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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 8 (August 1929)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: [Rezension von: Frobenius, Leo, Paideuma, Umrisse eines Kultur- und Seelenlebens]
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Pfauth, Siegfried: [Rezension von: Strzygowski, Josef, Forschung und Erziehung - der Neuaufbau der Universität als Grundlage aller Schulverbesserung an den Verfahren der Forschung über Bildende Kunst]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0223

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der Iugendlichen znr vollen Entfalkung kommen läszk
Dnmil wäre auch dns erreicht, was schon Nousseau
sorderk. DaS Kind und der Zugendliche wären im
Äkanne gerektet. Dessen Seele mllszte nicht mehr wie
heute im zweckgerlchteten Tatsachensinn verdorren.

Wir wisscn, das sind Zukunftswünsche. Auch Leo
Frobenius weisz das. Lr sagt: „Es wäre eine Torheik,
nnzunehmen, es könnle in dem Viidungsverfahren
von heute auf morgen ein Wandel geschaffen werden."
Lr weisz auch, dasz die Schule, d. h. die Lehrer nicht
allein schuld daran sind, dasz die von uns und der
Iugend ersehnte Schulreform nicht kommen will. Er
hat den tiefsten Grund unseres kulturschöpferischen

Versagens erkannt. „Da unser Zeitalter ein m e ch a-
niftisches ist, drängen Staak und Eltern danach,
frühzeitig die 2ugend für eine möglichst hohe Ver-
wertung und aussichtsvolle Stellung lm Leben vor-
zubereiten. Von Änfang an ist das Kind Objekt
üieser verstandesmäszigen Kausalität. D i e At e ch a -
nei fordert das! Fr. lst aber voll Zuversicht,
wenn er sngt: „2st unsere paideumatische Vergangen-
heik so gewaltig, wie wir eS fühlen, dann wird sie viel-
leicht gerade die Wucht besitzen, das unter dem versian-
desgemäsz verfallenden VewusztseinSleben hindäm-
mernde Tiefere, Sehüende, zu Neuem drängende dem
Tage zuführen." G. K o l b.

i

Forschung und Erziehung

Der Neuaufbau der Universität ais Grundlage aller Schulverbesserung an den Verfahren der Forschung
über Vildeude Kunst, erörtect vouöl ose f S t r z y g o w s k l.^(Verlag Skrecker und Schröder, Stuttgart.)

Buchbesprechung von Siegfried Pfauth-Stuttgark.

Slrzygowski ist uns allen wohlbekannt als Sucher,
der ber Kunstwijsenschaft schon wertvolie Dienste ge-
leistek hat.

tzn seinem neuen Werke besaßt er sich mii der
Schulerziehung deS jungen Menschen und suchk eine
brauchbare Lösung bieser bcennenden Frage herbei-
zusühren. Das Merk ist in eine Einleitung und drei
Fauplteile gcgliedert.

tzn den einleikenben Kapiteln sagl Strzygowski
Grundsätzliches über die brei Missensmächte — den
HumaniSmus, die Philologie und die Geschichts-
forschung. Diese drei Verbttndeken beherrscheu das
geijtige Leben von heule. Sie müssen „zur Einkehr
gebracht" werdem bevor eine zeitgemäsze Schulver-
vesserung durchgesührt werden kann.

