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„Das Lehr- und Lernbare des Zeichnens" *
Antwort auf den.Aufsatz von L«nz-Stuttaart von Oberstudtendirektor Steigerwaldt in München.
Die Besprechung meines Buches „Das Lehr- und
Lernbare des Jeichnens" aus der Feder von H. Lenz-
Stuttgart in Heft 12 des Zahrganges 1928 von „Kunst
und 3ugend" forderk eine Erwiderung heraus —
sowohl vom Standpunkt des Zeichenunterrichtes als
auch zur Berichtigung irriger Behauptungen.
Es ist m. E. eine nicht mehr aufzuhaltende For-
derung, daß die Begriffe „Z e i ch e n u n te r r i ch t"
und „K u n st u n t e r r i ch t" genau so streng aus-
einandergehalten werden müssen, wie man heute von
beiden Seiten das Wesen des Darstellen-
den und das des gestaltenden Unter-
richtes unterscheidet. Man wird nicht mehr von
Zeichenunterricht sprechen dürfen, wenn man Kunst-
unterricht meint. Ilnd man wird Fragen des ZU.
nicht vom Standpunkt des KU. beurteilen dürfen und
umgekehrk.
Lenz hebk eingangs seiner Besprechung ausdrücklich
die vollkommene Ilebereinstimmung mit uns in bezug
auf jene klare Ilnterscheidung hervor. Er erkennt
auch, daß der Maßstab des ZU. „vollständig versagen
muß, wenn wir ihn an das phantasiemäßige
Gestalten des Schülers anlegen". Aber es ist ihm
verschlossen geblieben, wie ungeeignet der Maßstab
des phantasiemähigen Zeichnens für die Beurteilung
eines Werkes über ZU. ist. Er hätke sich sonst den
größeren Teil seiner Ausführungen ersparen können.
Er hätte allerdings auch auf Absichten verzichten
müssen, die mit der Sache nichts zu tun haben.
Denn vom Skandpunkt des ZU. war der Autorität
Kerschensteiners nicht beizukommen. Lenz bestätigt
vielmehr, daß „Ks. Gesinnung bei dem auf bewußtes
Beobachten und Darstellen abzielenden Zeichenunter-
richt ein Anrecht hat." Aber „der einzige, überragende
Standpunkt, den ein Bolkserzieher einnehmen kann"
scheint nach Lenz zum Kunskunterricht zu verpflichten.
Bor 24 Iahren, als K. sein großes Werk veröffent-
lichte, haben auch andere, die Herrn Lenz sehr nahe
stehen, diese Berpflichtung noch nicht gefühlt. Heute
aber fordert derselbe Slandpunkt strengste Tren-
nung von ZU. und KU. Das gibt dem Methodiker
des ZU. öas Recht und die Pflicht, nicht nur abzu-
warken, in welcher Form sich KU. schliehlich durch-
zusetzen vermag, sondern die Aufgaben des ZU.
gegenüber jenen anderen auszubauen und geltend zu
machen. Keinesfälls kann, wer die geschichkliche Ent-
wicklung der „Äeform" — wie jede Entwicklung —
richtig versteht, Kerschensteiner einen Borhalt daraus
machen, daß er die Erkenntnisse und Meinungen von
heute damals noch nicht berücksichtigt hat. Aber man
kann auf Grund eigener, langjähriger Erfahrungen
persönlich der Meinung sein, daß Ks. Erkenntnisie
über das Mesen des ZU. auch dann noch einen Wert
haben, wenn manche Methoden des KU. bereiks
überholt sind. Daraus eine „vollständige, geistige
Hörigkeit von ihm" abzuleiten, ist gesucht. Die „Bor-
schläge zur Praxis des ZU." in Ks. Werk sind im
Wesentlichen eine Niederschrifk dessen, was er da-
mals als die Ergebnisse der von mir geleiteten Lehrer-
kurse vor Augen hatte. Hätte Lenz diese Borschläge
mit dem Ergebnis unserer jahrzehnkelangen Er-
fahrungen verglichen, hätte er erkennen können, wie
sie sich zu gunsten einer allgemeinen, den Bedürfnissen
der Bolksschule entsprechenden Durchführbarkeit von
Grund aus verändert haben.
