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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Hetf 10 (Oktober 1929)
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Sommer: A. Böcklin "Spiel der Wellen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0282

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271

>.>r schus auS seiuem Tiefinuersteu, nachdeui er ürüud-
iich daS Haudiverk iui Schmeisze seiueS Au-
gesichis, uiühevoll, uichl spielerisch, verzweifelud,
uichl seldstgefällig, gelerut hatte. Mau hatte ihn
iu der llugeud zur Bescheideuheit erzogeu, zur Ach-
tuug uud zuui Geuieszeu echter Kirust uud zur Liebe
uud grüudlichciu Keuueu uud Vertiefeu i u die

n t u r, die auch seiue Lehrmeisterin blieb. Waruiu
schaute seiu Küustlerauge sich iiu italieuischen Süden
uiu, ivoher uahiu er die Aureguug zum hl. Haiu
uud zur Toteuiusel uud deu Gefildeu der Seligen
uud zuui Spiel der Wellen? Cr kopierte lreine Aa-
tur, aber er sah all üaS iu sie hiuein, aus ihr heraus
ströuite ihm daS alles. zu.

Schreiteu wir vorwärts oder geheu wir de»i Ber-
snll eukgegeu, iveuu ivir liüustlich, gewaltsain uusere
llugeud wegreiszeu vou deiu uatürlicheu Triebe, die
Aakur zu beobachkeu, die Antur darzustelleu, iu der
Kuusl Beziehuugeu zuiu Kuustiverli oes Aleisters
aller Meister zu sucheu. 2u der Musllr hörte sie das
Brnuseu des Wiudes, die SouiieugluL über eiuer
Laudschnft, deu Feierabeud, dns Lrivacheu iu der
Antur u. a. 2u der Alalerei verlaugk der Aieusch
Werke, die lieiuer Kvuiiueutare bedürfeu. DaS
Schlichke ivirlrt, daS Aaffiuierte verwirrt ihu. Führt
die Iugeud zur Bescheideuhelt uud dazu, dasz sie im-
skaude ist, die Kuust zu sucheu uud zu findeu, die
ihueu etwas gibt, gauz gleich, obS dem Aachbar
gefällt oder uicht. Aieuiaud ist iu der Kuust rücli-
stäudig, der irgeud eiue wirlilich liebt, so liebt, dasz
jte ihiu Speise uud Trauli bedeutet, gauz gleich, ob
daS unturalistische Kuust oder vergeistigte Kunst, ob
eü iiupressiouistische oder expressiouistische, gauz gleich,
obS chiuesische, oder altchristliche, oder griechische,
oder gokische usw. Kuust, obs alte oder ueue Kunst ist.

Waruui schlageu wii" Kuusterzieher uus da uoch,
wnruiu fiudeu wir uuS uicht alle auf dieser Liuie?
3ede Methode ist gut, öie vou einer Küustlernakur
ausgeht, iu der der zlludeude Funlre steckt. Laszk dem
Naturschwäriuer seiu reiches Geblet, er versteht init
nudereu Götkeru uichts auzufangeu, schelket ihu uicht,
weuii er seiue Schüler mit leiblichem uud seelischem
Auge scharf hiuschaiieu lehrt, weuu er hlueiuseheu
uud hernuSseheu lehrt. Bedaueruswerke Meuscheu
werüeu das bestiimut uicht, die daun andachksvojl
Vr, Stuude vor deui Splel der Welfen zu ver-
weileu veruiögeu, die sedesiual, weun sie uach Müu-
cheu komiueu, ihre Liebliuge aufsucheu uud iiuiuer
wieder ueue Schöuheiteu eukdeckeu.

Ciu Eutdeckeu ist das, ähnlich dem Eutdecken
seellscher Feinheiteu au seiueu Freunden, die man
erst uach öfkereiu Zusaiuiueusein „entdeckt", und
dieses Eutdecken bedeutet Reichtuiu, währeud das
Lturkeuueulerueu steks auf der Oberfläche schwlniineu
lüszt.

ES wäre eiu uueudlicher Schasz, weuu mau deu
AlLiischeu üie Fnhigkelt gLbeu,Ziöuute, Kuuftwerke
selbst zu kopiereu. Wie der A?aler vor der Nakur
erst so recht kief iu sie hiueiu zu schauen vermag

uud viel mehr sieht als der Wuuderer, so beim
Kopiereu eineS Kunstwerkes.

