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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 21
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0336

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-

N u n d

Dicdtung.

* Hcböne Ltteratur.

Lrzählungen. Von C. H i r u n d o. Jutta. Der
Staatsanwalt. (Leipzig, Breitkopf L Härtel. Mk. 5.—.)

Um auch einmal der Neugierde zu dienen: C. Hirundo
ist nach Brümmers Lexikon das Pseudonym der Frau
Konstanze von Bomhard, und diese ist eine Schwester
Felix Dahns. Mich fesselte beim Aufschlagen des Buches
das Motto der ersten Erzählung, eine Stelle aus irgend
einem Werk Picos von Mirandola, des Humanisten:
„Mitten in die Welt bist du gestellt, damit du alles über-
schaust, was in ihr ist. Weder himmlisch noch irdisch,
weder sterblich noch unsterblich bist du geschaffen, damit
du als dein eigner, freier und selbstherrlicher Schöpfer
und Bildner dir die Form prägst, die du begehrst. Du
kannst zum stumpfen Tier entarten, du kannst dich zum
göttlichen Wesen hinausläutern kraft deines innern Wollens.
O herrliche Güte des himmlischen Vaters, o herrliche
Sendung des Menschen, dem es gegeben ist, zu gewinnen,
wonach er verlangt, und zu sein, was er begehrt! Die
Tiere bringen schon aus dem Mutterleib alles mit, was
sie besitzen sollen, die Himmlischen waren von Anfang an,
was sie in alle Ewigkeit bleiben werden, den Menschen
allein pslanzte der Vater die Keime eines allartigen
Wesens ein, und welche ein jeder zur Entwicklung bringen
werde, die werden in ihm aufblühen und Früchte tragen."
Wahrlich, sagte ich mir, es ist etwas um den Glauben
des alten Humanisten, unsere Zeit könnte ihn brauchen,
und vor allem unsere Literatur, die im Zeitalter des
Naturalismus nur das Tier Mensch gekannt hat und im
Zeitalter des Symbolismus sogar mit dem Phantom
Mensch auskommt. Die Versasserin hat das Motto nicht
umsonst auf ihre Erzählung gesetzt, es wird in dieser ge-
zeigt, wie ein Musiker, den man in Amerika zum Star
gemacht, durch den Einfluß seiner deutschen Heimat und
alter Liebe wieder ein echter Künstler wird. Das Haupt-
! licht fällt aus den Frauencharakter der Jutta, einer schlichten
und starken deutschen Natur. Jhr tritt in der zweiten
Erzählung ein nicht minder starker, aber krankhafter Cha-
rakter, eine Frau, die ihren Mann getötet hat, um ihn
vor dem Wahnsinn zu retten, zur Seite. Beide Erzäh-
lungen überragen das weibliche Mittelgut bedeutend, ob-
schon sie nicht freie Schöpfungen eines großen künstlerischen
Talents, sondern sicher zur Hälfte Willensprodukte sind.
Aber sie sind reis, selbständig und auch nicht ohne poetische
Anschauung. AdolfBartels.

Die A m a z o n e u s ch l a ch t. Von Maria Ianit-
schek. (Leipzig, Verlag Kreisende Ringe, Mk. 2.— , geb.
Mk. 3.-.)

Künstlerisch ist dies Buch das schwächste, was ich bis-
her von Maria Janitschek gelesen, aber seine Bedeutung
hat es doch: es rechnet mit der modernen Frauenbewe-
gung ab, d. h. mit der Frauenbewegung, wie sie in der
Regel „getrieben" wird, und daß das sehr notwendig
war, werden nicht bloß alle Männer, die sich bisher nicht
haben bange machen lassen, sondern auch alle Frauen zu-
geben, die begreisen, worum es sich in der zweifellos be-
rechtigten Bewegung eigentlich handelt. Die Frau eines
Malers, die sich ihrem Ätann völlig entfremdet hat, kommt
nach Berlin, um sich selbständig zu machen und nebenbei

s ck a u.

