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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 3 (März 1929)
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Herrmann, Hans: Wer soll den Kunstunterricht erteilen?: e. Antwort an die Philologen
DOI article:
Zienau, Oswald: Kinder als Farbenhörer
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0069

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er nicht diesem Begriff nnterordnen kann „virtuofe
Anwendung technischer Mittel" ist.

Was Wahnschaffe über den Mert künstlerischer
Bildung sagt, ist ganz allgemeiner Art, nur das eine
nennt er beim Namen, daf, die Kunstbetrachtung ein
wichtiges Mittel sei, zur Pflege der Gefühls- und
Phanlasiekräfte. Auch das ist ein vielvernommenes
Wort und wir wollen nicht behaupten. daß er lüge,
aber die eigentlichen Probleme der Kunst krifft es
nicht im «ntferntesten.

Bereits in dem oben angezogenen Ausspruch Fied-
lers ist es angedeutek, daß für ihn die Kunst eine
Form des Wirklichkeitsbewußtseins ist und in seinem
Werk finden wir immer wieder Stellen, die es noch
klarer aussprechen, dah die künstlerische Tätigkeit
LrkenntniStätigkeit ist. Durch üie Arbeit
Fiedlers wurden freilich nur die Grundlagen zu
einer stnnvollen und sachlichen Kunstbetrachtung ge-
schaffen, aber man sollte glauben, selbst diese ersten
Feststellungen müßken genügen, einen gebildeten
Menschen vor oberflächlichen Ueberlegungen zu be-
wahren. Aber es ist stcher so, daß das Wort allein
nichts ist, wenn es nicht den lebendigen Hinkergrund
der Erkenntnis hinter stch hak. Man höxke Fiedler
wohl, aber man versiand ihn nlcht. Bei aller Größe
der Fiedlerschen Gedanken, kann man allerdings
nicht übersehen, daß sie sich noch nicht zu dem Ganzen
einer Theorie rundeken. Erst Guskaf Britsch hat
auf ähnlicher Grundlage, wie es Fiedler versuchte
eine „Theorie der bildenden Kunst" geschaffen. Er
hat der Welt, die Fiedler in grotzen ekroas ver-
schwimmenden Umrissen aufgegangen war, ihre feste
Form gegeben.

Der Grundgedanke der Brisch'schen Lehre dürfie
jedem stnkeressierken bekannt sein: daß es stch In der
bildenden Kunst um Beurteilung von Gestchtflnnes-
erlebniffen handelt, daß sich dle Fähigkeit zu solchem
Ilrteil in stufenmäßigbr Entwicklung enkfaltet und
daß die Leistung des bildenden Künstlers stch auf die
Form bezieht, daß er die stchtbare Well gestaltet
und vergeistigk. Durch dieses einzige Work kann man
unbescheidene und unsachliche Kunstbetrachter in ihre
Schranken weisen. Einmal ist festgestellk, daß es sich
nicht so verhält, als ob durch möglichste Geschicklich-
keit die Zeichnung der Nakur angeglichen werden
müffe, es handelt stch sa um Ilrteil üher Gestchk-
stnneserlebniffe, und das Ilrteil kann nichk gleich dem
Arteilsanlah sein. Zum zweiten steht fest, dast die
Deutlichkeik eines begrifflich herauszulesenden ffnhalts
keineswegs von der Einheiklichkeit der Beurteilung,
von der künstlerischen Qualikäk abhängk. Das Kunst-
werk und das Machwerk kann in gleicher Weise
sin manchen FSllen durch bloße lüdeenverbindung)
eine ekhische Forderung oder eine Seelenstimmung
zum Bewußtsein bringen. Wir brauchen den Ilnter-
sckied, der auch hier noch zwischen Kunstwerken und
Werken der Unkunst besteht, nicht besonders bekonen,

denn er wird von den Leuten, die immer nur vom
llnhalt des Werkes reden, doch nicht wahrgenommen.
Sicher ist das eine, daß die hesondere Leistung des
Künstlers in der Meisterung der Form besteht und
daß diese Form >n unserem Sinn kelnen Inhalt
als Gegenspieler hat.

