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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Die jüngsten Erwerbungen der Nationalmuseen Frankreichs, [1]
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Die jüngsten Erwerbungen der Nationalmuseen Frankreichs.

Schlverpunkt mit neun Stückcn bei den erstercn liegt.
Hier sind es namentlich zwei Spiegel mit eingravirter
Zeichnung, dem 4. Jahrh. v. Chr. angehörig, die so-
wvhl dem Stil als der Erhaltung nach ein besonde-
res Jnteresse beanspruchen. Der eine, niit Jnschristen
und Spuren von Vergoldung nnd Versilberung, stellt
die Krvnnng des Genius von Korinth durch die Kolonie
von Leokadia dar, der zweite zeigt Aphrodite und Eros
mit einem herrlichen Bacchantenkopfe sn nppligua auf
der Riickseite. Ferner sei erwähnt eine archaische Hebe,
Wein aus einem Kruge schenkend, aus Albanien; der
Torso und mehrere Fragmente ciner Aphrodite, zu
Tarsos in Cilicicn gefunden, beide halblebensgroß; die
Statuette eines opfernden Jünglings (Hermes?) griechi-
scher Provenienz, etwa aus dem 5. Jahrhundert, und
eine Harpokratesstatnettc, im Tiber gefunden; endlich
zwei Erwerbungen aus dem Verkaus der Paravey'schen
Sammlung, eine geflügelte Nike (s. S. 70 der Knnst-
chrvnik, Jahrg. XIV) und eine Jsisstatuette, ähnlichen
späten Stitcharakters.

Auch bei den Terrakotten gelang es, die schon
vvrhandenen Schätze durch nene Spezimina der ver-
schiedenen griechischen Fabrikationsorte zu vervollstän-
digen. Vor allem ist hier eine bedeutende Folge von
Terrakotten, der Hauptbestandteil einer Ausgrabung
zu Tarent anzuführen, welche die Umwandlungen des
griechischen Stils vom 7. bis zum 3. Jahrhundert
v. Chr. in fast ununterbrochener Reihenfolge darstellt
und über die Einführung griechischer Kunst und Sitte
nach Jtalien die wertvollsten Ausschlüsse bietet. Unter
vielen Statuetten tegeischer, athenischer, tanagräischer,
böotischer, rhodischer und cyprischerProvenienz, von denen
wieder mehrere der Paravey'schen Auktion entstammen,
wären nur noch der Seltenbeit des Mvtivs wegen zu
erwähnen: eine korinthische Terrakotta — ein Held, bei
einem Festmahl gelagert — nnd die größere Statuette
einer mit der Ägis bekleideten, auf einem Throne sitzen-
den Göttin (Pallas?) hieratischen Stils, aus Süd-
italien, sowie als Curiosum ein mit Reliefdarstellungen
geschmückter Helm aus Terrakotta, mittelitalischen Ur-
sprungs.

Nicht minder glücklich sind die Erwerbnngen an
bemalten Vasen der Zahl und der Bedeutung nach.
Jn letzterer Beziehnng haben insbesondere die mit den
Künstlernamen bezeichneten Stücke ein besonderes Jn-
tereffe für die Wissenschaft. Es sind dies vor allem die
beiden als Meisterwerke des besten Stils der griechi-
schen Keramik anerkannten Schalen der ehemaligen
Sammlungen Paravey und Bammeville, die erstere
gezeichnet vom Maler Duris nnddemTöPfer Kallia-
des, Aurora darstellend, wie sie die Leiche Memnons
durch die Lüfte trägt; die letztere, vom Maler Brygos,
in einer großen dnrch Schönheit dcs Stils nnd Pathos

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der Bewegung ansgezeichneten Komposition den Unter-
gang Ler Familie des Priamos darstellend (s. S. 66
d. Kunstchronik, Jahrg. XIV). Eine dritte flache
Schale, von Chachrylion, stammt aus der Sammlung
Rayet; ein viertes Stück, eine Oinochoe mit schwarzen
Figuren auf rotem Grunde, trägt den Künstlernamen
Amasis, eine Patera mit Reliefs den Namen des
Töpfers Kanoleios. Unter den übrigen hierhergehöri-
gen Stücken wären noch zwei Lekythen mit polychromer
Zeichnung auf lichteni Grunde, von außergewöhnlicher
Größe nnd trefflichster Erhaltung, drei attische Vasen
der besten Epoche mit roten Figuren auf schwarzem
Grunde, deren Zeichnung, der Aphrodite- und Pallas-
mythe entnvmmen, sich durch größte Leichtigkeit und
Freiheit auszeichnet, sowie mehrere athenische, rhodische
und süditalienische Vasen primitiver Dekoration, vier
Votivtäfelchen mit Malereien und Jnschriften altkvrin-
thischen Stils und endlich zwei große Urnen aus Cer-
vetri mit etruskischen Jnschriften hervorzuheben.

Wir übergehen die orientalischen Altertümer,
als Jnschrifttafeln und Cylinder, geschnittene Steine
und andere Erzeugniffe der chaldäischen und assyrischen
Kunst, der frühesten arabischen Civilisation, sowie die
palästinensischen und phönizischen Denkmäler, erwähnen
auch untcr den Neuanschaffungen und Geschenken der
ägyptischen Abteilung, in der Zahl von 27Stücken,
nur das Unicum einer Statue des Stiers Mnevis in
Bronze, einer Statuette des Gottes Bes, sowie des
Papyrus aus dem Serapeum zu Memphis, einem Ber-
mächtnis aus der bekannten Manuskriptensammlung
von Ambr. Firmin Didot, um uns den Erwerbungen
der Abteilung der mittelalterlichen und modernen
Kunst zuzuwendeu.

Auch hier überwiegen der Zahl nach die Schen-
küugen (22) über die Neuanschaffungen (6), dafür
beanspruchen aber einige der letzteren eine ganz außer-
gewöhnliche Bedeutuug. Wir führen als solche ins-
besondere cin bemaltes Basrelief in Terrakotta an,
Maria und das Christuskind in Halbfigur darstellend,
der sienesischen Schule des 15. Jahrhuuderts angehörig,
serner ein Marmorrelief der Madonna mit dem Kinde
(Halbsigur) von delikatesterAusführung, mit dem Wappen
der Piccolomini, also wahrscheinlich für Papst Pius II.
und zwar dem Stilcharakter nach von einem der zahl-
reichen toskanischen Bildhauer ausgeführt, die bei den
Arbeiten im Vatikan und in St. Peter beschäftigt
waren; endlich die Büste eines jugendlichen Johannes
des Täufers, in der Art des Mino da Fiesole (wohl
aus dem Nachlasse Timbals?). Von sranzösischeu
Skulpturwerken sei nur eine Terrakottabüste erwähnt,
die nach der Totenmaske Mirabeau's von Houdon
ausgesührt wurde. Reicher, nämlich mit sieben Stücken,
sind diese nnter den Schenkungen vertreten: darunter
 
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