ihre Jdeale verkörpern zu Helfen, erkennt aber sehr bald,
daß sie eben nicht selbstündig sein kann, daß die ganze
Frauenbewegung zunächst nur aus wichtigthuender Klei-
nigkeitskrämerei in Verbindung mit großen Phrasen be-
steht, und kehrt zu ihrem Manne zurück. Weder sind die
Voraussetzungen des Ehekonflikts besonders sein entwickelt,
noch können die Berliner Bilder, die das Buch gibt, auf
besondere Anschaulichkeit und Eigenart Anspruch machen,
aber sie wollen das wohl auch nicht; der nüchterne, wenn
! man will, triviale Realismus thut da eben die besten
Dienste, wo es sich um eine „illustrierte Broschüre" sozu-
sagen handelt. Möge er denn seine Wirkung thun.

A. B.

Der Aaiser von Luropa. Von Bertha von
Suttner. Nach dem Englischen des F. A. Fawkes.
(Berlin, Verlag der Romanwelt.)

Das Verhältnis dieses deutschen Romans zu seinem
englischen Original ist ein ziemlich eigentümliches. Frau
von Suttner hat im Einverständnis mit dem Autor
Streichungen und Aenderungen vorgenommen, doch aber
das Buch nicht bearbeitet, sondern es nur, wie sie selbst
meint, „treu, vielleicht zu treu" übersetzt. So müßte der
Titel doch eigentlich wohl lauten: „Der Kaiser von
Europa. Von F. A. Fawkes. Uebersetzt von Bertha
von Suttner", aber der deutsche Verlag hielt es
natürlich sür vorteilhafter, den Namen der deutschen
Schriftstellerin groß auf dem Titelblatte zu haben. Der
Roman gehört seiner Art nach zu der in neuerer Zeit
mächtig angeschwollenen Literatur der Zukunftsphantasien,
doch malt er keinen künftigen Jdealstaat, sondern zeichnet
nur den Weg vor, auf dem der europäische Völkerfrieden
zu erreichen, der Moloch des Militarismus zu überwinden
wäre. Wenn ich verrate, daß ein simpler, wenig heroor-
ragender englischer Journalist, der aus den deutschen
Kaiser Einfluß gewinnt, das große Werk vollbringt, und
daß Deutschland die zuerst abrüstende Macht ist, so habe
ich von dem Jnhalt des Romans hinreichend gesagt. Doch
nein, die beste Jdee des Buches muß ich doch noch an-
geben: der Reformator Arthur Hardy, genannt Marma-
duke, kommt, wie alle Welt glaubt, bei einem Eisenbahn-
unglück um, und nun erst erhalten seine Jdeen die Weihe
und den vollen Sieg; in Wirklichkeit ist er aber am Leben
geblieben, will auch wieder hervortreten, erkennt aber
rechtzeitig, daß der Tote stürker als der Lebende ist, und
geht, wieder ein gewöhnlicher Journalist, nach Australien.
Jm übrigen ist der Kunstwert des Romans wenig be-
deutend, wie ja gewöhnlich bei solchen Werken, es fehlt
die künstlerische Gegenständlichkeit, alles, was den Roman
ausmachen soll, ist zu blaß, zu allgemein. Ueber den pro-
pagandischen Wert des Buches, der Frau von Suttner
natürlich die Veranlassung zur Uebersetzung gegeben hat,
will ich mir kein Urteil anmaßen, doch glaube ich, daß
die englischen Jdiotismen des Verfassers, die, trotzdem,
daß die Führerrolle Deutschland zugewiesen wird, stark
hervortreten, manchen deutschen Leser abstoßen werden,
mag er auch sonst der Friedensidee sympathisch gegenüber-
stehen. Adolf Bartels.

» Pcvrttten über Literatur.

Goethe am Ausgang des Iahrhunderts.
Von Franz Servaes. (Berlin, S- Fischer, Verlag.)

Es ist doch ein sehr gutes Zeichen, daß Goethe für
 
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