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Wir wollen der gröszeren Stndt ihr Daseinsrecht
nicht schmälern. Doch wir möchken Städte relchen
Erblühens der höchsten Kräfte der Volkheit und
Arennpunkte fruchtbaren Vollbringens, nicht Krebs-
wucherungen blinder Triebhaftigkeit. Der Volk-
heit dienende, sich bemeilkernde Städke. Wir wollen,
dah das Gesetz des Levens wiederhergestellt wird.
Lnnü und Leben miissen tiber dein bleiben, was ihnen
Mklich entspriejzt.
Aus der Dasein erhaltenden Stellnng des LandeS
erstehk das Geselz, dnsz jede Wirtschaftsstufe gehal-
ten ist, die nakurnächste Lebensforin zu tuchen. Eine
neue Lebensform, die die Urstände des Levens mit der
technischen Gegebenheit vereink, musz sich erbilden.
2ch will dies nicht erläutern. Wir sollten vielleicht
allesamt wieder lernen, nicht alles zu sagen und in
Vticher zu stapeln. Das Selbstgefundene ist am wert-
vollsten. An der nicht voll erhellten Aufgabe enl-
binden sich Scharfsinn und Vewältigungsdrang noch
viel mehr. Ilnd daS ist ja eben, was wir wollen, dasz
wir vollebendig werden, fähig zu eigenem Finden und
Vollbringen, Üeberwinder der Mechanei.
Lheorie und Praxis
Zu dem Aufsah von Prof. Kolb in Heft 11.
Von E. Behler-Frankfurt a.M.
„hch bin mit ihm (Behler) einig, wenn er meint,
mechanisches, korrekkes Abzeichnen flihre in einem
Anterricht, der daS Geskalke n anstrebt, nicht zum
Ziele. Ganz besonderS unterltreiche ich seine Änsicht,
dem Vilden mtisse das Schauen der Natur vor-
angehen, „um zu der in sich geschloslenen Einheik zu
kommen". Damik ist ein Kernprobiem unserer Ar-
beit angeschnitten. Nur ist mir aus seinen Dar-
legungen nicht recht klar geworden, was er unker
„Schauen" versteht und wie es in seinem Ilnkerricht
vor sich gehk." — „Schauen ist ihm (B.) nichts ande-
reS als dns, was ich als seinen Gegensah, und zwar
als seinen feindlichen Gegensah erkenne, nämlich be-
wuszkes Sehen, Veobachten, Anschauung (im Sinne
Kanks). Daran ändect sich auch nichts, dasz er die
„Fähigkeit ües inneren SchauenS" gleichstellt der
Fähigkeit zur eigenen, lebendigen, blutvollen An-
schauung. Wesenkllch ist, dasz dem Gestalten ein
mekhodisch geregelkes, bewulztes Aeobachten der
Nakurerscheinung vorausgeht. — „Was dabei her-
auskommt, ist meines Lrachtens im Wesen nichts
anderes als eine Ark Gedächtnisleistung, gleichviel,
wenn auch der Zeikraum zwischen dem Beobachken
und dem Zeichnen länger oder kürzer ist." — „llch
fürchke, der Weg, den uns AmkSgenosse V. auf-
gezeigl hat, . . . gibt eben auch nur nakurwissen-
schaftliche Wirklichkeiksbegriffe, die mit der „künst-
ierischen Wirklichkeit" an sich nichts zu tun haben."
2ch habe mir der gröheren Deutlichkeit halber er-
laubt, aus Prof. K's. Aufsah einige der Sähe zu
nvieüerholen, in denen er erneuk zu meinen Dar-
llegungen über die Gestaltung Stellung nimmt. Prof.
!K. pflichtet mir bei, „dasz dem Bilden das Schauen
'der Natur vorausgehen müsse", aber er traut mir
nicht in bezug nuf das, was ich unter Schauen ver-
standen wissen will — vlelleichk musz ich ihm recht
geben: denn es war damals (Hefk 8/1LW) in meinein
Aufsah auch von genauer und intensiver Naturbeob-
achtnng und Erfassen von orgänischen Naturzusammen-
> hängen die Rede. hch habe mich damals vielleicht noch
nlcht klar genug anSgesprochen. Es soll aber an meiner
lEinsichk in diesen Anterlassungsfehler nicht inangelii!
niberdies ist das zur Erörterung stehende Problem von
so ernster und weitkragender Bedeutung, dasz es schon
deshalb gerechtfertigk erscheink, wenn ich versuchen
will, meine Ileberzeugung noch genauer darzulegen.
Da es, wie ich in Heft 10 sagke, nicht nur auf
unsere theoretischen Lrkennknisse, sondern ebensosehr
aut die Art und Weise ihrer Auswirkung in der
Alltagspraxis ankommt, mögen vorab ein paar Vei-
spiele aus meinem Unterricht angeführk werden.