Veim Arbeiteu versteht mau erst die Absichteu
deS Meisters, mau erkeuuk au dem Nebeueiuauder
erst daS „Warum", mau erkenut bei dcr geriugsteu
groszzügigeu Abmeichuug das Gesehmäjzige, (viel-
leicht ist'S beim Meisker uubewuszteS, mehr künst-
lerisch richtigeS F ü h l e u). Das ift das, was eiuem
die Gröhe des Aieisters nahe briugt, dle Berehruug
uud auch die eigeue Kieiuheit.

Auch iu „techuischer Hiusicht", (verpöut) hat mau
Gewinu. hch bekam z. B. das grelle Leuchteu der
wolkeulosen HimmelSflecken uicht heraus. hch holke
reiue Farben, es leuchtete nicht so stark wie lm
Origiual, bis ich sah, dasz üie beuachbarten Greuzeu
der Wolkeu duukler schattiert wareu als die übrige
Wolkenmasse. Sofort trat das Leuchten eiu. Am
schwierigsten erschien mir das bewegte Wasser uuter
dem Verbiuduugsarm zwischen Nipe uud Fauu.
Trohdem die Zeichuuug der Welleu geuau war,
fehlte doch das eigeuartige Licht, das au elne Grokte
gemahut, das Spiel der Wclleu, die auS grausiger
Tiefe aufsteigeu. Erst das richtige Blau brachte die
Wirkuug. And so fortgesehk eiu Eutdecken, eiu
tieferes „Keuueuleruen des Freuudes".

Solche Zwlesprache erst läjzt eiu Kuustwerk durch-
driugen und aufuehmeu, biS mau zuletzt doch uoch
vor eiueiu Geheimuis steht, hiuter das mau auch
bei gewisseuhaftestem Bertiefeu uicht koiumeu knuu.
Origiual bleibt Origiual, eS lst uicht zu erseheu.

Es würüe zu weit fühceu, uoch eiugeheuder über
das Gemnlde selbst au dleser Stelle zu sprechen. Der
Zweck der Zeileu liegt auf eiuem Gebiete, das u u s
alle nugeht, sowohl die Berater, als die fest auf
eigeueu Füszeu Stehendeu, als die „Aatloseu". Leh-
tere iu Gäusefüjzcheu, da iä) mlr kaum deukeu kauu,
dasz es welche gibt. Für weu daun Berater?

Ilud uoch elns. Selbst die Moderusteu erkeuueu
BLckllus grosze, reife Kuust au. Warum einigeu sich
die Kuusterzieher nichk auf dieser Mittelliuie, die
die reiu impressiouistische „Nur-Naturkuust" ebeuso
ablehut wie die expressiouistische „Nur-2deenkuust".
Neue Sachlichkeit, als beseelte Nakur aufgefajzt,
würde uuserer llugeuü m. L. am meisteu gerecht
werdeu. Nicht gotisch — Nur-2dee uud nicht grie-
chisch — Nur-Natur, beides verbiuden: deuu wir
lebeu iu eiuer Zeik, da Asphalt, Elektrizität, Ma-
schiueu, Auto, Kiuo, Sport, die Meuscheu der Nakur
alS solche eutfreiudeu. Der Groszstadkiueusch licbt
weder Souue uoch Aegeu, weder Sturm noch die
„laugweilige" Stille des Waldes. Er klebt an der
Masse Mensch uud au auderu Geuüssen als der
Naturfreuud, der mit Dichteraugeu schaut uud ge-
uiejzt. Es ist eiue dringeuüe Notweudigkeit, dah der
Kuusterzieher der reiueu wisseuschaftlicheu Natur-
lehre eiue Ergäuzuug bieket, so die Aakur zu schaueu
wie Böckliu. ES ist so die gute deutsche Art, dasz
doch uach Revolutioueu der liebe Gott den Meuscheu
uichts mehr zu gebeu uud zu bieteu vermag, waS sie
erhebt, zur Audacht stimmt uud deu Küiistler zum
Schaffeu begeisterk.
 
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