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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Vermischte Nachrichten.

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so steht eine wachscnde Teilnahme fremder Künstler zu er-
warten, was sehr zu wünschen wäre. Da das durch Ein-
richtung von Oberlicht verbesserte Lokal sich auch zur Aus-
stellung von Skulpturwerken günstig erweist, hat Professor
Donndorf seine, sehr zu ihrem Vorteil umgearbeitete, für
Karlsbad bestimmte Büfte Goethe's samt dem Entwurf des
Postaments und cine gelungene Porträtbüste des hiesigen
Verlagshändlers Spemann ausgestellt. Für große Gemälde
sind die Räume allerdings etwas eng und niedrig; da es aber
leider hier immer noch an einem würdigeren Äusstellungs-
saal gebricht, so muß man einstweilen züfrieden scin.

Der Maler Aranz Stirnbran- in Stultgart (s. Nekro-
log in Nr. 44) hatte testamentarisch der königl. Staatsgalerie
daselbst einige seiner Bilder nach deren Aüswahl zugedacht.
Jnsolgedessen ist das Bildnis des berühmten Schauspielers
Seidelmann, der sinnend an einem Tisch sitzt, ein kleines
Kniestück und ein Brustbild der Herzogin von Nassau, einer
geborenen Prinzessin von Württemberg, der Galerie einver-
leibt, Die übrigen von Stirnbrand hinterlassenen Bilder
sind teils an Verwandte seiner Frau vermacht, teils öffent-
lich versteigert worden.

Vcrmischte Nachrichten.

Aus Frankfurt wird der Köln. Zeitg. geschrieben: Seit
wir uns in der Baukunsl der „Wiedergeburt der Renaissance"
zu erfreuen haben, wird der künstlerischen Ausschmüüung
der Jnnenräume eine Sorgfalt gewidmet, wie man sich die-
selbe vor etwa zwei Jahrzehnten kaum hätte träumen lassen.
Unter andern danken diesem Streben die „Altdeutschen Wein-
und Bierstuben", die allerorts, allerdings auch ziemlich ver-
schiedener Güte, aus der Crde schießen, ihr Dasein. Ein
Kleinod dieser Art aber, wie es gegenwärtig hier errichtet
wird, dürfte wohl kaum im ganzen deutschen Reiche zu finden
sein. Allerdings ist sein Schöpfer kein geringerer als
Meister Wallot, der bekanntlich als Sieger aus der Preis-
bewerbung sür den Bau des Reichstagsgebäudes in Berlin
hervorgegangen ist, und da er in dem Bauherrn, der den
Neubau des alten, ursprünglich aus dem Jahre l b4L stammen-
den Wirtshauses „Zur Stadt Ulm" einen Auftraggeber ge-
funden hat, der den Plänen des erfindungsreichen Künstlers
keine zu enge Schranken gezogen, so konnte schon etwas
Außerordentliches zustande kommen. Die Stirnseite des
Hauses, in der Friedberger Gasse, ist mit Ausnahme des
reichen Erdgeschosses ziemlich einsach gehalten, macht aber
durch ihre schönen Verhältnisse und das gediegene Material,
hellgelbe Backsteine Md roter Sandstein, einen höchst erfreu-
lichen Eindruck. Überaus reich dagegen sind die beiden
Trinkstuben des Erdgeschosses und, wie ich schon sagte, wahre
Kleinode des altdeutschen Stils. Die Decken nnd etwa die
untere Hälfte der Wände sind in Holztäfelung ausgeführt,
die Decke des vorderen Zimmers ist eine Balkendecke, die des
hintern eine gebrochene Kuppel. Über der Täfelung des
Kuppelzimmers zieht sich ein schmaler Bilderfries, der mit
Darstellungen aus deutschen Märchen, Dornröschen, die
sieben Schwaben, das tapfere Schneiderlein u. s. w-, aus-
gefüllt wird. Abgeteilt ist dieser Fries durch kräftig heraus-
tretende Zwischenstücke, welche in erhabener Bildhauerarbeit
die Wappen der bedeutendsten biererzeugenden Städte, Mün-
chen, Pilsen, Wien, Erlangen, Koburg, Frankfurt u. s. w.,
zeigen. Diese Wappen sind wahre Meisterstücke der heraldi-
schen Darstellung, und über alles, über Thüren, Thürpfosten,
Säulen, Decken- und Balkenstützen und -Träger, Wappen-
nischen, Giebelaufsätze ist eine solche Fülle der reizendsten,
ursprünglichsten und abwechselungsvollsten Formen gebreitet,
daß das Auge sich nicht satt satt sehen kann und stets überall
an allen Eckchen und Käntchen etwas neues und über-
raschendes entdeckt. Dieser außerordentliche Reichtum der
Formen ist das Werk Wallots, der mit großer Liebe an der
Aussührung der Einzelheiten gearbeitet haben muß. Die
Malerei dagegen, der Märchensries, die stellenweise farbige
Behandlung des Holzwerks, das sich nicht allein mit einer
braunen Beize begnügte, und vor allem die Bemalung der
Wandflächen oberhalb der Täfelung rühren von dem hiesigen
Maler K. Grätz her, der Wände und Decken mit einer
Fülle von witzigen und launigen Zeichnungen überzog. Diese
lächerlichenRettige und Bretzeln.diese Mäuschen undSchwein-
chen, Affen und Kater, diäser Ehemann Pantoffelheld, der

nach der Pfeife seiner Ehehälfte tanzt, dicse rätselhaften Jn-
schriften, dieser Neichsadler, der in beiden Klauen ein
schäumendes Seidel hält, dann die großen Turniere der
Bierhelden gegen Kasfee und Wasser, gegen Affsn und Kater,
wer das olles ansehen kann, ohne dah etwas von der Lanne
und dem Witz in scine eigene Stimmung übergeht, der muß
schon ein rechter Griesgrain sein, der es gar nicht wert, daß
solche Kneiptempel errichtet werden, in denen es sich, wenn
deinnächst einmal die prächtigen Leuchter aus polirtem
Messing, die Riedinger in Augsburg ausgeführt hat, ihr
Licht in die bunten Butzenscheibchen der Fensler werfen, gar
wohlig und lustig kneipen lassen wird.

