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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 12
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Dresdner, Albert: Der Regisseur
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0192

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gefällig all das wiederkäuen würden, was seit Jahr-
hunderten gesagt und wieder und wieder gesagt
worden ist, die den Schülern nicht Quellen eröffnen
könnten, die sie selbst nicht sehen und hören. Auf
absehbare Zeit hinaus würde eine solche Akademie,
wie ich fürchte, ein neuer Hochsitz des surchtbarsten
Feindes des echt künstlerischen Schaffens beim Theater
sein: der mechanischen Routine.

Die Erwähnnng der „Zünstigen" sührt mich zu
der einzigen Möglichkeit, die ich sür eine förderliche
Entwicklung der Angelegenheit sehe. Es gibt Zeiten,
in denen das stockig gewordene Btut des Theateror-
ganismus einer Auffrischung von außen bedarf, in
denen der kunstsinnige Dilettantismus zu einem hoch-
bedeutsamen Faktor wird. Auch die Männer, die
oben genannt wurden, Goethe, Jmmermann, Laube,
waren keine Fachleute vom Theater; sie trugen neue
Auffassungen mit sich, führten sie ins Reich der
Bühne ein und erzogen die Schausvieler zu ihnen.
Neue Auffassungen aber bilden sich auch gegenwärtig,
das Drama nimmt veränderte Formen an, der thea-
tralische Geschmack ist in schneller und entschiedener
Wandlung, und die theatralischen Fachleute sind auch
jetzt — wie nach ihrer ganzen Bildung nur natür-
lich — nicht imstande, die veränderten, zum Teil
sich noch verändernden Anschauungen innerlich und
tief zu erfassen. So ist wieder ein Moment sür das

N u n d

Dicdtung.

* Pcböne Literatur.

Der bunte Uogel von ^897. Ein Kalenderbuch von
Otto Julius Bierbaum. Mit vielen Zeichnungen
von Felix Valloton und E. R. Weiß. jBerlin,
Schuster und Loeffler, Mk. 6.—.)

Die Schl a ng endain e. Von Otto Julius Bier-
baum (ebenda).

Wenn Bierbauin nls Kunstschriftsteller, Redakteur oder
gar als Poet gnnz ernsten Angesichts einherschreitet, geht
es meist über meine schwachen Kräfte, ihm ganz ernsten
Angesichts zuzusehn. Auch die Aufsätze über Thoma, llhde,
Böcklin, Liliencron und Dehmel, so sich in diesem Kalen-
derbuche finden, kann ich beim besten Willen nur als sym-
pathische Ergüsse eines Enthusiasten ansehen, die erfreucn
und anregen, zur wirklichen Klürung der behandelten Fragen
aber nicht viel beitragen. Liest man gelegentliche Behaup-
tungen wie die, daß Bierbaumsche Feuilletons über die
genanntenMänner „Anteilnahme undVerstündnis erweckt"
hätten „in einer Zeit, da man diese großen Künstler noch
nicht mit vollem Ernste behandelt sehen wollte", so stimmt
diese Ausschneiderei auch nicht zu „vollem Ernste", wenn
man sich gleichzeitig auch nur einiger der Aufsätze erinnert,
die über Thoma, Uhde, Böcklin, Liliencron gedruckt worden
sind, ehe die Welt etlvas von Bierbaum wußte. Das Phan-
tasiestück „Pnn und die Geheimrätc" erquickt sicherlich man-

4-

Wirken des Dilettantismus gekommen. An Männern,
die geeignet sind zu wirken, wird es nicht sehlen;
z. B. Ernst von Wolzogen in München oder nach denO
was ich ersahre, Walter Harlan in Leipzig scheinen
Kunstbegeisterung und theatralisches Verstündnis in
glücklicher Weise zu vereinigen. Und sicherlich ist die
Zahl derer, die sich einer natürlichen Begabung sürs
Theater erfrenen, nicht gering. Also: gründet freie
Bühnen und dramatische Gesellschaften, gebt ihnen
kecke Ausgaben, wählt Euch aber nicht einen „er-
sahrenen Fachmann" zum Regisseur, sondern vereint
einen kleinen Kreis williger, durchschnittsbegabter An-
fänger um einen kunstverständigen Dilettanten-Regis-
seur. Sie mögen und sie werden dann selbst For-
men finden, um den Geist, die Empsindung, die
Stimmung, die sie erfüllt, theatralisch zum Ausdruck
zu bringen, Formen, die weniger bequem und abge-
schliffen als die der Bühne sein, aber die Frische und
Unmittelbarkeit des Lebens für sich haben werden.
Eine Art solcher „Freien Bühne" war es auch, mit
der Jmmermann in Düsseldors begann; durch rastlose
und hingebende Arbeit entwickelte er sie zu einem
künstlerisch bedeutenden und gesunden festen Unter-
nehmen. Das wäre etwa das Vorbild, auf das wir
im gegenwärtigen Augenblicke zu sehen hätten.

Albert Dresdner.

s cl) a u.

chen Mannes Herz, der zu den Verehrern der „Kunst-
geheimräte" nicht unbedingt gehört, aber es sührt irre,
denn es behandelt scheinbar den Streit um Bierbaums
Leitung des Pan-Unternehmens, wührend doch in Wahr-
heit die gewichtigeren Einwürfe gegen Bierbaum als Pan-
Redakteur gar nicht berührt werden. Man muß eben, will
man Bierbaums Kritisieren und Raisonnieren ohne Schaden
genießen, immer das Salzfaß zur Hand haben. Dann
freilich hat man auch wirklich etwas davon, denn hier
spricht einmal eine schriftstellerische Persönlichkeit, durchaus
einseitig und von Sympathien abhängig, aber lebendig bei
der gerade behandelten Sache, begeisterungsfähig, warm-
blütig und fröhlichen Mutes. Wir brauchen solche Leute
in unserer überseriösen Zeit; wir wollen uns nur davor
hüten, sie zu „Autoritäten" zu ernennen, deren Urteilen
wir blindlings folgen können. Sie verlangen das im Grund
ihres Herzens selber nicht, brauchens auch nicht zu ver-
langen, denn in künstlerischen Dingen ist ein anregender
Genoß weit mehr wert, als eine das eigene Empfinden
einengende „Autorität".

Das Bierbaumsche Kalenderbuch bedeutet einen sehr
gesunden Versuch, den die gescheite und frische Vorworts-
Plauderei aufs glücklichste rechtsertigt. Es will kein „Sonn-
tagsnachmittagsdurchblütterbuch" geben; „der innereGrund
der Kalenderform ist der Wunsch, nicht gar so feierlich und
doch als Kunst, meinetwegeu als Kleinkunst, genommen
 
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