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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 7
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Der Städtebau heut und ehedem
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0109

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Lrsles Aanuarbekt 1897.

über

DiMung, riWlcr. Mflk mi> ßili>mi>k Rünflk.


7. Den.


Derrulsgever:

zferdinand Nvenarius.

vierteljährlich 2^/s Mark.

10. Zakrg.

Der Ltädtebau beut uud ebedeiu.

!enken wir zwanzig Jahre zurück — wie viele
gab es damals schon, die unser modernes
Städtebauen nicht herrlich und heilig
sanden? Wohl brummten da nnd dort einige Künstler-
Sonderlinge Unzusriedenes in den Bart oder auch
in ein Buch hinein, aber in der größeren Oefsentlich-
keit war kaum davon zu hören. Man sang Hosi-
annah der Hygieine und Hosiannah dem Jngenieur
und war ganz sest davon überzeugt, daß sich aus
den guten Gaben dieser beiden Bahnbrecher des
Modernen ganz von selbst auch eine außerordentliche
Schönheit ergäbe. Oder waren unsere neuen
Straßen nicht viel breiter, gerader, gleichmäßiger,
also schöner, als die srüheren? Wo störten denn
bei den neuen Anlagen noch Ungleichmäßigkeiten, wo
guckten Häuser neugierig eines ums andere, wo ver-
hielten sie sich nicht wie Soldaten, stillgestanden in
promptester Richtung?

Eine der Thatsachen, die uris immer ivieder Mut
geben, wenn wir am guten Hossen verzweiseln wollen,
eine dieser Thatsachen ist auch die: gegen die ge-
bräuchliche Art unseres modernen Städtebauens
regt sich in immer weiteren Kreisen der Widerspruch.
Jn engeren murrte er ja, wie angedeutet, schon lange,
aber was echte Künstler unter den Architekten em-
psanden und aussprachen, das blieb eben „unter
ihnen"; beim Bauen redet der Bauherr mit drein,
der Bauherr ist „Publikum", und das „Publikum"

sah nicht einmal Fragen, so gewiß war es der allein
selig machenden Wahrheit. Zetzt ist das anders: man
ist nicht nur an den Prachtsassaden und Jmnations-
kunststücken der einzelnen Häuser auch im Publikum
vielen Orts irr geworden, man stutzt nachgerade auch
gegenüber der sürchterlichen Langweiligkeit unsrer
neuen Straßen. Sollte das Amerikanertum in dieser
Beziehung am Ende doch kein Jdeal sein? Man
weiß noch nicht recht, wie es steht, daß nber die
Frage gestellt iverden darf, dessen ivenigstens ist man
sich bewußt.

Heut wollen wir nur mit einigen Strichen üie
Stellung der Heere schildern, die sich in diesem Mein-
ungskampse belagern. Noch gibt es zwischen ihnen
nur Scharmützel oder Zweikämpfe führende Helden;
hoffen wir aus eine baldige entscheidende Schlacht.

Wir wollen zunächst einmal den Plan einer
neuen mit dem einer alten Stadt vergleichen.

Der Plan einer neuen, einer modernen Stadt
geht fast immer vom Blocksiffteme aus: sein Jdeal
scheint, den Baugrund durch zwei senkrecht sich schnei-
dende Systeme von schnurgeraden parallelen Straßen
in so und so viel Rechtecke, Blocks, mathematisch
genau zu reilen, wie das z. B. im glücklichen Mann-
heim so ziemlich durchgeführt ist. Vielleicht werden
noch Diagonalen gezvgen oder konzentrische Kreise
als Ringstraßen gelegt, da das gleichsalls sehr schön
papierene Fächersystem von Karlsruhe keinen rechten

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