Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

DOI Heft:
Heft 8 (August 1929)
DOI Artikel:
Muth, Georg Friedrich: Ueber die zierkünstlerische Entwicklung des Kindes, [1]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0216

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

207

mif, alle Spnnnung lst verfchwnnde», und sie lacht
lhr sroheü, frlscheü Lnchen.

Die ornanientale Aepabunt, Hilder>nnds zeigt sich
in geschicliten Perlenreihungen nnd ähnlichem, rvor-
ilber an genannteni Orl auSfnhrlich berichtet wurde.
(Linige Llrbeiten werden besprochen:

Hildegund 4;ü.

Fignr 1: Das Declichen wurde unaufgesordert her-
gestellt: znr Verfngung stand ein länglicher Lappen
nnd eine etwa doppelt so lange Aorte. Die Vorte
wird anseinandergeschnitten, mit groben Stichen auf
den Aand des Deckchens genäht und die Mitte init
regellos nber die Fläche verstreuten Stichen bedeckt.
Dle Liandbetonung entspricht durchaus der Aehand-
lnng der Flg. 3 Tafe! I und 2n Tnfel IV, die wahl-
loS ilber die Fläche verkeilten Stiche dagegen sind
fiir die Charakteristik des Deckchens so wenig be-
zeichnend wie die Stiche der Figur 5 Tafel I.

Hildegnnd 7,8.

Figur 2: Viel inehr durchgegliedeck ist die von dem
ctwa drei 3ahre älteren Kind hergestellte Arbeit,
Figur 2: (Lin guadratisches Deckchen, mit Fransen
versehen, war auf ein Körbchen mlt Obst, das dein
Kinde geschickl worden war, gedeckt. Nach einigen
Tagen kain daS Deckchen, so wie es Figur 2 zeigt,
geschiniickt znriick. Der ganzen Nusdehnung nach war
ein zweites, schinälereS Deckchen über das untere
genäht, wobei ein inehrere Finger breiker Rand
hiiben und drtiben freigelassen wnrde. Diese Borte
war init kleinen Perlen nbersüt — Nandbetonung
wie bei Figur 1 —, die sich an den vier Ecken, die
besonders noch dnrch vier grosze Perlen bezeichnet
waren, hänften. Die NNtke wurde durch kreisforinig
angeordnete gröszere Perlen ansgezeichnet: 3in we-
sentlichen nngefähr die gleiche, nur der besonderen
Forui des viereckigen DeckchenS angepaszke Durch-
gliedernng des Ornainenkträgers wie bei Fignr U
Tafel l.

Hildegund 6ch.

Fignr 3: Vanz anders wirkt der Bau eineS Fü-
chers ans das Zierversahren: Das strahlenförinige
Linseinanderlaufen der Falten spiegelt sich am pri-
initivstcn in entsprechenden, voin Grund auSgehenden
Strichen wieder, wie in der Tat diese Lösnng von
dem Brnder Hildegunds auch angewandt wurde. Die
Schwester ahnit anfangs die Ärbeit des Vruders
nach, ersetzt dann die Striche dnrch einfache, skrahlen-
söruilg nbereinander angeordnete, anS Punkt und
Strich bestehenden Forinen in.bnnten Farben, die
als Blninen bezeichnet werden.

Wir beobachten an diesein Beispiel die Auflösung
dcs priinitiven Ornainentsysteins in Linzelforinen,
wle sie nns z. B. auch bei Figur 8 Tafel I entgegen-
getrcten ist (vgl. auch aus der nordischen Ornamentik
iieben Tafel IV Figur 4a noch bei van Scheltema
nnter anderen Tasel X Figur 1).

Ilni Hildegunds Berhalten gegennber drchrunden
Vegenständen kennenzulernen, wnrden ihr Teller-
ringe ans Pappe inlt der Aufforderung, sie „schön
zn inachen, vorgelcgt.

' Hicr das Ergebnis: Becgleiche TeMgur-2.

Hildegnnd 3;10.

So unbesiiiniiil auch Fignr n ist, die Neigung, den
lalenlen Nhylhinus zn bezeichnen, ist unverkennbar.

Hildegund 4;7.

Figur b: Wenn die Linie nicht in eineiu Zuge
durchgeführt wurde, so lag daS an technischen Schwie-
rigkeiten, waS auch dadurch bestäkigt wird, datz H.
versucht, die Fortsehung der Linie eng a» den vor-
hergehenden Teil anzuschlieszen? Wir haben hier
wieder die oben bei Inges Teller Fig. 4 und 7
(Tafel I) erwähnle zierkünstlerische „Ärlinie" vor
uns, die auS der unbegrenzten Fülle der Ziermög-
lichkeiten herausgefunden wird, nicht, indem das
Kind lange wählt, sondern indem es sich von dem
in dem Träger beschiossenen „latenken NhykhmuS""

erfassen läszt und nun triebhaft, fast zwangsläufig
mitkreist.

s

Hildegund 5;1Ü.

Bei der Herstellung von Figur e sagte H.: „Ein-
mal innen rum, einmal aujzen rum": zuleht trenn!
sie dann noch Anfang und Ende der Auszenlinie durch
einen kurzen Querstrich. Die Freude der kleinen
Künstlerin über ihr Werkchen war so grotz, datz sie
laut jubelnd ihrer Mutter in die Ärme stürzt und
ausruft: „Mutter, guck mal, wie schön!"

Hildegund S;1ü.

Aus der gleichen Zeit stammk Figur ä, bei der
der Ning ungefähr in der gleichen Weise wie
bei 3nges Figur 4 Tafel I mik konzenlrischen Ningen
bedeckt ist.

Hildegund 6;ll.

Figur 5 (Tafel II) bringt, autzer dasz die Mitte in
besonderer Weise betont wird (man beachte, datz die
sich ilin die Kugel ordnenden Stiche sich zu einer Spi-
rale zusammenschliejzen), nichks Neues. ÄaS Makerial
gestattet nicht so leicht, eine durchgehende Linie zu
zeichnen, darnm wurde der Umgang (wie ja auch bei
mehreren Beispielen der Tafel l) in Stiche aus-

^Mtt diesen Beispielen findek ein erster Lntwick-
lungsabschnitt sein Ende, und sehr bald macht sich

3

die Berwendung gegenständlicher Formen störend be-
merkbar. Zwar wird die ornamentale Urlinie zunach
noch beibehalten, sie wird aber, wie daS anch son
zu beobachten ist?" „vergegenständlicht . Sie isl

' G-nan- B-rlchl- n» VolliSg°ilt, 2. AI., ynlira. w. S. wllls.
'' Bnl. Mulb, Zlerversnchc mll ilindern IV. ZeUschrisl sllr
annewandle Psi-chologle. XVll S. 233ss.

— Doselbst Selle 2Ü7f.
 
Annotationen