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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 9 (September 1929)
DOI Artikel:
Muth, Georg Friedrich: Ueber die zierkünstlerische Entwicklung des Kindes, [2]
DOI Artikel:
Würtenberger, Ernst: Die Bildgestaltung in Komposition und Motiv, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0246

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236


s o r s ch u n g sein, daS T a k s a ch e n m a t e r 1 a l
zn u e r v o l l st ä n d i g e n und den Gründen
dieser P a r a l l e l e r s ch e i n u n g e n nach -
z u g e h e ». LS i st zu vermuten, d a ß da-
mit, w i e eingangS und sonst schon er-
ivähnt, a u ch die Klärung der Frage
k ii n st l e r i s ch e n Erkennens überhaupt
gesördert w i r d.

Zum Schluh müszte noch die Frage aufgeworfen
werden, wie sich die Schule zu den erörterte» Lluf-
gaben zu stellen habe. Hierauf einzugehen, ist in
diesem Aufsahe nicht mehr Gelegenheiti jedenfallS
könnte in einem vernünftigen Werkunterricht, der
bei den primitiven Techniken anzuknüpfen und Füh-
lung mit unserer deutschen Volkskunst zu nehmen
hätte, auch sür die zierkünstlerische Ausbildung Ec-
spriehliches geleistet werden.

Die Bildgestaltung rn Komposition und Motiv

Bon Ernst Wllrtenberger- Karlsruhe (Schlujz) ^ ^ ^

Wenn wlr eine solche Landschaft von Aubens ge-
nauer bekrachken, z. B. wie er die Bäume darstellt,
so gewahren wir, dasz er sich dabei einer Formel ^
bedient, die ihm ganz persönlich angehärt, die wir
nirgends anderswo finden. Ilnd doch lösen diese for-
melhaft dargestellten Väume in uns den Eindruck
von Natur aus. Dasselbe können wir bei Tizian
bemerken. Seine Bäume sind ganz anders als die
von Nubens, in der Formel voller im Umrisz, lappiger
in der Form der Aeste, und doch wirken auch die
Tizian-Bäume innerhalb des Bildes wie natürliche
Bäume. Auch die ganz formelhafk gestalteten Bäume
von van Epk, spihpinselig mit einzeln dargestellten
Blättern, wirken innerhalb seines Bildes wie Natur.
Sie sehen daraus zweierlei: Dasz es in der Kunst
keine absolute Form für einen Baum gibk, dasz er
jedesmal anders dargestellt wird, je nachdem es das
Bildganze forderk. Und zweikens, dasz er durch eine
Formel ausgedrückt wird. And wir sehen auch, dasz
alles im Aiide formelhast gestaltet ifk, nicht nur die
Bäume. Z. B. der naclite Körper, das Fleisch ist
jedesmal anders gestalket: Rubens malt das Fleisch
mit drei Tönen, Tizian mit zwei, Beronese mit zwei
Tönen, die aber gänzlich verschieden sind von dem
Tizianfleisch. Bei van Ei)k isr es iviederum anders.
2n jedem Falle ist es aber ganz formelhaft behandelt.
Und zwar ist eine Wirkung der Natur, z. B. warm
und kalt oder farbig und grau herausgegriffen, deut-
lich und gesehmäszig gemacht: wie z. Ä. irgend eine
Eigenschaft der Bäume, das strebenoe oder hängende
Lappige der Askpartie» der Formel zugrunde liegt.
Ls ist nichk die ganze Nakur dargestellt, sondern nur
eine Eigentümlichkeit herausgegriffen. Die Formel
ist also nicht naturfeindlich, nicht gegen die Natur,
sondern aus der Nakur gefunden. 2a gerade durch
das herausreiszen einer Eigenkümlichkeit der Nakur
wird der Eindruck durch die Formel stärker als die
Natur selbsk. Aber nicht nur im Bilde haben sich die
alken Meister der Formel bedient, auch vor der
Natur zeichneken sie schon formelhaft. Rubens zeich-
net z. Ä. Hciare, Pelz, eine Nase, das Auge in einer
ganz bestimmten Formel und doch wirken diese Zeich-
nungen äujzerst lebensvoll. Dasselbe ist bei Dürer
der Fall. So können wir bei Dürer keinen Ilnter-
schied zwischen einer Zeichnung vor der Natur oder
einer'solchen aus dem Kopf^machen. Seine Gewand-

