Dmtsehe Blätter für Zeiehen-Kunst- und Werkunterricht
Zeitschvift des Reichsvevbandes akad.geb.Zeichenlehvev und Zeichenlehvevinnen
Verantwortltch für die Schrtftleitung: Professor Gustav Kolb, Stuttgart
Druck und Verlag: Eugen tzardt G. m. b. tz. Stuttgart, Langestraße 18
Für ^Vssprechuiigscxeiuplare. Niederschriften vder andere Einsendungen irgendwelcher Art
wrrd eine Verantworilichkeit nur dau» übernoniinen, wenn ste erbeten worden stnd
Schreibt sachlich klar und «insachl Meidet alle entbehrlichen Frenidwörter
Was bedeutet uns Lessings Laokooir heute noch? Von Otto Klausz, Heidenheim (Schluß). — Kunsterziehungs-
tage in Stuttgart. Von tzermann Lenz, Stuttgart. — Ein nicht gesprochenes Schlußwort zu der Tagung
fnr Kunsterziehung in Stuttgart vom 22.-28. Oktober 1929. Von P. Sperling. — Tbeorie und Praxis. Von
E. Vetzler, Frankfnrt a. M. — Versuch Plastisch zu gestalten. Von Maria Becker, Nordhansen. — Einfache
Weihnachtskrippe init Transparentfigürchen Pon Max Kromer, Gingen a. Br. — Ilmschau. — Zn nnseren
Kunstbeilagen. — Sprechsaal. — Buchbesprechungen. — Geschäftliches. — Beilagenhinweis. — Inserale.
9. Iahrgang Dezember 1929 tzeft 12
Was bedeutet uns Lessings Laokoon heute noch?
Von Otko K l a u tz - Heidenheim. ^
(Schluh)
Das Perbot des Translkorischen iin Sinne Lessings,
das die unvorhergesehene Plöhlichlreit einer Äewe-
gung vorausseht, jst mik diesen Ausführungen jedoch
noch nichk abgekan. Aber wir lrennen aus der mittel-
alkerlichen Kunst die häufige Perwendung schweben-
der und fallender Gegenstünde, die neben ihrer sym-
bolischen Absicht deutlich eine Bewegungsvorkäu-
fchung zur Steigerung des Ausdrucks zeigen.
Selbst bei-Nembrandk finden wir in seinem Gemälde
von der Opferung lisaaks ein frei die Lufk durch-
sallendes Messer gemalt, das der Sichtbarmachung
des Erschreckens dienen soll. 9n einer Wiederholung
dieses PorwurfeS in der späteren Aadierung ver-
meidet der Künstler diesen äuherlichen Effekk in der
Lrkenntnis, daß er mit dem Mesentlichen des Por-
ganges nichts zu tun hat, und er wendet alle Krafk
auf die Perinnerlichung des Dramakischen dieser
Opferszene.
Lessings Geseh bekommt durch diese .Selbsk-
berichkig'ung Aembrauds bedingtermaßeu Necht.
Ilnd rvenn wir die Plastik, von der Lessing auch
ausging, in ben Krcis der Petrachkung stellen,
so finden wir eine merkliche Annäherung unserer
hcukigen Anschauungen an die Lessings. Zwei Vei-
spiele, die von Ludwig Polkmann angefllhrt werden,
mögen dies näher veranschaulichen. Äudolf Maison
zeigk in der bekannten Plastik „Äeger und Pankher"
einen üie Luft durchspringendeir Panther und einen
durch die Gewalt des Anjprunges stttrzenden Äeger
in der ganzen dlugenblicklichkeit einer Sekundenauf-
nahme und Georg Äoth macht einen ähnlichen
Persuch in einem „Wagenrennen", das alle
Merkmale der Äromentphotographie an sich trägt.
9n beiden Fällen ist dem statischen Lrleben der
menschlichen Natur so sehr zuwidergehandelk, dasz
troh aller „Wahrheik^ und „Äichtigkeit" der Darstel-
lung, der Äewegungsvorgang in uns nicht lebendig
wird. Weitere Beispiele köiinken dartun, daß d i e
Plastik sta t! s ch, st o f f l! ch und material -
gebu.nden i st. Das Geseh Earriöres, des fran-
zösischen Aesthetikers, das in dec Form mit dem Les-
singschen Geseh annähernd übereinstimmt, ist daruni
auch heute noch für die Plastik gültig: „äeder Mo-
inent der Bewegung, der sich nichk festhalten läszt, der
nur ein Itebergang zur andern ist, die das gestörke
Gleichgewicht wieder herstellt, ist der Plastik versagt."
