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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 4 (April 1929)
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iakuliaiiv, mid dara» beteiligten sich nur die mit
Begabuug fiir Mnthemalik Geschlagene». Ich habe
eb nie iiber daS Kastanienblakt hinausgebracht. Mit
dem wars, wie mlt dem Gewand der Penelope. Was
man in ciner Stunde fertiggebracht hatke, — radicrte
man in der nächsten wieder aus. Und dann präpa-
rierte man Cäsar, außerdem habe ich tn der Stunde
Skat spielen gelernk. lirgendwns mit Farbe kam nicht
vor. Cs war ja auch Zeichennnterricht. Oder doch. Es
gab dn einen Primaner, der halte auf eine meter-
grojze Fläche, ich glnube mit Wasserfarben, die Cr-
mordung Läsars gen^alt. Die hing nun eingerahmt
im Zeichensaal und wir Ztingeren waren ehrfürchtig
ieils vor dem Werk, teilä vor dem Maler, dem wir
wegen seiner bewiesenen Künstlerschait etwas wie
eine durchaus unschulmähige dämonische Zuchtlosig-
keit gruselnd andichketen. Denn wir hakten gehört,
so wären die Genies. — Wenn ich mir nun denke,
was unser Zeichenlehrer, der brave Schwnbe mit
üen knailblauen Augen, dem roken Volibart und üer
harien Hand für ein Gesicht zu dem Gedanken eine
Ausftellung unserer Elaborate gemacht hätle, jch
glaube, es wäre mit seinem gewöhnlichen Dikkum:
„Dasz Dich das Mäuslein beistk!" nicht getan gewe-
sen, es wäre ihm ekwaä sehr erheblich Süddeutsches
mik „saudumm" drin entfahren. Aber ec kommt nicht
mehr in die Verlegenheit. Gokt hab ihn seligi!

Gestern war iä) in der Aheinhalle. Da hab ich wie-
der cinmal das Ältersapiom von den besseren frühe-
ren Zeiten revidieren müssen. Wie eine bunke Borte
zog sich die am Saume des pompejanisch-roten Kup-
pclraumes ein Band von zweikausend meist farbigen
Biidern hin, alle von Schülern und Schülerinnen des
Aegierungsbezirks Koblenz angefertigt, übersichklich
geordnet nach Klassen und Geschlechtern. lich glaube
ich habe nicmals eine Ausstellung gesehen, die mir
reicher und anregender erschienen wäre, und die mir
das gerz so warm gemacht hätte. Darln offenbarte
sich wirklich etwas vom Wesen aller und besonders
der heutigen Iugend. Die Ausstellung ist als Ganzes
eine groste Eppression, Ausdruck dessen, was in der
llugend lebendig ist, was sie will und was sie kann.
Das aber ist der erste starke Eindruck: Wie wenig
ieisteten wir zu unserer Zeit, weil man uns gängelte,
AlterSmaststäbe an uns llungen legte und dadurch uns
üie Arbeit verleidete, und was kann llugend, wenn
man sie gewähren lässt, sie anregt, und möglichs! nur
mit hcimiicher Ileberlegenheit leitet! Dast Erziehsr-
sein im Lejstcn nicht viel mehr heisst alä Hilfsstellung
leisten, diese Gedanken konnke man aus der Aus-
steliung sehr nachdenklich mit nach Hause nehmen.

Die neue Grundlage des Zeichen- wie allen Ilnler-
richls ist die Iugendpspchoiogie. Dast ein Terlianer
von cinem Septaner noch durch ekwas anderes ge-
trennk ist als durch scine Kenntnis des A. c. 2.,
das; es vielmehr Zugendslüsen'gibt? eine jeüe mit
einem ganz anderen Gesicht, mit ganz anderen Nei-
gungen und Fähigkeiten, mit ganz anderen Domi-
nanten sozusagen, diese in Praxis noch nicht allzu
lang befolgte Lrkenntnis wurde einem in der Aus-
skellung ad oculos deinonskriert. Gleich rechts vom