Damit ist eine lang umstriktene Frage eindeutig
entschieden. Enksprechend der landläufigen Ansicht
vom Doppelwesen der Kunst will Wahnschaffe den
Kunstunterricht auf der einen Seike dem Zeichen-
lehrer auf der anderen dem Deutschlehrer übertragen
wiffen. Dieses salomonische Urkeil kann aber vor
den neuen Erkenntniffen nicht bestehen. Es ist eben
nichts technisches, was der Zeichenlehrer am Kunst-
werk bekrachten kann, nichts, was erst elne Be-
lebung, Erfüllung durch einen Inhalt lrgendwelcher
Art bedürfte, es stnd nicht blotz virtuose Pinselzüge
die wir auf der Leinwand betrachten, es flnd Slnn-
bilder für geistige Zusammenhänge geflchtflnnes-
mätziger Art. Wer sreilich tn der Sprache cher Kunst
nichk zu reden oder zu verstehen gewohnt ist, für den
wird es allezeik unfatzbär sein, datz in elnlgen armen
Strichen, die vielleichk nur „Muschel" bedeuten, elne
Weltanschauung grandioser Ark verborgen liegen
kann. Es ist nichts, was man stch „dabei denken"
kann, es gibt nichk Worte um den Erkennknisgehalt,
der. stch nur in den einfachsten Skrichen verbirgk.
auszuschöpfen. '

Wenn es so ist, datz die Erziehung stch auf das
Wesentliche richken soll, dann ist eben der zur Er-
ziehung berufen, üer dte Erkennknis dieses Wesens
stch zur besonderen Aufqabe gemacht hak; das ist
in unserem Fall der Zeichenlehrer, der flch die Ge-
danken von Gustaf Brikfch zu eigen gemachk hak. Es
wird dann keiner Proteste mehr bedürfen, wenn wir
unseren Beruf klar ins Licht gestellk haben, nlemand
wird es mehr wagen können, unser eigenstes Gebiek
für sich in Änspruch zu nehmen.

Bon der Klarheit im eigenen Lager flnd wir aller-
dings noch weit enkfernk. Die Mehrzahl der Zelchen-
lehrer kennk die „Theorie der bildenden Kunst" noch
gar nlcht und von denen, die ste kennen, wird fle
meist zu leichk genommen und deswegen mitzverstan-
den. Das Buch, das Egon Kornmann herausgegeben
hak, ist nichk zu flüchkiger Lektüre geeignet, es will
eindringlich gelesen sein, nicht einmal, sondern Sfker.
Es kann auch wohl sein, datz flch der Sinn krotz ehr-
licher Bemühung verschlietzk, und es wäre nicht eln
Zeichen mangelnden Scharfflnns, nur ein Beweis da-
für, datz es stch nicht um eine neue Methode
handelt, sondern um eine neue Theorie, das
heitzt Welkanschauung.

Bestimmt mutz sich jeder unseres Skandes mik dem
Buche auseinandersetzen, wenn er nicht zum alken
Eisen geworfen werden will. Wenn wir das Buch
von Gustaf Brlksch als Schild vor uns herkragen,
werden manche Schranken fallen, die heuke noch auf-
gerichtet sind.

Kinder als Farbenhörer

Bon Oswald Zlenau._


Wir stnd. gleichgülkig ob künstlerisch beaabk oder wohl als auch Kindern, erschlietzk stch der Slnn einer
unbegabt, ols etwas alltägliches gewohnt Farben zu Farbe in jedweder Gestalkungsart über das Auge
„sehen". Dem einfachen Menschen, Erwachsenen so- und seinem weiterleikenden Nervensystem hlnweg.
 
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