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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 7 (Juli 1929)
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Von den Gegnern des Zeichenunterrichts und unserer Schuld
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0173

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Dmtsche Blätter für Zeichm-Kunst- und Werkunterricht

.)ei!schrift deö Reichsverbairdeö akad.geb.Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen

Verantwor'tlich für die Schrtftlettung! Profeflor Gustav Kolb, Stuttgart
Druck und Verlag: Eugeu tzardt G. m. b. tz. Stuttgart, Langestrafze 18

Für Bclprechimgscxcmplare, Nlcderschrilten vder andere Eiiilendungeii irgendwelcher Art
wi?d eine Berantwortlichkeit nur dann nbernommen, wenn ste erbeten worden^ stnd
Schreibt lachlich klar und einsachl Meidet alle entbehrliche» Fremdwörterl

Von den Grgnern des Zeichennnterrichts und unserer Schuld. Von G. Kolb. — Eine Führertaguug in Markt--
breit. Von P. Schnbert, Frankfnrt a. M. — Zur Lagung der Kunsterzieher in Marktbreit. Von Walter Karbe,
Fena. — Was bedentete die Psingsttagung des A. D. L. V. in Wien für nns Knnsterzieherinnen? Von Anna
Urnger, Dessan. — „Die tzeiinat im Biide". Von Boenisch, Beuthen. — „Einöd". Von Elisabelh Kellermann,
;">ijehoe in Holstein. — Gestalten von Tieren ans Stoff nnd Garn. Von Helene Aöjzler, Göppingen- — ilber
Pastellfijiative. Von Geheiinrat ErnstTäuber. — Einer Frau zu Ehrenl Vou Hedwig Groth, Essen. — Lumino--
graphic. Von Rob. Bnrkhardt, Friedeberg-Nin. — Die Dorfkirche. Von Friiz Wiederinann, Areslau--Oswitz.

— Ilmschau. — Sprechsaal. — Buchbesprechungeu. — Eeschäftliches. — Inserate. —

0. Iahrgang Iuli 1929 Heft 7

Von den Gegnern des Zeichenunterrichts und unserer Schuld

G. Sliehler, der unsere Sache iminer auf sorgen-
dem Herzen trägk, weist in Heft t, darauf hin, datz es
heute Lrzieher oder gar Gesetzgeber gäbe, die dem
sseichen- und Kunstunkerricht den Aaum versageu,
der ihm im Schulganzen gebiihrt.

äch frage: Gab es solche Gegner unserer Sache
nichl von jeher? Man lese^ üie Geschichte unseres
Faches von Georg Hirth an über Konrad Lange bis
heute nach. äst es vielteichk übertrieben, zu sagen,
unser Arbeiksgebiet habe sich iunerhalb der Schule
jeil äahrzehnteu nur im harten Kampfe gegen
die ivisjenschaftlicheii Lehrer behaupten können? Es
haben sich ja auch die deutsch-tschechischen Kunst-
erzieher, die St. anftthrt, „zum Kampf gerüstet gegen
die überlebten Vorurteile aus Argrotzväter-
zeil e n".

Die chauptiirsache dieser Gegnerschaft sehe ich nicht
iu persönlichem Ilebelwollen gegen die Zeichenlehrer-
schast, sondern in der einseitig wissenschaftlich begriff-
lichen Schul- und Hochschulbildung, die unsere wissen-
schasllichen Lehrer durchlaufen. Während dleser
Zeit verliümmern ihre Kunstlirüfte, ihre Organe
sür das Erleben von Form und Farbe, und
zivar ivahrscheinlich um so mehr, je ernster sie
ihrer Vorbildung und Weiterbildung hingegeben
siud. lAusnnhmen gibk es selbstverständlich auch
hier.) Was m a n aber nicht erleben
lia n n, li a n n m a n a u ch u i ch t verstehen
u u d j ch ä tz e n. Darum war Zeichnen in den Augen
uuserer Wissenschaftler immer muk- -ein -technisches
Zach, eine Fandfertiglieik. Den geist- und seelenbilüen-
den Werl lionnten sie nicht erfassen. Wenn wir das be-
denlien, liönnen wir auch Aeuszerungen, wie die eines
Obersludiendirelikors, die Sk. anführt, richtig einschät-
zen. Es gehört eben langjährige, tiefeiiidringende, von

pspchologischem Perständnis und entwickeltem Kunsl-
gesühl getragene Arbeit dazu, um „Kinderzeichnungeii"
werten, um verstehen zu könneii, welche grundlegende
Vedeukung sie sür die naturgemäsze Lnkwicklung der
bildnerischen Gestaltungskräfte des jiingen Menschen
haben. Solche Aeuszerungen, die uns augenblicklich ver-
letzen können, dürfen uns nicht beirren. Zhnen stehen,
Gott sei dank, andere Arteile aus lehter Zeit gegen-
über, die volles Perständnis für unsere Bestrebungen
bekunden. äa, man darf wohl sagen: Das BerständniS
für unsere Arbeit wächst, und zwar, wie icy wahr-
nehme, namentlich in den Kreisen der jüngeren wis-
senschaftlichen Lehrer. Es wird nach meiner Aeber-
zeugiing.um so mehr wachsen, je mehr eS u n s
gelingt, den Z e i ch e n u n t e r r i ch t zu
einem vollwertigen K u n st u n t e r r i ch k
a u s z u g e st a l t e n.

Wir dürfen eben auch nie vergessen, wie seelen-
kümmerlich der einseitig rationale, nur auf das „be-
wuhke Sehen" eingestelite Zeichenunkerricht war, den
die meisten heutigen Erwachsenen genossen haben.
Konnten sie einen Ilnterricht, der ihr künstlerisches
Gefühl so brach liegen liesz, als Kunstfach schähen
lernen? Konnten sie von hier aus etwa den Anstosz
gewinnen, den Wesenskern, das tiefe GeheimniS
wirklicher Kunst auch nur zu ahnen, geschweige denn
als Lebensanregung zu erfassen?

Wenn St. nach unserer „Schuld" fragt, und über
den Einflusz von Kunsttheorien auf unseren Anter-
richt klagt, so meine ich, eswäre heute u n s e r e
gröszte Schuld, wenn wir das ver-
gä jz e n. Konrad Langes Mahnung an die Zeichen-
lehrerschaft, das Zeichnen nicht als wissenschaftliches
Fach, sonderen als Kunstfach zu bekrachten, ist heute
noch ebenso berechtigk, wie vor vier äahrzehnten. G. K. /
 
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