Menn wir bisher Lessings Ansichen über üie Be-
wegung in der Kunst in der Hauptsache nur an den
ihm verwandten Kunstrichkungen maßen, die eine
Äewegungsvorstellung durch ädeenverbindungen zu
erwecken suchen, so nökigt uns jene andere Äichkung
in der Kunst, die den direkten We'g zur Bewe-
gungsvortäuschung durch die Wiedergabe
opkischer Eindrücke einschlägt, zu einer weite-
ren Gegenllberstellung. Wir können unbedenklich
Goethes Ark der künstlerischen Betrachkung der
Laokoongruppe anführen, um das Neue zu zeigen,
das dem Bewegungsproblem eine andere Nichkung
gibt. Er macht in seinem Aufsah „über Laokoon" den
Porschlag, »ach kurzer Betrachtung der Gruppe die
Angen zu schlieszen, um beim plöhlichen Wieder-
öffnen die.ganze Gruppe in wirklicher Äewegung zu
erleben, oder gar beim flackernden Fackellicht einer
Betrachtunm bei Nacht das Geheimnisvolle der Stim-
mung in Äewegung umzudichken. Der Weg von
dieser äujzerlichen Betrachtung, der ekwas an die
Zeitschvift des Reichsvevbandes akad.geb.Zeichenlehvev und Zeichenlehvevinnen
Verantwortltch für die Schrtftleitung: Professor Gustav Kolb, Stuttgart
Druck und Verlag: Eugen tzardt G. m. b. tz. Stuttgart, Langestraße 18
Für ^Vssprechuiigscxeiuplare. Niederschriften vder andere Einsendungen irgendwelcher Art
wrrd eine Verantworilichkeit nur dau» übernoniinen, wenn ste erbeten worden stnd
Schreibt sachlich klar und «insachl Meidet alle entbehrlichen Frenidwörter
Was bedeutet uns Lessings Laokooir heute noch? Von Otto Klausz, Heidenheim (Schluß). — Kunsterziehungs-
tage in Stuttgart. Von tzermann Lenz, Stuttgart. — Ein nicht gesprochenes Schlußwort zu der Tagung
fnr Kunsterziehung in Stuttgart vom 22.-28. Oktober 1929. Von P. Sperling. — Tbeorie und Praxis. Von
E. Vetzler, Frankfnrt a. M. — Versuch Plastisch zu gestalten. Von Maria Becker, Nordhansen. — Einfache
Weihnachtskrippe init Transparentfigürchen Pon Max Kromer, Gingen a. Br. — Ilmschau. — Zn nnseren
Kunstbeilagen. — Sprechsaal. — Buchbesprechungen. — Geschäftliches. — Beilagenhinweis. — Inserale.
9. Iahrgang Dezember 1929 tzeft 12
Was bedeutet uns Lessings Laokoon heute noch?
Von Otko K l a u tz - Heidenheim. ^
(Schluh)
Das Perbot des Translkorischen iin Sinne Lessings,
das die unvorhergesehene Plöhlichlreit einer Äewe-
gung vorausseht, jst mik diesen Ausführungen jedoch
noch nichk abgekan. Aber wir lrennen aus der mittel-
alkerlichen Kunst die häufige Perwendung schweben-
der und fallender Gegenstünde, die neben ihrer sym-
bolischen Absicht deutlich eine Bewegungsvorkäu-
fchung zur Steigerung des Ausdrucks zeigen.
Selbst bei-Nembrandk finden wir in seinem Gemälde
von der Opferung lisaaks ein frei die Lufk durch-
sallendes Messer gemalt, das der Sichtbarmachung
des Erschreckens dienen soll. 9n einer Wiederholung
dieses PorwurfeS in der späteren Aadierung ver-
meidet der Künstler diesen äuherlichen Effekk in der
Lrkenntnis, daß er mit dem Mesentlichen des Por-
ganges nichts zu tun hat, und er wendet alle Krafk
auf die Perinnerlichung des Dramakischen dieser
Opferszene.
Lessings Geseh bekommt durch diese .Selbsk-
berichkig'ung Aembrauds bedingtermaßeu Necht.
Ilnd rvenn wir die Plastik, von der Lessing auch
ausging, in ben Krcis der Petrachkung stellen,
so finden wir eine merkliche Annäherung unserer
hcukigen Anschauungen an die Lessings. Zwei Vei-
spiele, die von Ludwig Polkmann angefllhrt werden,
mögen dies näher veranschaulichen. Äudolf Maison
zeigk in der bekannten Plastik „Äeger und Pankher"
einen üie Luft durchspringendeir Panther und einen
durch die Gewalt des Anjprunges stttrzenden Äeger
in der ganzen dlugenblicklichkeit einer Sekundenauf-
nahme und Georg Äoth macht einen ähnlichen
Persuch in einem „Wagenrennen", das alle
Merkmale der Äromentphotographie an sich trägt.
9n beiden Fällen ist dem statischen Lrleben der
menschlichen Natur so sehr zuwidergehandelk, dasz
troh aller „Wahrheik^ und „Äichtigkeit" der Darstel-
lung, der Äewegungsvorgang in uns nicht lebendig
wird. Weitere Beispiele köiinken dartun, daß d i e
Plastik sta t! s ch, st o f f l! ch und material -
gebu.nden i st. Das Geseh Earriöres, des fran-
zösischen Aesthetikers, das in dec Form mit dem Les-
singschen Geseh annähernd übereinstimmt, ist daruni
auch heute noch für die Plastik gültig: „äeder Mo-
inent der Bewegung, der sich nichk festhalten läszt, der
nur ein Itebergang zur andern ist, die das gestörke
Gleichgewicht wieder herstellt, ist der Plastik versagt."
Menn wir bisher Lessings Ansichen über üie Be-
wegung in der Kunst in der Hauptsache nur an den
ihm verwandten Kunstrichkungen maßen, die eine
Äewegungsvorstellung durch ädeenverbindungen zu
erwecken suchen, so nökigt uns jene andere Äichkung
in der Kunst, die den direkten We'g zur Bewe-
gungsvortäuschung durch die Wiedergabe
opkischer Eindrücke einschlägt, zu einer weite-
ren Gegenllberstellung. Wir können unbedenklich
Goethes Ark der künstlerischen Betrachkung der
Laokoongruppe anführen, um das Neue zu zeigen,
das dem Bewegungsproblem eine andere Nichkung
gibt. Er macht in seinem Aufsah „über Laokoon" den
Porschlag, »ach kurzer Betrachtung der Gruppe die
Angen zu schlieszen, um beim plöhlichen Wieder-
öffnen die.ganze Gruppe in wirklicher Äewegung zu
erleben, oder gar beim flackernden Fackellicht einer
Betrachtunm bei Nacht das Geheimnisvolle der Stim-
mung in Äewegung umzudichken. Der Weg von
dieser äujzerlichen Betrachtung, der ekwas an die