^ Nomanischcr Profanbau in Gclnhaiisc». Bezüglich
deS im vorigen Jahr von Herrn Konservator Bickell aus
Marburg in Gelnhausen entdcckten hochinteressanten romani-
schen Hauses, von welchem schon frühcr an dieser Stelle die
Rede war,*) entnehmen wir einem Vortrage, welchen der Ge-
nannte im Geschichtsverein zu Marburg hielt, das folgende.
Als Einleitung wies der Vortragende darauf hin, daß der
verhältnismäßig großen Zahl kirchlicher Bauten, die uns aus
der früheren Epoche des Mittelalters erhalten sind, nur
wenige Profanbauten gegenüber stehen. Erst das 12. Jahr-
hundert bietet hier erheblichere Überbleibsel, vor allem eine
Reihe kaiserlicher und fürstlichen Pfalzen, z. B. in Goslar,
Gelnhausen, Wimpfen, Eger, die Wartburg u. a. m. Die
Litteratur über die Profanbauten aber liegt, namentlich was
Monographien betrifft, bei nns Deutschen, im Gegensatz zu
den Engländern und Franzosen, noch sehr im Argen. Der
Vortragende schildert dann, wie er das in Rede stehende, am
Markte zu Gelnhausen besindliche Haus, welches von außen
ein Bau des 17. Jahrhunderts nahezu völlig verdeckte, auf-
gefunden habe. Jm Jnnern ist das alte Haus vollständig
erhalten. 13 in lang, 8,25 rn tief besteht es aus zwei über-
einander liegenden Sälen und einer vor dem untereii Saale
befindlichen Estrade. Die Stockhöhe des oberen Saales be-
läust sich auf 4, die des unteren auf 6 m. An den unteren
Saal hat östlich, wie einzelne bauliche Merkmale noch er-
kennen lassen, eine Kapelle gestoßen. Der obere Saal, welchen
Säulen mit abwechselnd runden und achteckigen Kapitälen
schmücken, war nur von außen zugänglich. Jm Hintergrund
befindet sich ein großer Kamin, dessen Rauchfang zerstört
ist. Der Saal zeigt neue schmale Fensteröffnungen; die
Ünverschließbarkeit derselben, sowie überhaupt die ganze Ein-
richtung des Baues zeigt, daß wir es nicht mit einem Wohn-
hause zu thun haben. Es fragt sich also, welchem Zweck das
Gebäude gedient habe. Herr Bickell besprach die etwa in
Frage kommenden Möglichkeiten (Synodalhaus, Sendgericht,
Schule, Zunfthaus), die er aber sämtlich zurückwies, um
darzuthun, daß wir in dem in Rede stehenden Hause aller
Wahrscheinlichkeit nach das alte Rathaus von Gelnhausen
vor uns haben, welches im Zusammenhange mit der Neu-
gründung von Gelnhausen und der Erteilung eigener Ge-
richtsbarkeit durch kaiserliches Privileg vom Jahre 1169
entstand. Hierfür spricht die ganze Einrichtirng: der obere
Saal chiente als Ratszimmer, im unteren hielten sich die
Parteien, die Stadtknechte u. s. w. auf. Auch die Estrade
ist gerade für ein Rathaus charakteristisch; von hier pflegte
man Ansprachen an das Volk zu halten; auch diente die
Estrade wohl dazu etwaige Angriffe gegen das Rathaus
abzuhalten. Ferner liegt das Haus ziemlich im Centrunr
der Stadt und dicht neben der damals erbauten Haupt-
kirche derselben. Es wäre dies dann das einzige uns aus
der romanischen Periode des Mittelalters er-
haltene Rathaus; das nächstälteste, das Dortmunder,
aus dem Ansange des 13. Jahrhunderts, zeigt bereits Über-
gangsformen. Die Restaurationsarbeiten sind alsbald in
Angrisf genommen worden. (Näh. s. im Anzeiger f. Kunde
d. deutschen Vorzeit 1881, Nr. 9, u. Mitteilungen des Vereins
f. hessische Geschichte und Landeskunde 1881, Hst. III u. IV.)
Es sei hier schließlich noch bemerkt, daß in neuerer Zeit auch
für Erhaltung der ehrwürdigen Überreste der alten Bar-
barossapfalz zü Gelnhausen in anerkennenswerter Weise Sorge
getragen wurde.

") Wenn von anderer Seitc bemerkt wnrde, die Entdeckung sei von Herrn
C. Becker in Gelnhansen gemacht, so ist dics dahi» zu berichtigeu, daß lctz-
t-rcr das Haus angckauft nnd sich damit allerdings um dic Konscrvirunq
desselben hoch vcrdient gemacht hat.
 
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