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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 12
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Sprechsaal
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0199

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ungen anhalten, sinden es empörend, wenn im Zeichnen
einige wenige Elementarlinien und Figuren vorgenommen
werden. Sind sie dort schon längst übcrzeugt, daß das
Einüben kleiner Musikstücke wertlos ist, so fordern sie im
Zeichnen um so dringlicher solche „interessantere" Ueb-
ungen. Das „talentvolle" Kind erhält deshalb Privat-
unterricht, in welchem ihm ein Gefügiger, je nach dem
Wunsche der Eltern, Pferde, Landschasten und andere Bild-
chen kopieren heißt und die hartnäckig wiederkehrenden
Zeichenfehler eigenhändig ausbessert. Daß man dabei
weder das Landschafts-noch das Pferdezeichnen lernt, wie
der Erfolg zeigt, ist gleichgültig. Man tröstet sich damit,
daß „Mangel an Uebung" leider die Schuld trage. Dem
privatim verweichlichten Gaumen des Kindes schmeckt die
kräftige Kost der Schule nicht, und so lernt es auch hier
nichts. Das Vorurteil von der Wertlosigkeit des Zeichen-
unterrichts steigert sich dabei umsomehr, als leider, leider
ein großer Teil der besseren Bildungskreise und unsere
ganze Gelehrtenwelt ihn nur am Gymnasium in einem
krüppelhaften Scheinleben kennen lernen konnte, wo ihm
durch Beschränkungen jeder Art die sreie Entwickelung nn-
möglich gemacht war! Selbst die beste Methode wird
hieran nichts bessern. Das genannte Publikum kann in

unserer Zeit sich nicht in solche Spezialfragen einlassen
und achtet höchstens einmal nuf die Stimme eines für
sachverständig Geltenden. Diesem vertraut man, da man
sich auf ein Quellenstudium nicht einlassen kann, gibt ihm
überhaupt recht, wenn er nur scharf tadelt und glaubt an
seineBesserungsvorschläge, besonders dann, wenn er sie, wie
Herr Lange, mit wissenschaftlich klingenden Wendungen
ausspricht. Meine Methode, die Arbeit eines dem deut-
schen Volke ja auch als Künstler nicht unbekannt geblie-
benen Mannes, der sein ganzes Leben dem liebevollen
Studium der K i n d e s seele gewidmet hat, entstand auf
dem Nährboden einer nahezu vierzigjährigen Praxis. Sie
ist, nainentlich seit dem Erscheinen meines Lehrbuches, von
einer großen Schaar von Fachmännern, Künstlern und
Pädagogcn der verschiedensten Nationen anerkannt worden
und aus die ganze Fachliteratur von wesentlichem Einfluß
geblieben. Wünscht Herr Lange, sie aus der Welt zu
schaffen, so empsehle ich ihm, sie zunächst ein wenig gründ-
licher kennen zu lernen, nach ihrer Theorie wie nach ihren
thatsüchlichen Leistungen und Erfolgen im Unterricht.

Alles Eingehendere gehört in die besonderen Fach-
blätter. Fedor Flinzer.

Lose Mätter.

