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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 5
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Söhle, Karl: "Historische Konzerte"
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0078

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regelrechten modernen Flügels. Bach selber hat die
Klangdürftigkeit der Jnstrnmente seiner Zeit als Mangel
empfunden; wir verdeutlichen seine Kunst nicht besser,
wenn wir künstelnd nachahmen, was ihn änßerlich
hinderte.

Hüten wir uns anch hier vor der Gefahr des
„Fexens", machen wir die historischen Konzerte nicht
zu musikgeschichtlichen Spielereien! Es gilt nicht, zu
zeigen, welcherlei Beschränkungen die alten Herren
durch die Enge ihrer Zeit ausgesetzt waren, es gilt

N u n d scb u u.

Dicbtung.

* Kcböne Litcratur.

Nartin Greifs gesaininelte tverke. Jn drei
Bänden. (Leipzig, C. F. Amelnngs Verlag, geb. Mk. ^5.)

Der erste Bnnd dieser würdig ausgestntteten Gesnmt-
ausgabe enthält die Gedichte, der zweite und der dritte
bringen die Dramen Greiss. Wir halten auch die letzteren
für kennenswerte Werke, stellen sie aber mit Greifs
lyrischen Gedichten nicht aus gleiche Stufe, denn als Dra-
matiker stehen neben Greif der „Gleichbürtigen" nicht so
wenige, als Lyriker aber hat er von den jetzt in Deutsch-
land schaffenden die kräftigste, die einzige an Genialität
heranreichende Begabung. Daß seine Selbstkritik nicht
stark ist und daß er in manchen Stücken auch nicht ganz
frei ist von Manier, es ändert an dieser Thatsache nichts,
denn eines Dichters Kraft erkennen wir ja immer nur
an seinem Besten. Von solchem Besten aber ist bei
Greif eine verhältnismäßig sehr große Summe zu finden;
er hat bei seiner außerordentlich starken lyrischen Produk-
tivität eine so große Zahl ganz auskrystallisierter lyrischer
Gebilde geschaffen, wie selbst von den Klassikern unserer
Lyrik durchaus nicht alle. A.

Loltascher Nufen-Alinanach für das Iahr
l8y7. Herausgegeben von Otto Braun. Mit 6 Kunst-
beilagen (Stuttgart, J.G. Cottasche Buchh. Nachs.).

Der Sammelband ist der buchgewordene Geschmack,
der Begriff genommen, wie ihn Bie neulich im Kunstwart
umschrieben hat- Papier, Druck, Bilder, Einband, es ist
alles tadellos geschmackvoll, und tadellos geschmackvoll ist
auch der Jnhalt, den der verdiente Otto Braun augen-
scheinlich mit größter Sorgfalt gewählt und angeordnet
hat. Unsere Leser verstehen, daß wir mit diefen Worten
nicht uneingeschränkt loben, — in der That befriedigt
uns die Behandlung sowohl der „Jungen" wie der „Altcn"
nicht völlig. Was, zunächst, die Jungen betrisft, so ver-
tritt ja auch der Kunstwart zum Zorne Vieler, was „Qui-
dam" schreibt:

Glaubt ihr, ich hasse, was neu ist? Jch biet ihm den
sreudigften Willkomm!

Siegreich himmelempor steige die künftige Kunst!

Aber gcsund muß es sein und den Keim des Lebendigen
tragen —

Zur Kaltwasseranstalt mit den hysterischen Herrn!

Aber sind denn alle unsere Jungen ungesund, sofern
ihre Sprache einen eigenen Ton gefunden hat? Was
Braun von ihnen zeigt, hat keinen eigenen Ton, ist

zu zeigen, was Ewiges in ihren Seelen leuchtete.
Es gilt ja anch sür unsere Tonknnst nicht, nachzu-
ahmen, wie die ältere Tonkunst sprach und sich
gebrdete. Es gilt , vor ihren M e i st e r werken,
nnr vor ihrcn Meisterwerken ihres Geistes und ihres
Herzens sich zu erfreuen, die vom besten Geiste und
vom besten Herzen unseres Volkes sind, und dadurch
das Beste in uns selber zu klären und zu entwickeln.

Ikarl Zöble.

Nachklang und Aushall früherer Poesie. Und die Alten
— 0 weh, wie vieles ist da, das wirklich u u r geschmack-
voll ist, ohne jeden „Keim des Lebendigen", lediglich „Ge-
wand der Helena" ohne Leib und Seele. Wir wünschten
den Cottaschen Almanachen etwas mehr Skepsis gegen-
über den älteren Herren, denen, scheint es, hier leichter
auf das gereimte Wort geglaubt wird, wenn sie nur im
ülteren Tone singen, und etwas mehr Wagemut gegen-
über deu Brauseköpfen, unter denen sich denn doch neben
den brutalen Schreiern und den hysterischen Säuslern
auch Leute finden, die mit heißem Bemühen nach ehrlichem
und deshalb eigenartigem Ausdruck eines ehrlichen, ge-
sunden und tüchtigen Jchs ringen. Oder sollen die schönen
Sammelbände nur einer nach Möglichkeit friedlichen höh-
eren llnterhaltung dienen? Wir denken, es wäre eine
ihrer schönsten Aufgaben, dem Verständnis für gutes Neues
den Weg zu bahnen. Doch ach, wir kommen nicht weiter:
Braun wird eben vom Alten wie vom Neuen anderes als
gut empfinden, als wir. A.

Zum Z e i t v e r t r e i b. Roman von Friedrich
Spielhagen. (Leipzig, L. Staackmann.)

Von den Dichtern, die wir jetzt als die Alten bezeich-
nen, mußte der Art und Richtung seines Talentes gemüß
Friedrich Spielhagen, der eigentliche Schöpfer des Berliner
Romans, derjenige sein, der am leichtesten den Uebergang
zur neuen Kunst finden konnte. Spielhagen ist denn auch
wiederholt für Hermann Sudermann, den erfolgreichsten
der neuen Poeten eingetreten, dazu bewogen wohl auch
durch eine gar nicht zu verkennende innere Verwandtschaft
mit dem Romanschriftsteller Sudermann, den man rccht
wohl von Spielhagen abstammen lassen könnte. Nun zeigt
sich in diesem neuen Roman Spielhagens sogar eine be-
stimmte Beeinflnssung durch den jüngeren Schriftsteller,
eine psychologische Erscheinung, wie sie in Kunst- und Li-
teraturgeschichte nicht selten hervortritt. Zwar, der Zu-
sammenhang mit dem srüheren Schaffen Spielhagens er-
scheint doch gewahrt, Gestalten wie die Aristokratin Klo-
tilde, die den Gymnasialprofessor und „Dichter" Albrecht
Winter zum Zeitvertreib in eine Liebelei verflicht und
dadurch zu Grunde richtet, wie dieser selbst, der im ganzen
eine problematische Natur ist, wie Klotildens Mann, der
brutale Streber Viktor, sind uns aus fast allen Romanen
des Dichters bekannt, neu sind aber die graue Stimmung
und die nüchterne Behandlung des Stoffes, die außer
dem gerade für Sudermann charakteristischen Streben nach
„Mondanität" („Feine-Weltfucht" könnte man das Streben

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