7 (Juli 1929)
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Wiedermann, Fritz: Die Dorfkirche
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Umschau / Sprechsaal / Buchbesprechungen / Geschäftliches
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0196

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188

AWe >des Dorfeä stellt und >die Straßen strahlen-
förnlig vom Mitkelpunlrte ausgehen läs,t.

Wo Ilrkunden fehlen, oder die Kirchenbücher erst
später begiimen, da wird der Baustoff einigen Auf-
schlusz über Alter und Cntwicklung geben liönnen.
Findlingssleine sind meist bie Aeugen der romanischen
8eit, auch geschichteter Aruchstein deutet auf eine
friihe Bauzeit hin. Die erste Berwendung von Back-
steinen ist in den einzelnen Landschafken rechk ver-
schiedea. c!n jedem Falle aber zeigen das große For-
mat und der gotische Berband eine Bauzetk vor dem
Iahre IbOU an. Gerade Ghorschlüsse sind für daS
14. Zahrhunüert bej;eichnend, während bcfonders be-
lonke Giebelseiten fast iinmer dem 15. Zahrhunderk
angehören. Ebenso bestimmend ist daS Borhanden-
sein einer Krypla für eine romanlsche Anlage, di-e
bestimmt nicht -älter isk, äls die Zeit des Ileberganges
sbis 1300). Diese Alerlimale sind nalürlich nur dann
zu beachken, wenn jegliche Stilformen s-ehlen. Por-
lalleibungen und Maszwerlre, Gesimse und K-apitelle
sind in jeüem Falle viel sicherere Kennzeichen.

Aecht reizvoll ist auch die Festst-ellung der bau-
geschichtlichen Lnkwicklung. Dazu ist nalttrlich die
Ke-nnknis d-er Ilrlmnden und Aliten ersorderlich; anch
einige Aebung >im archivalischen Arbeiken musz voc-
ausgesehk werden. Trotzdem läszk sich nakürlich man-
ches auch aus der Architelikur entwickeln. Änbau-
ten und Ilmcinderu-ngen sind sast immer deutlich er-
lienntlich: m-cist stehen die Stilformen elnander schrvsf
gegenüber. Bei einiger Erfahrung lassen sich dic
srttheren Formen der Gcstaltun-g feststellen. Dann
liann man damit begin-nen, das Bilü dec Dorfliirche
zu reliünstruieren: den einstigen Holzbau, die Fach-
werlrwände, das Schllfdach. Manchmal sind alte
Aufzeichiiuiigen davon erhalten, alke Bilder oder
Skiche. Oft ist daS Bild der alt-en Kicche in einem
Gemälde alS Hint-ergrund angegebeii. Alanches ist
auS de-n Gr-absleinen, den eingebauten Emporen oder
den Bezeichiiungen- eisichklich.

Ilnd dann die Ziinenrüume! W-elch köstliche N-aum-
wirkung ist oft in den einfachsten Dorfkirchen fest-
zuskell-en. Äas Berhältnls zwischen Breits -und Höhe,
die Gliederuiig des AaumeS, di-e Sl-ellung der Pfei-
ler und der Kanzel, auch die B-erbindung der Orgel-
cmpore, -das alies sind köstliche Ailder- die zu be-
achlen sind. Ar-anche Kiicben sind relch an plastischem
Schmiik, auch an Gemälden ist kein Mangel. Mchk
immer si-nd es werlvolle Bilder, aber fast iininer sind
sie >in ihrer Eigenart mit dem Leben und Denken
der -dörflichen Beter verwandk. Mer Dorfklrchen
nichk kennt, weisz nichk welche Fülle kösl-licher Sdeen

Amschau

Slimmen aus Ki'i'nsllerkreisen.