Allerlei zur

Llur Zubrbundcrtteier Ikaiscr Mildclms I. häuft
sich um uns eine große Festliteratur. Wir haben viel
darin geblattert und manches bessere zwischen schlechtem
gesehen, eines aber haben wir vergeblich gesucht: ein
Werk, das der Liebe und Verehrung für unsern alten
Kaiser warmherzigen und innigen Ausdruck gäbe, ohne
die menschlichen Schwüchen, die c r wie jeder Mensch
hatte, zu vertuschen. Da steht nun links die Partei
des Widerspruchs, die nichts Gutes an diesem Toten
anerkennt, rechts aber die Partei, die ihn mit begeisterter
Geschichtsfülschung zu einem Halbgotte macht,- der in
allem herrlich war. Sie gibt eine Malerei, jenen
italienischen Marktveduten gleich, die durch ungeheuerliche
Übertreibung mit llltramarin, Violett und Karmin die
Schönheit überschönen wollen und somit — Karikaturen
gebcn. Hat denn kein einziger die Krast, auch uns ein
Bild Wilhelms des Ersten zu zeichnen, wie wir ihn
liebten, — des Al e n s ch e n mit allen den Vorzügcn
aber auch den Schwächen und Fehlern, die im Bilde den
Schatten neben das Licht stellen, ohne den kein Menschen-
bild rund und wahr ist, des Herrschers, der seinen
Beruf so heilig auffaßte, daß er sich von dem größeren
Geiste bescheiden und dankbar führen ließ? Wenn einer
mit dem Finger auf dem Mund an den Menschlichkeiten
eines verehrten Mannes vorbeischleicht — sind wir denn
wirklich schon so weit, zu meinen, dann ehrte er ihn
mehr, als wenn er festen Worts sagte: gewitz, dort
menschelte es bei ihm, — was aber bedeutet das gegen
all sein Liebenswertes? Ach, Byzanz rückt uns jedes
Jahr nüher!

Linc grcssc Ilxricger-Gedenkballe soll in Berlin
errichtet werden, ein Bau, dessen eigentlichen Jnhalt
ungesähr hundertundfünfzigtausend Namen zu bilden
hätten, die auf Erztafeln eingegraben ständen. Dem
Reichstage haben wirs zu dankcn, daß aus dem National-

R ü ck s ch a u.

denkmal sür Kaiser Wilhelm den Ersten nichts künstlerisch
würdiges geworden ist, wird dcr Reichstag dafür sorgen
können, datz die Ausgabe einer solchen Gedenkhalle künst-
lerisch bewültigt wird? Wir können uns nicht helfen,
wir sehen dem Werk mit starken Beklemmungen entgegen.
Grab ich einen, grab ich einige Namen in Erz oder Stein,
so ehre ich durch die auszeichnende Seltenheit des Vor-
gangs, grab ich ^50,000 ein, so ist das, als vergoldete
ich jedes Wort in einem Buch, hoffend, ein jedes dadurch
auszuzcichnen. Wer sehen will, wie architektonische Riesen-
Verlustlisten wirken, kanns in der Halle um die Berliner
Jnvalidensäule thun. Jmmerhin soll die Möglichkeit,
datz ein g en i a ler Architekt die Sachc künstlerisch gestalte,
deshalb nicht bestritten werden, weil wir uns nicht vor-
stellen können, wie. Hoffen wir also, hoffen wir —
umsomehr, als alle Warnungen ja doch nichts nützen
würden.

Illcbcr Inscbrittcn an öttcntticbcn Gebänden nnb
Denkinälcrn sagt Hinckeldeyn im „Zentralblatt der
Bauverwaltung" sehr richtig: „So wenig es unterlasscn
werden sollte, an einem öffentlichen Gebäude durch
Wappen und heraldische Zier das Hoheitszeichen des
Staates oder der Gemeinde, denen es angehört, anzu-
bringen, ebenso wenig sollte versäumt werden, die Be-
stimmung eines solchen Gebäudes von autzen jedermann
erkennbar durch eine Jnschrift zum Ausdruck zu bringen.
Derartige Jnschriften sollten bei Bauten, dic lediglich
Verwaltungs- oder Nützlichkcitszwecken dienen, dcn Namen
der Behörde oder ihre Bestimmung und die Zeit der Er-
bauung in monumentaler Weise bezeichnen. Wo es sich
aber um Bauten höheren Ranges handelt, die zur Erfüll-
ung idealer Aufgabcn oder zur Repräsentation des
Staates oder der Gemeinde bestimmt sind, wäre cs
immer erwünscht, datz ihre Jnschrift einen zum Gemüte
des Volkes sprechenden Jnhalt erhält, und zwar des
 
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