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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 18
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Rundschau
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0295

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tenswerter und willkoinmener Protest der Provinz gegen
die Zentralisation, der Stammesart gegen die llnisorm
des Deutschtnms gegen den Jnternationalismus!

Leonhard Lier.

lv e st l i ch! Von H Otto Zardetti, Titular-
Erzbischof von Mozissus. Mit ^2 Vollbildern in Licht-
druck. (Mainz, Franz Kirchheim, Mk. 10.)

Der Verfasser, üer während mehr denn vierzehn
Jahren Professor, Generalvikar und Bischof in den Ver-
einigten Staaten war, hat während seiner lehramtlichen
Thätigkeit die größeren Ferien regelmüßig benutzt, „das
Land seiner Adoption in seiner ganzen Größe und Aus-
dehnung inöglichst kennen zu lernen", und nun bietet er
das Ergebnis der größten dieser Reisen mil dem vor-
liegenden Tagebuche. Mir ist es von se ein besonderer
Genuß gewesen, einem Mann von hoher aber der meinigen
ganz ungleichartiger Bildung zuzuhören, der infolge dessen
auch mit ganz anderen Voraussetzungen denkt, als ich
- wer das Lehrreiche solcher Unterhaltung erkannt hat,
wird auch diesem strengen Katholiken mit Nutzen solgen.
Gute Reiseschilderungen gerade aus dem Westen Nord-
amerikas sind zudem keineswegs so häufig, daß wir das
Lesebedürfnis in dieser Beziehung aus der sozusagen
„konsessionslosen" Literatur allein bestreiten könnten,
wenn wir engherzig genug wären, es zu w o l l e n.

Uurch A r in e u i e u , Rurdi st a n u n d M e s o-
p a t a in i e n. Von l)r. P. Müller - Si m o n i s.
Autorisierte Übersetzung aus denr Französischen. Mit
t Heliogravüre, o Lichtdrucken, ^o^ Textillustrationen und
Karte. lMainz, Franz 5lirchheiml.

Dieses Werk faßt die Ergebnisse einer wissenschaftlichen
Reise zusammen, die Müller-Simonis in Begleitung von
Pros. tz. Hpvernat vom Kaukasus bis zum persischen
Meerbusen gemacht hat, um auf Fragen der Völkerkunde,
der Geographie, der Altertumskunde, der Kulturgeschichte
Aufklärungen zu suchen. Da wurde m Ruhe gereist und
in Ruhe verweilt, beobachtet, niedergeschrieben und last
not least photographiert und gezeichnet. So ist das Werk
sehr reich an Material geworden; Gelehrte verschiedener
Beruse werden darin dieses und das sür ihre Sonder-
interessen finden. Was aber wir Deutsche unter einem
wissenschaftlichen Buche verstehen, ist es durchaus nicht;
es liest sich dafür zu gut und leicht; wer einfach eine
hübsche Schilderung von Land und Leuten sucht, wird
sich auch nicht enttäuscht finden, wenn er nicht gerade
auf die beliebten „geistreichen" Feuilletons unserer Reise-
„Plauderer" ausgeht. Jn diesen Zeiten der armenischen
Greuel ist die Teilnahme für das Gebiet der Müller-
Simonisschen Reise so wach, daß man für die oft recht
überraschenden Aufklärungen des Verfassers doppelt
dnnkbar sein wird. Sein katholischer Standpunkt wird
keinen Vorurteilslosen stören.

Lose Wlätter.

Allerlei zum

StÄüts-Deutscl). „Die auf Frankreichs Schlacht-
seldern mit Str ömen von Heldenblut bes i e g elte Wasfen-
brüderschaft der deutschen Heere ward der Eckstein des
neuen Reiches, des die Fürsten und Völker Deutschlands
unauflöslich umschließenden Bandes." So steht zu lesen
iu dem kaiserlichen Aufruse an das tzeer, der die deutsche
Kokarde betrifft. Welcher Geheimrat stilisiert eigentlich
bei uns die kaiserlichen Erlasse? Wäre ich sein Chef, ich
ließe ihm Nachhilfestunden geben.