Seitdem wir es ernst nehmen, den Zeichenuiiter-
richt zu einem Ilnkerricht im Gestalten umzuwandeln,
wandelt sich auch die Meinung derer, die ein inneres
BerhältniS zur Kunst haben, über unsere Arbeit.
Bornehmlich sind es junge: initAhrer Aufgabe ernst
ringende Künstler, die in unseren Beskrebungen
Berwandkes mlt ihren eigeneii Lrkennknissen und
Beslrebuiigeii sinden. Das beweisen zunächst eininal
die Bemühungeii neuzeitlich eingestellker Künst-
lervereiiiiguiigen um die Ausstellung von Schüler-

bej ihrer AuSstattung wirksam >wurden. Da sind
K-anzeln mit -den merkwürüigsten Moliven gebildet
worden. Eine ruht auf einer sich öffiienden Tulpe,
die -ander-e stellt gar einen Wialfischrachen dar. Hier
tragen die vier Lvangelisten das Pult, dort sind es
die überwundenen Türken, die zum Trägerdienst be-
stimint wurden. Auch die Schalldeckel sind ein reicheS
Betätigungsfeld sllr dramatische und manchinal gar
iri-cht sehr geistliche Borgänge. Daiin sind noch ge-
schnitzte Treppen bemalte G-estühle, die reiche Welt
der Heraldik zu beachken: alles Gebiele, die noch der
Lrschlieszung harren.

Für den Zeiche-nlehrer biistet sich also ein reicheS
Fetd der Betätigung. Wer Gelegenheit dazu hat, etwa
in Berbindung mit dem Aufenthalt lm Landheim,
der soll-te nichk verf-ehlen, die erceichbaren Dorfkir-
chen einer liebevollen Belrachtung zu unlerziehen.
Der Heimatkunde fehlen ganz besonders die Dar-
stell-imgen der künstlerischen und landschastlichen
Eigenheiten der dörflichen Gotleshäuser. Veit dem
Kriege ist -dieses Gebiet sehr stark vernachlässigt
worden. Während früher die Architekturstudieren-
den öft-er mit Aufgaben dieser Art betraut wurden,
sind die Lehrpläne der Technischen Hochschulen und
Akad-emien jetzt gä-nzlich auf die niobernen Grotz-
st-adtaufgaben ei-ngestellt worden, so datz d!e Fürsorge
für d-as Land wegfällt. Die einzige Hosfnung stir den
Helmatforscher bleiben jetzt die Zeichenlehrer, denen
noch Gelegenheit geboten wird, wenn auch u-nter
Opfern von Geld und Zeit, ihce Studien auf diesem
Gebieke zu betreibe».

Es ist kein Zufall, datz mit -dem Berflachen der
religiösen Mee auch das Berstä-ndnis stir die kirch-
liche Kunst schwindet. Solange wir aber Dörfer
-häben, solange brauche-n wir eine börfliche Kirchen-
-architektur. Dagege-n helfen auch -üie Slahlkirchen
nicht, die jetzt austauchen. Das Bild unserer Heima!
läszt sich nicht gewallsam ändern. Es wäre auch
schade, wenn d-as Bersländnis sür die Schönheit -der
Dörf-er verloren ginge. Wenn es uns gelingen- soll,
eine Brücke zur Berga-ngenheit zu schlagen, so kann
-die Kunst -ein wesentlicher Helfer sein. Äisher ist
unsere Äolkskunst eine etwas -ei-nseitige Beschäfti-
gung gebli-eben. Äielleicht könnte es der Architektur
gelingen, neue Wege zu weisen. Die Dorfkirche
(aber aucb die Pf-arrkirche in ein-er kleinen Stadt,
fllr die diese Aeilen ebenso gelken), vielleicht auch
das Bauerichaus oder die Äurg, das sind Bauglieder,
zu deiwn die Bevölkerung noch in einer bestimmten
Beziehung steht. Hier begcgnen sich Liebe zur Heimat,
Bolkstum, Glaube -und Tradilion: vielleicht kann
die Docfkirche zur Vrücke der BersLändigung werden.

arbeiten in ihren Ausstellungsräumen. Ansere Ar-
beitSgemeinschafk erhielt allein letztes 3ahr fünf der-
artige Einladungen, konnte allerdings keine Folge
leisten. And Aehnliches werden auch andere Amks-
genossen erfahren, die !m Sinne des bildhaften Ge-
staltens unkerrichten.

Es kommen mir auch immer wieder Aeutzerungen
junger Künstler zu, die von warmem Berständis für
unsere Sache zeugen. Mir wissen, das war ehedem
anders. Die Künstler schühken den Zeichenunterricht
gar nicht. Sie fühlten instinkkiv das Lrskarrte, Lebens-
und Kunstfeindliche in ihm. Solche zustimmende Aeutze-
rungen oürfen uns freue», sie bilden ein Gegengewicht
zu anderen Arkeilen, etwa zu solchen von Schulmä»-
 
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