Eingang hingen die Seztanerprodukke., Da gabs
Hezen und Könige, den Äiesen Goliath und David,
Schiffe und Landschaften. Ilnd viele Fralzen! Him-
mel, was waren das sür Frahen! Armer Zeichenleh-
rer aus Schwaben, was hätkest du gesagt, wenn du
derartiges hättest ausstellen müssen. Äenn du so
etwas mal in einem Zeichenheft entdeckt hätkest, die
Stunde Arrest wegen wüster Schmierersi wäce uns
sicher geweien. And deine Nachfoiger zllchten das bei
ihren Schmern! Nun hängt es wirklich in der Aus-
stellung und wirkt verblüffend durch seine naive
Kraft, lustig in seiner Buntheit, frei in der unkri-
tischen Sorglosigkeit, rührend in seiner Ungeschickk-
heit und wirklich künstlerisch durch das unbeküm-
merke Herausheben.dessen, was üer Phankasie das
Wesentiiche scheint/Wie so ein Ivjähriger die Wirk-
lichkeit phantastisch siehk, das zeigen diese Bilder.
Dn ist ein Äiese cben wirklich nur grost, mögen seine
Arme und Beine noch so ungcschickt sihen, und wenn
Feuer auf elnem Turme ausbrichk, öann lodert eine
überlebensgroste knallroke Lohe aus dem Gebälk. Das
gcht in den folgenden Klassen welter, nur dasz doch
eine allmähliche Wandlung spllrbar wird. An Stelle
des KindermärchenS treten die Stoffe der Sage, das
Lesebuch und der Geschichksunterricht liegen zu
Grund, und der Wille zuc Darstsllung der erlebten
Wirklichkeik trilt stärker hervor. Da gibt es Bolks-
aufläufs auf Pläszen, das sind doch noch wirkliche
Menschenhaufen. Da kommt die Feuerwehr: wie die
Pferde rennen und wie die Menschen flüchten und
stllrzen! Da macht eine Mädchenklasse in ihren Tri-
kots auf dem Schulhof Freiübungen. Wenn aber
Phantasiewesen dargestellk werdcn, jo werden sie all-
mählich doch schon mit bewuszler Absicht ins Groteske
gezogen. So bereitet sich eine Klärung vor. Auf der
Miktelstufe fordert die Naturnachahmung stärker ihr
Äechk. Nun malt man sich gegenseikig, malt Hände
und Werkzeuge möglichst naturgekreu. AndererseitS
aber gewinnt man aber auch 2nteresse an rein forma-
len Äufgaben, an Flächenaufteilung, an Farben-
zusammenklängen und ähnlichem. Das naive Vor-
wiegen der Phankasie hört auf <fast merkt mans mit
Bedauern), aber die Hand wird sicherer und fesker
und das Äuge schärfer. 2n den oberen Klassen ist
dann manchmal etwas von Synthese, von Wirklich-
keitäwiilen und zum Zweck des Kunskschaffens wieder
herbeikommandierter Phankasie zu bemerken, gele-
genllich auch die Transponierung der realen Dinge
in die Sphäre höherer kllnstlerischer Wahrheik üurch
bewujzte Anterordnung von Form und Farbe unter
ein einheitliches künstlerisches Prinzip. Aber daS
Biid ist >m allgemeinen doch persönlichkeitsferner als
auf den Ankerstufen. Nur sejten spricht sich der be-
sondere Geist der Altersskufe selbst noch aus, wie
z. B. auf dem Blakt eineS Primaners, der sich selbst
im Bordergrund dargestellt hat, mit gequält ver-
schlossenem Gesicht, indes im Hintergrund das drän-
gende LhaoS der auf seine Seele einstürmende»
Gewalten gestaltet ist. 2m ailgemeinen: auch in den
„Spihenleistungen" mllndet naturgemäst das 2ugend-
schaffen in den breiten Strom der allgemeinen Kunst.

Bilder von 2ungens und Niädeis hängen klassen-
weise geordnet nebeneinander. Wie deutllch sich die
Geschlechler unterscheiden! Nicht nur lm Stofflichen,
 
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