Wenn von mir das „Zeichnen als Ausdruck im
Dienste des Sachunterrichkes" — und nicht nur für
die Unterstufe — empfohlen wird, so ist damit auf
den Raum für zeichnerische Bekätigung sowohl in der
Richtung zum Phantasiemäßigen wie zum Sachlichen
hingewiesen. Auf diese- Seite des Zeichnens, auf
Stoffe und Einflußmöglichkeiken näher einzugehen,
lag nicht im Rahmen meines unzweideutig dem
„Zeichenunkerricht" gewidmeten Werkes. Dagegen ist
ausdrücklich (Text zu Tafel 1) auf das einschlägige
Schrifttum verwiesen. Darum geht alles fehl, was
L. über das phantasiemäßige Gestalten, über dte
Entwicklung des kindlichen Gestaltens zum jugend-
lichen Gestalten und über das Zeichnen von Mensch
und Tier mit bezug auf die Beurteilung meines Wer-
kes sagt.
Wohin aber der Eifer, für den „übergeordneten"
Maßstab des kinderkümlichen Zeichnens geeignete
Objekte in meinem Buch zu finden, führen kann,
zeigt folgende Entgleisung Lenzs. Er schreibt: „Als
Beispiele solch erlaubter Ausdrucksgestaltung dürfen
wir wohl einige Borschläge auf Tafel 12 ansehen"
usf. Mit „woyl" und „scheint" und wieder „wohl"
wird mir hier eine Melhode unterschoben, die zu
geistvollen Wihen von der Verwechslung von „Aus-
druck und Pinseldruck", jowie von der „Schwester
des Fritz Strichmann" Anlaß gibt und den „himmel-
weiten Abstand" des Lenzschen Kunstunterrichtes
zeigen soll. In Wahrheit handelt es sich in metnem
Werk um eine Hinweisung auf Ergänzüngsübungen,
die vor allem der technischen Fertigkeit im Silhouet-
tieren dienen sollen. Zu diesem Zweck sind sechs
kleine Silhouetken — runde und geradformige (Lenz
kann für seine Beweiskätigkeit nur die drei runden
brauchen) — als Beispiele zwischen die Aufgaben der
Tafel 13 eingeschoben. 3m ganzen Umkreis
dieser Beispiele kein Wort von „Pin-
seldruck, keines von „Ausdrucksgestal-
tun g". Die Figuren sind nicht mit „Pin-
seldruck" gemacht und können so, wie
jeder Fachmann sieht, mit Pinfeldruck
nicht gemacht werden. (Die Langrunüe stnd die
Kernformen der kechnisch von innen nach außen zu
entwickelnden Silhouette.) Ist das noch sachliche Be-
urteilung, wenn aus einem Werk mit 74 Tafeln uiid
vielen hundert Zeichnungen drei nebengeordnete
Beispiele zum Gegenstand von Bermutungen und
diese Bermutungen zu Beweisstücken einer Methode
gemacht werden?
* Obwohl es nirgends üblich ist, der Beurteilung von Büchern,
die zur Besprechung eingesandt wurden, eine Krttik der Beur»
teilung durch den Verkasser des Buches nachfolgen zu laffen,
bringen wir die nachfolgenden Auslührungen des Herrn Ober»
studiendirektors Steigerwaldt vollinhaltlich. Es soll niemand
sagen können, es wäre ihm in Kunst und Iugend das Wort zu
einer sachlichen Auseinandersetzung abgeschnitten worden. Weil
es Herrn Steigerwaldt darum zu tun ist, daß herr Lenz sofort
antwortet, folgt diese Antwort gleich noch. Wir halten diese
Auseinandersetzungen insofern für wertvoll, als ste einen wich-
tigen Beitrag liefern zur Klärung unseres Arbeitsgebietes.
Die Schriftleitung.
