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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 1 (Januar 1929)
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Winter, Rudolf: Erfinden und Gestalten von Tieren aus Holz: Unterrichtsbeispiel im bildhaften Gestalten
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Zu den Abbildungen von Schülerarbeiten im Text / Umschau / Schreibe in Angelegenheit / Buchbesprechungen / Geschäftliches
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0030

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Erfinden und Gestalten von Tieren aus Holz

Unterrichtsbeilmel im bildhafken Gestalten von Ruüolf Winker in Ludwigsblirg.
(Vgl. dazu die Bilder im Text.)

Weihnachken, das Fest der Freude stand vor üer
Türe. Dieses 5ahr wollten wir nicht den Advents-
kranz, Weihnachtsmann, Christbaum oder die Krippe
in den Mittelpunkt unserer Gestaltungsmöglichkeit
stesten.

Ein Weihnachtsgeschenk, ein Spielzeug wollten wir
erfinden. Freuen wollten wir uns bei der Arbeit,
Freude wollten wir bereiten üurch unsere Arbeit.
Zn einer bis jeht noch nicht geübten Gestaltungsart
wollten wir uns versuchen. Mit dem Holz wollten wir
uns auseinandersetzen.

lingezählte Arbeiter sind heute damit beschäftigt,
jene seelenlosen Gestalten zu schaffen, die zur Weih-
nachkszeit die Spielwarenhäuser füllen: Fast überall
Beispiele wie unser Spielzeug nicht sein soll, fast
Lberall Maffe und Kitsch.

Auf diesem Gebiete mützke entschieden Wandel ge-
schaffen werüen. und wir versuchen, hierzu einen
Beitrag zu liefern. Tiere, Wundertiere aller Art,
Bierfützler, Bögel, Kriechtiere wollen wir er-
f i n d e n.

Die Aufgabe wurde am Schluffe der vorhergehen-
den Stunde besprochen. Bor allem wurüe die Werk-
stoff-Frage eingehend erörkert, da die Schüler das
notwendige Holz und anderes Zubehör selbst mit-
bringen sollten. Bei dem Handwerkszeug waren wir
recht genügsam: Taschenmesser, einige Laubsägen
sowie Hammer und Zange waren unsere ganze Ge-
rätschaft.

Die Stunde, die dieser Aufgabe gewidmet sein
sollte, kam. Einer brachte ein Brennholzstück mit.
Flugs wurde ein Skück davon abgesägt und ein
Pferdeleib daraus gestaltet. Das runde Skück vom.
Nachbar eignete sich gut als Bogelleib. Ein anderer
sand, datz, wenn er sein Brettchen vorn elwas run-
dete und hinten den knorrigen Ansah stehen ließ, der

Zu den Abbildungen
von Schülerarbeiten im Text

Aeber die Aufgabe: Erfinden und Gestal-
tenvon Tieren in Holz lese man die Aus-
führungen des Amtsgenossen Winter nach. Wir wol-
len nur weniges noch hinzufügen. Es galt hier nicht,
bestigMke Tiere irgendwie aus der Erinnerung nach-
zubilden — auch das kann von Wert sein —, sondern
Tiere zu e r f i n d e n. An Stelle des Nachschaffens,
dessen, was die Natur vorgeschaffen, krikt das Selbst-
schaffen. Immer wieder zeigt es sich: das fällt unseren
Schülerm verhältnismäßig leicht, leichter als das
Nachbilden. And merkwürdig: erwecken nichk manche
dieser Geschöpfe der Phantasie das Gefühl, als ob sie
organisch möglich wären? Wir sehen, an Stelle der
Nachahmung der äutzeren Natur tritk, sobald die
Phantasie rege geworden ist und nach Ausdruck

Leib für ein Phankasietier fertig war. Ein ganz Fin-
diger hakke einen Naturast mlt Nebenästen mit-
gebracht, woraus er einen Hirsch gestaltete.

Bald konnte ich wahrnehmen, wie erfinderisch
unsere Buben sind, wie sie die Sache gleich richkig
anfaffen. Ich staunte ob der Fülle von Einfällen uno
lldeen. Mit jugendfrischem Uebereifer wurde gear-
beitet. Freilich ein Höllenlärm war im Zeichensaal:
Späne fielen, Sägen kreischten, Hämmer flogen. Da
bedurfte es ües ganzen Einsatzes einer Männer-
stimme, um Hinweise zu geben, der allen galt.

In 2 Kurzstunden waren unsere Tlere ferkig. 3n
der nächsten Skunde wurden sie bemalt. Wir wählten
dazu wieder das Nächstliegende. linsere Wafferfarb-
kasten mutzten genügen. Dadurch kamen die SlruK-
tur und auch der Naturlon des Holzes gut zur Wir-
kung. ' , . ^ ' 7

Als die Tiere beinahe ferkig waren, Kämen immer
wieder neue Einfälle. Dort hatke einer einen kleinen
Skofflappen mitgebrachk und gab selnem Tierchen eine
wallende MSHne, und jener hakte einen ganz origi-
nellen Einfall: eine winzige Feder dienke als
Schwanz. Wie freuten wir uns, als unsere Mena-
gerie fertig war und im Zeichensaal Aufstellung fanb.
Unsere Freude wurde dadurch erhöh-t — und darauf
möchte ich besonderen Nachdruck legen, — daß unser
Schulvorstand an unserem Schaffen lebhafke Anteil-
nahme fand und Worte der Anerkennung für unsere
Arbeik hakke.

Zusammenfassend wäre noch zu sagen: Der Werk-
unterricht für Holzbearbeitung müßte meines Erach
tens in diesem Sinne gegeben werden. Das Wlch-
kigste ist nicht die Aneignung technischer Fertigkeiken,
sondern die Weckung der Gestalkungskräfte unserer
Iugend. Wenn diese auf irgend eine Art einmal
geweckk stnd, so kommt das dem ganzen Menschen
zu gut. '

drängk, die innere Natur mit lhren Gestaltungs-
notwendigkeiten, die eben auch Nakurgesetzlichkeiten
unterwor'fen stnd.

Dasselbe trikt uns entgegen bei dem Schwarz-
Weiß-Blakk: Ilnd Gott lteß aufwachsen
Gras, Kraut und allerlei fruchtbare
Bäume! (Schöpfungsbericht). Es entstammt einer
Klassenarbeit aus II ll stn Würkt. 6. Klaffe) des Real-
gymnasiums in Cannstatk. Skudienrat Holl ver-
anstaltek zurzeik Ilntersuchungen über die Frage:
„Skirbt die Gestaltungskraft mik der GeschlechkSreife
ab?" 3n dieser Bersuchsreihe entstand die wieder-
gegebene Arbeik, die ich zur Bervielfältigung aus der
mir vorliegenden Klaffenleistung auswShlke. Die
Zeichnungen waren in derselben Technik ausgeführt.
Es wurde mik gewöhnlicher Schreibfeder mit weißer
Tusche, Wasser- oder Temperafarbe auf schwarzes
Papier ohne Borzeichnung gezeichnet. G. K.
 
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