1ÜeeI)ts--DeutscI). „Es kann der von dem Verfasser
eines dem Gebiete sreier dichterischer Erfindung ange-
hörenden Werkes -- nur literarische Erzeugnisse dieser
Gattung brauchen hier nach der Gestaltung des zu ent-
scheidenden Falles in den Kreis der Betrachtung gezogen
zu werden — sich gestellte Vorwurs, im Rahmen seines
Werkes unter anderen auch Denken und Thun geistig und
sittlich herabgekommener, oder niedrig, kleinlich gesinnter,
oder von wilden Leidenschasten beherrschter oder mit
einem sonstigen seelischen Mangel behafteter Menschen zu
schildern, es fordern oder doch mindestens erklären, soll
nicht die Schilderung eines solchen Menschen psychologisch
unwahr und verfehlt, nicht eine echt künstlerisch-literarische
Schöpfung, sondern nur ein offenbares und wertloses
Zerrbild sein, daß jenen Personen von dem Dichter an
sich strafwürdige Aeußerungen beigelegt werden." Dieser
Satz blüht in dem Reichsgerichts-Erkenntnis vom
25. März d. I. gegen Edgar Steiger in einem ganzen
Strauße annähernd ebenso lieblicher Sprachblumenge-
schwister.

Oacb den Miesbadener Festen schrieb der
„Kladderadatsch": Bei dem letzten Kaiserbesuch in Wies-
baden ist die Oper „Aida" in strengster egyptischer Stili-

R ü ck b l i ck.

sierung zur Aufführung gekommen; sogar die im zweiten
Rang aufgestellten Fanfarenbläser, die den Eintritt des
Kaisers zu signalisieren hatten, erschienen in egyptischer
Tracht. Könnte der Jntendant von Hülsen Herrn Zosef
Lauff nicht anregen, daß er sich für nüchstes Jahr zur
Anfertigung eines in Byzanz spielenden Stückes begeistert?
Wenn dann außer den Fanfarenbläsern auch die Hof-
gesellschaft und das Publikum in bpzantinischer Tracht
erscheinen, so werden Bühne und Haus einen Anblick ge-
wühren, der in seiner künstlerisch abgestimmten Einheit-
lichkeit höchst ersreulich wirkt.

Nus einem Lescbucbe ist Adalbert von Chamissos
„alte Waschfrau" ausgewiesen worden, weil der indezente
Verfasser ihr nachsagen konnte, nicht nur: „sie hat den
kranken Mann gepslegt", nein sogar: „sie hat drei Kinder
ihm geboren". „Was werden die prüden Seelen vom
grünen Tisch nicht noch alles ausdenken", fragt dazu
ein Blatt, „um die ernstesten Angelegenheiten vollends
in das Gebiet geheimnisvoller Lüsternheit zu bannen?"
Wir denken, sie iverden künftig auch in den Geschichts-
büchern für Schüler die Könige und Kaiser nicht mehr so
unanständig „geboren" werden lassen, sondern z. B.
schreiben: „Friedrich der Große, König von Preußen, vom
Klapperstorche gebracht am 2^. Januar 1712".

Gegeu dle Pauktmur dcr Tageskrtttkeu schreibt
Schlaikjer in der Naumannschen „Zeit". Bei der Gattung
der bloßenMacher und Schwindler in der Kunst, die leider
die Mehrheit bildet, hört ihm hier jede ästhetische Ver-
pslichtung aus, weil man einem einfachen Geschäfts-
manöver gegenübersteht. „Es kommt nicht mehr darauf
an, zu kritisieren, nur noch zu kennzeichnen. Nichts
wäre diesen Leuten lieber als eine lange, gelehrt moti-



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