„Das Lehr- und Lernbare des Zeichnens" *
Antwort auf den.Aufsatz von L«nz-Stuttaart von Oberstudtendirektor Steigerwaldt in München.
Die Besprechung meines Buches „Das Lehr- und
Lernbare des Jeichnens" aus der Feder von H. Lenz-
Stuttgart in Heft 12 des Zahrganges 1928 von „Kunst
und 3ugend" forderk eine Erwiderung heraus —
sowohl vom Standpunkt des Zeichenunterrichtes als
auch zur Berichtigung irriger Behauptungen.
Es ist m. E. eine nicht mehr aufzuhaltende For-
derung, daß die Begriffe „Z e i ch e n u n te r r i ch t"
und „K u n st u n t e r r i ch t" genau so streng aus-
einandergehalten werden müssen, wie man heute von
beiden Seiten das Wesen des Darstellen-
den und das des gestaltenden Unter-
richtes unterscheidet. Man wird nicht mehr von
Zeichenunterricht sprechen dürfen, wenn man Kunst-
unterricht meint. Ilnd man wird Fragen des ZU.
nicht vom Standpunkt des KU. beurteilen dürfen und
umgekehrk.
Lenz hebk eingangs seiner Besprechung ausdrücklich
die vollkommene Ilebereinstimmung mit uns in bezug
auf jene klare Ilnterscheidung hervor. Er erkennt
auch, daß der Maßstab des ZU. „vollständig versagen
muß, wenn wir ihn an das phantasiemäßige
Gestalten des Schülers anlegen". Aber es ist ihm
verschlossen geblieben, wie ungeeignet der Maßstab
des phantasiemähigen Zeichnens für die Beurteilung
eines Werkes über ZU. ist. Er hätke sich sonst den
größeren Teil seiner Ausführungen ersparen können.
Er hätte allerdings auch auf Absichten verzichten
müssen, die mit der Sache nichts zu tun haben.
Denn vom Skandpunkt des ZU. war der Autorität
Kerschensteiners nicht beizukommen. Lenz bestätigt
vielmehr, daß „Ks. Gesinnung bei dem auf bewußtes
Beobachten und Darstellen abzielenden Zeichenunter-
richt ein Anrecht hat." Aber „der einzige, überragende
Standpunkt, den ein Bolkserzieher einnehmen kann"
scheint nach Lenz zum Kunskunterricht zu verpflichten.
Bor 24 Iahren, als K. sein großes Werk veröffent-
lichte, haben auch andere, die Herrn Lenz sehr nahe
stehen, diese Berpflichtung noch nicht gefühlt. Heute
aber fordert derselbe Slandpunkt strengste Tren-
nung von ZU. und KU. Das gibt dem Methodiker
des ZU. öas Recht und die Pflicht, nicht nur abzu-
warken, in welcher Form sich KU. schliehlich durch-
zusetzen vermag, sondern die Aufgaben des ZU.
gegenüber jenen anderen auszubauen und geltend zu
machen. Keinesfälls kann, wer die geschichkliche Ent-
wicklung der „Äeform" — wie jede Entwicklung —
richtig versteht, Kerschensteiner einen Borhalt daraus
machen, daß er die Erkenntnisse und Meinungen von
heute damals noch nicht berücksichtigt hat. Aber man
kann auf Grund eigener, langjähriger Erfahrungen
persönlich der Meinung sein, daß Ks. Erkenntnisie
über das Mesen des ZU. auch dann noch einen Wert
haben, wenn manche Methoden des KU. bereiks
überholt sind. Daraus eine „vollständige, geistige
Hörigkeit von ihm" abzuleiten, ist gesucht. Die „Bor-
schläge zur Praxis des ZU." in Ks. Werk sind im
Wesentlichen eine Niederschrifk dessen, was er da-
mals als die Ergebnisse der von mir geleiteten Lehrer-
kurse vor Augen hatte. Hätte Lenz diese Borschläge
mit dem Ergebnis unserer jahrzehnkelangen Er-
fahrungen verglichen, hätte er erkennen können, wie
sie sich zu gunsten einer allgemeinen, den Bedürfnissen
der Bolksschule entsprechenden Durchführbarkeit von
Grund aus verändert haben.