Eine Oberprima reist mit ihrem Klassenlehrer, der
Nakurwissenschafter ist, nach München zum Studium
des Deukschen MuseumS, und nuch für ein paar
Tage an den Walchensee. Elne Woche nach der
Ntickkehr der Klasse stelle ich ihr das Landschafts-
erlebnis „Walchensee" als zeichnerische Aufgabe. 2n
der einleitenden Besprechung versuche ich vor allem,
jenesErlebniS eineS Alpensees (daS fürdiemeisten
gänzlich neu und darum besonderS stark war) von
den sväteren Eindrlicken der Heimreise und Aück-
kehr loszulösen und von neuem aufwachsen zu lassen,
versuche die elungen zu Schilderungen anzuregen und
sie selbst die entscheidenden Züge jener Landschaft
umschreiben zu lassen, so wie sie sie in der Vor-
skellung tragen, umgrenze die werdende Arbeik
mit knappen Ändeutungen über mancherlei Mög-
lichkeiten des Vildaufbaus, weise auf die Not-
wendigkeit einer absolut klaren und eindringlichen
zeichnerischen Durcharbeikung aller Bildelemenke,
benusze im späkeren Verlauf die in den Arbeiten
auftauchenden Schwächen und Unsicherheiten zur All-
gemeinbesprechung und bemllhe mich, jeden Schüler
>ei der Erreichung der von ihnen angestrebten Lö-
ung in seinem Sinne zu unterskützen (selbstver-
tändlich nichk mit Vormachen oder gar „Verbessern"
einer Arbeitl!) So geben die Arbeiten Anlatz, von
dem „organischen Zusammenhang" der Gesamkland-
schaft zu sprechen und von seinen Erkennungszeichen,
weiter von dem aus dem Wesen der Zeichnung sich
ergebenden strikten Zwang, auf naluralistische Ef-
fekte zu verzichten und stakt des (wieder vom
Sinne der Zeichnung aus) auch ganz aussichtslosen
Vemühens um die unübersichtliche Vielfalt der
Naturerscheinung nachvereinfachenden undzusammen-
fassenden „Zeichen" zu streben, die aber ihrerseits nicht
zu leeren, schemakischen Formeln erstarren dürfen, son-
dern sich aus der Einfühlung in die Naturform er-
geben müssen. Es ist schlietzlich immer wieder die
Nede von der Anforderung der bildnerischen Lei-
stung, die kein oberflächlich-liebloses Hinweggleiken
über Einzelheiten duldet, sobald diese Einzelheiten
vom Schüler ftir unerlätzlich gehalten werden.
Wir wollen der gröszeren Stndt ihr Daseinsrecht
nicht schmälern. Doch wir möchken Städte relchen
Erblühens der höchsten Kräfte der Volkheit und
Arennpunkte fruchtbaren Vollbringens, nicht Krebs-
wucherungen blinder Triebhaftigkeit. Der Volk-
heit dienende, sich bemeilkernde Städke. Wir wollen,
dah das Gesetz des Levens wiederhergestellt wird.
Lnnü und Leben miissen tiber dein bleiben, was ihnen
Mklich entspriejzt.
Aus der Dasein erhaltenden Stellnng des LandeS
erstehk das Geselz, dnsz jede Wirtschaftsstufe gehal-
ten ist, die nakurnächste Lebensforin zu tuchen. Eine
neue Lebensform, die die Urstände des Levens mit der
technischen Gegebenheit vereink, musz sich erbilden.
2ch will dies nicht erläutern. Wir sollten vielleicht
allesamt wieder lernen, nicht alles zu sagen und in
Vticher zu stapeln. Das Selbstgefundene ist am wert-
vollsten. An der nicht voll erhellten Aufgabe enl-
binden sich Scharfsinn und Vewältigungsdrang noch
viel mehr. Ilnd daS ist ja eben, was wir wollen, dasz
wir vollebendig werden, fähig zu eigenem Finden und
Vollbringen, Üeberwinder der Mechanei.
Lheorie und Praxis
Zu dem Aufsah von Prof. Kolb in Heft 11.
Von E. Behler-Frankfurt a.M.
„hch bin mit ihm (Behler) einig, wenn er meint,
mechanisches, korrekkes Abzeichnen flihre in einem
Anterricht, der daS Geskalke n anstrebt, nicht zum
Ziele. Ganz besonderS unterltreiche ich seine Änsicht,
dem Vilden mtisse das Schauen der Natur vor-
angehen, „um zu der in sich geschloslenen Einheik zu
kommen". Damik ist ein Kernprobiem unserer Ar-
beit angeschnitten. Nur ist mir aus seinen Dar-
legungen nicht recht klar geworden, was er unker
„Schauen" versteht und wie es in seinem Ilnkerricht
vor sich gehk." — „Schauen ist ihm (B.) nichts ande-
reS als dns, was ich als seinen Gegensah, und zwar
als seinen feindlichen Gegensah erkenne, nämlich be-
wuszkes Sehen, Veobachten, Anschauung (im Sinne
Kanks). Daran ändect sich auch nichts, dasz er die
„Fähigkeit ües inneren SchauenS" gleichstellt der
Fähigkeit zur eigenen, lebendigen, blutvollen An-
schauung. Wesenkllch ist, dasz dem Gestalten ein
mekhodisch geregelkes, bewulztes Aeobachten der
Nakurerscheinung vorausgeht. — „Was dabei her-
auskommt, ist meines Lrachtens im Wesen nichts
anderes als eine Ark Gedächtnisleistung, gleichviel,
wenn auch der Zeikraum zwischen dem Beobachken
und dem Zeichnen länger oder kürzer ist." — „llch
fürchke, der Weg, den uns AmkSgenosse V. auf-
gezeigl hat, . . . gibt eben auch nur nakurwissen-
schaftliche Wirklichkeiksbegriffe, die mit der „künst-
ierischen Wirklichkeit" an sich nichts zu tun haben."
