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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 2 (Februar 1929)
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Siegeneger, Luise: Tierfiguren aus Stoff: Klassenarbeit an der 5. Klasse (O III) einer Mädchenoberrealschule
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Umschau / Buchbesprechungen / Schreibe in Angelegenheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0052

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etwas zum Ausstopsen Kapok, Scharpie oder Säg-
mehl. Es fand sich auch überall zu Haus etwas
Brauchbares und Mit einigem guten Rat fahten alle
einen Plan. Nun kam zuerst das Schneiden der Pa-
piermuster, ein schwieriger Teil der Aufgabe. Sehr
stark uereinfachen, alle Kleinigkeiten weglassen, doch
Charakteristisches betonen, das war klar. Nur, mit
den vier Fuhen? Ein Fisch ist leichk zu machen aus
zwei Teilen, auch ein Krokodil, das seine Fühe
seitlich hinausstrecken kann. Man näht einfach zwei
gleiche Teile rechts auf rechts zusammen bis auf
eine Lücke zum Umdrehen und Ausstopfen. Aber die
vierfühigen Tiere! Das ist eine schwierige räumliche
Vorstellungsaufgabe, sich das Bauchteil mit den
Innenseiken der Beine zu der doppelt geschnittenen
Silhouette passend auszudenken. Eine sechste oder
siebte Klasse würde die Aufgabe leichter bervältigen.
In einer Fünften muh man bei einigen weniger
Geschickten mit ein paar Strichen erklären und nach-
helfen. 3n üer ersten Doppelstunüe wird zugeschnit-
ten und geheftet, damit die Nähte zu Haus auf der
Maschine gemacht werden können. Beim zweiten-
mal wird ausgestopft und zugenäht und nun kommen
Ohren, Mähnen und Schwänze teils aus Skoff, teils
aus Wolle dran, Augen aus Glasperlen und einige
Tiere stehen schon fertig da und entfachen einen
großen Eifer in der Klasse. Es war eine vergnügte
Arbeit, und es war sehr erwünscht, daß sie gerade
auf Weihnachten fertig würde, denn nachher standen
die Tiere unter dem Weihnachtsbaum für die kleinen
Geschwister.

Es ist schade, man kann mit einer Abbildung nur
einen unvollkommenen Eindruck von unferer Mena-
gerie geben. Eigentlich sollte man das Krokodil in
die Hand nehmen können und sollte auch' sehen wie
rok sein Rachen und seine dicke Waschsamkzunge
sind, wie grasgrün es von unten ist und daß sein
ichwarzer Rücken ein grün und violektes Muster
hat. Der gelbe Löwe steht mit Haarnadelknochen in
den Beinen da und trägt stolz seine grüne Woll-

mähne. Man sieht ihm nicht mehr an, daß er erst so
schmählich alle Viere von sich strecken und sich auf
den Boden legen wollke. Auch der große Elefant^
hätke eigentlich ein Skelett gebraucht, Er ist auS
grauem Trikot und wurde beim Ausstopfen immer
größer. Aus einem schwarz und weiß gestreifien
Kattun mußte natürlich ein Zebra werden. Ein wei-.
ßer, dicker Froktierstoff gab ein sehr unschuldiges
Schaf und ein strabliger schwarzroter Plüsch ein.en
gefährlichen, kleinen Höllenhund. Aus. einem wei-
chen, braunkarierten Mankelstoff wurde ein köstli-
ches Kamel. Durch solche Betonung des Materlals
war es gar nichk möglich, in einen verderblichen
Nakuralismus zu verfallen.

Da stehen sie alle miteinander, die 'guten Tierch
die wohlgelungenen und die weniger geglückten und
wenn ein paar von den Schülerinnen später daran
denken, daß sie ihren Kindern selber gukes Spielzeug
machen können, so war diese Klassenarbeit nicht um-
sonst.