* Dei'VcsN'isi sy o rm el bsdeutet dasselbe, was Würtc».
bcracr au auderer Stells „Zeicheu", oder Britsch-Kormuauu
Suiubol ucuut: „VUdcude Kuust tst Verwirkltchung deuknotweu-
digcr Gesichtsvorstcllttiigszusauiiueiihcittge iu allgenieiugiiltigeu
Shuibole ii." Dte Schristl.

studien vor der Natur sind genau so in eine Formel
gepreszt, wie etwa das Gewand eines fliegenden
Engels. Die alten Meister sahen die Nakur durch
eine Bildformel. Was folgt nun daraus? Wer aus
der Borstellung herausgestaltet, musz sich einer For-
mel bedienen, einer Formel, die innerhalb des Bild-
ganzen naturhaft erscheint. Die Komposition
verlangt gebieterisch die Formel alS
Grundlage der Gestaltung! Es gibt
keinen groszen Meister der Komposition, bis hinauf
zu Marss und Feuerbach, der nicht eine ganz be-
ftimmte Formel für alles Sichtbare gefunden hätte.
Die Komposition steht und fällt mik der Formel.

Anders verhält es sich bei der motivischen Bild-
gestaltung. Hier finden wir die Formel der vorstel-
lungsgemäszen Gestaltung nicht mehr. Es wäre aber
falsch, zu glauben, die hmpressionisten hätten nur dar-
auflosgemalt, wie sie die Dinge gerade sahen. Sie
ersehten die Formel durch eine Methode. Sie dis-
ziplinierten das Auge, auf eine ganz bestimmte Art
zu sehen. Z. V. malten sie das Fernbild öer Form,
nicht die absolute Form. Sie stellten nur das dar,
was sie aus einer gewissen Entfernung noch sehen
konnten. Sie traken nie näher an das Objekt heran,
um ekwa eine Form genauer zu sehen, die durch die
Entfernung von dem Auge undeutlich wurde. Das
Fernbild blieb unter allen Umständen gewahrk, da-
durch traken sie in Gegensah zu der frühen Malerei.
Hierdurch gewann z. B. Monet seinen Bildstil.
Wenn auch schon bei Velasquez gelegentlich die Fern-
form anstatt der absoluten Form vockommk, so war
sie doch nicht folgerichtig durchgeführt. Dies aber war
Monets Berdienst. Des weiteren wurde der Pinsel-
strich, der sichtbar gemachk wurde, herbeigezogen, um
eine Einheit der Bildgestaltung zu erreichen. llede
neue Farbnuance, die vom Objekt abgelesen wurde,
wurde mit einem Pinselzuge Hingeseht und so enk-
stand eine Bildmosaik, das in der Einheit der folge-
richtigen Durchführung, ein Stilelement war. Die
Struktur der Dinge war ausgeschaltet und erseht
durch die Struktur des Pinselstriches, die jedem Dinge
gleichmäszig apvliziert wurde. DaS war durchaus neu
und stand in fchroffem Gegensah zu der Struktur-
formel eines alten Meisters: wie etwa der Aubens.
2n Deutschland hat vor allem Trübner den Vild-
mosaikstil ausgebilüet. Erfunden war er aber von
Monet. Cözanne fanü ein neues Stilelement dadurch,
dasz er die bisherige Tonigkeit der Darstellung in
reine Farbwerte umsehte. Was bisher grau dar-
gestellt wurde, also alle Uebergänge der Form nach
dem Schatten, malke Lszanne als Farbenuancen.
 
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