2ch habe mir der gröheren Deutlichkeit halber er-
laubt, aus Prof. K's. Aufsah einige der Sähe zu
nvieüerholen, in denen er erneuk zu meinen Dar-
llegungen über die Gestaltung Stellung nimmt. Prof.
!K. pflichtet mir bei, „dasz dem Bilden das Schauen
'der Natur vorausgehen müsse", aber er traut mir
nicht in bezug nuf das, was ich unter Schauen ver-
standen wissen will — vlelleichk musz ich ihm recht
geben: denn es war damals (Hefk 8/1LW) in meinein
Aufsah auch von genauer und intensiver Naturbeob-
achtnng und Erfassen von orgänischen Naturzusammen-
> hängen die Rede. hch habe mich damals vielleicht noch
nlcht klar genug anSgesprochen. Es soll aber an meiner
lEinsichk in diesen Anterlassungsfehler nicht inangelii!
niberdies ist das zur Erörterung stehende Problem von
so ernster und weitkragender Bedeutung, dasz es schon
deshalb gerechtfertigk erscheink, wenn ich versuchen
will, meine Ileberzeugung noch genauer darzulegen.
Da es, wie ich in Heft 10 sagke, nicht nur auf
unsere theoretischen Lrkennknisse, sondern ebensosehr
aut die Art und Weise ihrer Auswirkung in der
Alltagspraxis ankommt, mögen vorab ein paar Vei-
spiele aus meinem Unterricht angeführk werden.
Eine Oberprima reist mit ihrem Klassenlehrer, der
Nakurwissenschafter ist, nach München zum Studium
des Deukschen MuseumS, und nuch für ein paar
Tage an den Walchensee. Elne Woche nach der
Ntickkehr der Klasse stelle ich ihr das Landschafts-
erlebnis „Walchensee" als zeichnerische Aufgabe. 2n
der einleitenden Besprechung versuche ich vor allem,
jenesErlebniS eineS Alpensees (daS fürdiemeisten
gänzlich neu und darum besonderS stark war) von
den sväteren Eindrlicken der Heimreise und Aück-
kehr loszulösen und von neuem aufwachsen zu lassen,
versuche die elungen zu Schilderungen anzuregen und
sie selbst die entscheidenden Züge jener Landschaft
umschreiben zu lassen, so wie sie sie in der Vor-
skellung tragen, umgrenze die werdende Arbeik
mit knappen Ändeutungen über mancherlei Mög-
lichkeiten des Vildaufbaus, weise auf die Not-
wendigkeit einer absolut klaren und eindringlichen
zeichnerischen Durcharbeikung aller Bildelemenke,
benusze im späkeren Verlauf die in den Arbeiten
auftauchenden Schwächen und Unsicherheiten zur All-
gemeinbesprechung und bemllhe mich, jeden Schüler
>ei der Erreichung der von ihnen angestrebten Lö-
ung in seinem Sinne zu unterskützen (selbstver-
tändlich nichk mit Vormachen oder gar „Verbessern"
einer Arbeitl!) So geben die Arbeiten Anlatz, von
dem „organischen Zusammenhang" der Gesamkland-
schaft zu sprechen und von seinen Erkennungszeichen,
weiter von dem aus dem Wesen der Zeichnung sich
ergebenden strikten Zwang, auf naluralistische Ef-
fekte zu verzichten und stakt des (wieder vom
Sinne der Zeichnung aus) auch ganz aussichtslosen
Vemühens um die unübersichtliche Vielfalt der
Naturerscheinung nachvereinfachenden undzusammen-
fassenden „Zeichen" zu streben, die aber ihrerseits nicht
zu leeren, schemakischen Formeln erstarren dürfen, son-
dern sich aus der Einfühlung in die Naturform er-
geben müssen. Es ist schlietzlich immer wieder die
Nede von der Anforderung der bildnerischen Lei-
stung, die kein oberflächlich-liebloses Hinweggleiken
über Einzelheiten duldet, sobald diese Einzelheiten
vom Schüler ftir unerlätzlich gehalten werden.