Ob es berechtigk sei, solch eine >,Spielerei" in den
Zeichen- und Kunstunterrichk zu bringen? O, ich muß
mir diese Bezeichnung verbitten! Es war keine kleine
Arbeit für die Mädchen, alle Schwierigkeiten dieser
Aufgabe zu bewältigen. Sie haben eine, Menge
Vorskellungen dabei erarbeiten müssen. Wir haben
eine Menge wichtiger Gedanken über Herstellung
guter Spielsachen, über zweckmäßige Werksloffver-
wendung und falschen Naturalismus dabei berührt.
Wir haben auch gesehen, daß üie guten Arbeiten
eine Art von Vollkommenheit erreichen konnten und
das hat unser Bedürfnis danach geübt und befriedigt.
Wir nehmen bei einer andern Aufgäbe auch Blei-
stifk und Pinsel mik einem neuen Gefühl für Werk-
skoff in die Hand. Wir haben eine im Rahmen un-
seres Lehrziels berechkigte Klassenarbeit gemacht.

* Der Elefant, das Kamel u.a. wurd^i anf unsercm Bild weg-
gelalsen. D. Schriftl.

Amschau

Mathias Wirtz aus Duisburg. Spezialist für den
Zeichenunterrichk, nennt er sich und verkauft „einzig-
ortige gesehlich geschühte Modelle" von Tieren,
„großzügige künstlerische Typenformen", „hochquali-
tative dauerhafte Handwerkskunst": Löwe, Dackel,
Pferü, Bär, Wolf. Hase, Fuchs, Kamel (sogar mit
abnehmbarem Treiber), Ziege, Elefant smit abnehm-
baren iinder), die Serie von zehn Stück zum er-
mäßjgken Neklamepreis von zusammen 49.50 RM.
Er behauptet, diese Modelle seien an vielen 1000
Schulen in Gebrauch. das möglich?) Zur Beruhi-
gung: Amksgenosse scheink der „Spezialist für Zeichen-
unkerricht" nicht zu sein.

Berechtigungsfimmel. Ilnter dieser Aufschrift bringt
„Kunst und Wirtschaft" (1928, Heft 8), das offizielle
Organ des Reichsverbandes bildender Künstler eine
Auslassung, die sich auf eine Aeußerung des preußi-
schen Kultminiskers über den Zudrang zu den höheren
Schulen bezieht und sich mit der Vorbildung der
Zeichenlehrer befaßt. Es heißt dort:

„Mit Recht haben die Zeichenlehrer eine Gleich-
stellung mik den anderen Lehrern verlangt, sie ist
ihnen auch gewährk worden. sie wurden sogar, unker

allerhand besonderen Prüfungen, Stqdienräte. Abet
das dicke Ende kam nach. Dem Reichsverband bilden-
der Künftler flnd Mitteilungen zugegangen, daß jehk
von den Zeichenlchrern, äbgesehen von der Prüfung
als Zeichenlehrer, das Abiturium verlangl werden
soll, oder gar mehrere (6 Semester) Ilniversikäks-
skudium.

Nun, gegenüber künstlerischen Leistungen, die wirk-
lich auf „Können" beruhen, wird vorausflchklich das
Kultusministerium eine Stellqng einnehmen, die zu
der vom Minister gewünschten Enkwicklung die Wege
bahnt. Die künsklerische Leistung muß absoluk gleich-
wertig der wissenschaftlichen angesehen werden. Wer
gute Musik macht, wer gut zeichnen und malen kann,
sollte seine Lehrberechtigung nicht erst durch das Be-
stehen von Gymnasial- qnd Universitätsprüfungen er-
weisen müssen. Wieweit künstlerisches Können beim
Ilnterricht verwertek werden kann, ist eine individu-
elle Frage; nicht jeder große Könner ist ein guter
Lehrer und Kunstschuldirektor, aber dies Können ist
für das Lehramt die wichtigste Dorbedingung. Auf
keinen Fall kann die Eignung auf diesen Gebieten
nach absolviertem Gymnasialunterricht oder Univerfl-
tätsskuöium beurteilk werden, das in vielen Fällen
doch nur von dauerhafkem Sihfleisch und einem ge-
 
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