Strzygowski betont, dasz der Humanismus als Er-
ziehungsfaktor dem nordischen Menschen nichk gemätz
ist. Er meint: Wir müssen im klassischen Altertum zwi-
schen dem altgriechlschen bzw. aitrömischen und dem
hellenistischen Geiste unterscheiden. Der alke Grieche.
und der alte Nümer erstrebken jenen einfachen schlich-
ken und wahrhaft freien Menschen, den heranzu-
bilden, das Ziel jeglicher Lrziehung sein müszte. Der
altgriechische Geist will mehr den forschenden und
künstlerisch schöpferischen, der altrömisclze mehr den
streng rechllichen und jachlichen Menschen. Alexander
der „Grotze" überkrug die Vesinnung der altorien-
talischen Monarchien auf Europa. DarauS entwickeltc
sich ber Hellenismus, an dem Hellas und Nom zu-
grunde gingen, und unter dem wir heuke noch leiden.
Der Humanismus betet diesen hellenistischen Geist
an. Machthaber, Beamtcn- und Priesterkum haben
den hellenistisch-humanistischen Geist als für ihre
Zwecke nützlich erkannt und stützten ihn. Dem nor-
dischen Menschen wurden volksfremde Sprachen, Sit-
ten und Gebräpche aufgezwungen. Philosophen,
Philologen und Historlker Haben sich dem Humanis-
muS diensibar gemacht. Doch heuke ist wieder die
Zeit, um zu den lalsächlichen Grundlagen der nor-
-üischen Gesinnung zurückkehren zu können. Es gilt
nun die Kräfte zu überwinden, bie sich -dagegen an-
stemmen. Plato -sagt: „Der Staat, der in der ihm
eigenkümlichen Sprache zu Göttern uud Menschen

spricht und sein Versahren ihr gemäsz einrichtet,
der gedeiht immer -und bleibt erhnlten: der aber, der
eine andere Sprache nachahmt, geht zugrunde." Nuc
der Mensch wird gebildet und einmal zufrieden
sein können, der -die ihm eigenen Anlngen unü Kräfle
natürlich entwickelt und entfallet. Ilnd nur auf
diesem Wege werden wir den schöpferischen, jelbst-
iäkigen Mcnschen erzielen KLnnen. Philologen und
Historiker vcrbreiten und stützen d!e Ansicht, ü-asz
Vildung d. h. „die Fähigkeit geordnet und -seibstän-
dig zu denken", nur auf dem Wege über die klas-
sischen Sprachen erziell werden könne. Dagegen
wendet sich Strzygowski. Er sagt: „Das Ziel der
^Lrziehung, das sachliche Denken, wofür immer die
lateinische Sprache nls Muskerbeispiel angeführt wirü,
lätzt sich viel lebenSvoller un-d nachhalliger von jedem
anderen Fach, z. V. auch von dem der bildenden
Kunst aus erreichen". Für diese spricht nämlich die
Freude und Anteilnahme der tzugend. Für sie -spricht
auch -die geringere Schwierigkeit, die sie -dem Auf-
nehmenden bietek. Die Kunst ist ein „Zeuge für den
geiskigen Menschen". And die dichte Verbreüuiig
ihrer Denkmäler über dcn Lrdball, ihre Anschaulich-
keik und ihr Alter ermöglichen cs -d-em Kundigen, aus
ihnen die Geschichte der Ntenschheit besser als auS
Schristguellen zu schöpfen. Die Umstellung von
„Geschichte" zu „Forschung" wird von hier aus e:il-
schiedener verlangt als vo» jeder anderen Wissen-
jchaft aus. tzn einem früheren Werke „Die scrisis
der Geisteswissenschasten" j102g) hat Strzygowski
seine Gedanken über Forschung und Gefchichte am
Beispiel der sog. „Kunstgoschichte" weilläufig klar-
gelegt. 2n dem vorlicgenden neuen Werke gibt er
eine k-urze Fassung seiner Ansichten und sagt: Das,
was die Philologen und Historiker bisher getrieben
haben, ist alS Grundlage nolwendig gewesen. aber
man mujz jetzt d-arüber hinaus zur WesenS- und
Entwicklungsforschung sorlschreilcn. Als „Forschungs-
richlungen" bezeichnet er: „Kuiide, Wesen, Lnlwick-
lung -un-d Veschauer", denen als „Tatsachen": „Ve-
stände, Werte, Kräste und Meinungcn" gegenüber-
stehen.

K u n d e — Vestände: Die Kunde — Kunst-
denkmäler — verlangt cine AuSweitung des Gcsichtä-
 
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