Wenn von mir das „Zeichnen als Ausdruck im
Dienste des Sachunterrichkes" — und nicht nur für
die Unterstufe — empfohlen wird, so ist damit auf
den Raum für zeichnerische Bekätigung sowohl in der
Richtung zum Phantasiemäßigen wie zum Sachlichen
hingewiesen. Auf diese- Seite des Zeichnens, auf
Stoffe und Einflußmöglichkeiken näher einzugehen,
lag nicht im Rahmen meines unzweideutig dem
„Zeichenunkerricht" gewidmeten Werkes. Dagegen ist
ausdrücklich (Text zu Tafel 1) auf das einschlägige
Schrifttum verwiesen. Darum geht alles fehl, was
L. über das phantasiemäßige Gestalten, über dte
Entwicklung des kindlichen Gestaltens zum jugend-
lichen Gestalten und über das Zeichnen von Mensch
und Tier mit bezug auf die Beurteilung meines Wer-
kes sagt.
Wohin aber der Eifer, für den „übergeordneten"
Maßstab des kinderkümlichen Zeichnens geeignete
Objekte in meinem Buch zu finden, führen kann,
zeigt folgende Entgleisung Lenzs. Er schreibt: „Als
Beispiele solch erlaubter Ausdrucksgestaltung dürfen
wir wohl einige Borschläge auf Tafel 12 ansehen"
usf. Mit „woyl" und „scheint" und wieder „wohl"
wird mir hier eine Melhode unterschoben, die zu
geistvollen Wihen von der Verwechslung von „Aus-
druck und Pinseldruck", jowie von der „Schwester
des Fritz Strichmann" Anlaß gibt und den „himmel-
weiten Abstand" des Lenzschen Kunstunterrichtes
zeigen soll. In Wahrheit handelt es sich in metnem
Werk um eine Hinweisung auf Ergänzüngsübungen,
die vor allem der technischen Fertigkeit im Silhouet-
tieren dienen sollen. Zu diesem Zweck sind sechs
kleine Silhouetken — runde und geradformige (Lenz
kann für seine Beweiskätigkeit nur die drei runden
brauchen) — als Beispiele zwischen die Aufgaben der
Tafel 13 eingeschoben. 3m ganzen Umkreis
dieser Beispiele kein Wort von „Pin-
seldruck, keines von „Ausdrucksgestal-
tun g". Die Figuren sind nicht mit „Pin-
seldruck" gemacht und können so, wie
jeder Fachmann sieht, mit Pinfeldruck
nicht gemacht werden. (Die Langrunüe stnd die
Kernformen der kechnisch von innen nach außen zu
entwickelnden Silhouette.) Ist das noch sachliche Be-
urteilung, wenn aus einem Werk mit 74 Tafeln uiid
vielen hundert Zeichnungen drei nebengeordnete
Beispiele zum Gegenstand von Bermutungen und
diese Bermutungen zu Beweisstücken einer Methode
gemacht werden?
* Obwohl es nirgends üblich ist, der Beurteilung von Büchern,
die zur Besprechung eingesandt wurden, eine Krttik der Beur»
teilung durch den Verkasser des Buches nachfolgen zu laffen,
bringen wir die nachfolgenden Auslührungen des Herrn Ober»
studiendirektors Steigerwaldt vollinhaltlich. Es soll niemand
sagen können, es wäre ihm in Kunst und Iugend das Wort zu
einer sachlichen Auseinandersetzung abgeschnitten worden. Weil
es Herrn Steigerwaldt darum zu tun ist, daß herr Lenz sofort
antwortet, folgt diese Antwort gleich noch. Wir halten diese
Auseinandersetzungen insofern für wertvoll, als ste einen wich-
tigen Beitrag liefern zur Klärung unseres Arbeitsgebietes.
Die Schriftleitung.