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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 19
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Avenarius, Ferdinand: Schriftsteller-Kammern
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0301

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Lrsres Aulidett lS97.

über

Dikhtung, Tticnlcr. Anßt mi> hili>cni»c Nnnflc.



19. Dekt.


Derausgeber:

Ferdinand Nvenarius.

OierteljährÜch 2^/e Mark.

10. Zadrg.

Sef)riktsteller--Nammern.

eincr dcr letzten Wochen war wieder einmal
dentscher Schriststellertag. Wir wollen thun,
was anch diesinal immerhin nicht leicht ist:
wir wollen der Versuchnng widerstehn, das Tagen
der in Leipzig versammelten Herren von der scherz-
haften Seite zu betrachten. War diese srüher zumeisl
die einz^ge an Schriftstellerkongressen, die ausgicbig
war, so braucht man das vom letzten ja, Gott-
lob, nicht zu sagen: er hat sich bemüht, auch ernst-
hastere Dinge von allgemeinerer Wichtigkeit heran-
Zuziehen. Schade nur, datz dabci vorläusig nichl viel
herauskommen kann. Warum nichl? Weil unsre
Schrislstellertage und Tchriststelleroerbände so gut wie
keiner Autoritüt genießen. Ein hochmögender Bürger-
meister oder auch eine staatliche Exzellenz sagt ihnen
ein paar verbindliche Worte zum Gutentag, damit
nachher in den Zeitungen nicht mehr als üblich rai-
sonniert, vielmehr gegen solch Billiges ein begeistertes
Lob sür diese Obrigkeit slüssig werde, welche die
Ritter vom Geiste so nett zu schätzen wisse usw.; die
zuständigen Stadtverordneten spendieren auf Stadt-
kostcn etwas, wovon sie nachher mitnaschen'; gute
Leute lassen sichs am Abcnd ein paar bengalische
Flammen kosten, um gleich mal zu sehen, wie sich ihre
Villa illuminiert macht — dann geht man aus-
einander, und alles üleibt hübsch wie es war. Wo-
von haben die Herren gesprochen? „Du lieber Gott",
antwortet mir Herr Stadtverordneter Fleischermeister

Schäfer, „in der Hauptsache davon, wie sie mehr Geld
verdienen könncn, denn das steckt wohl hinter den
Urheberrechts-, Berlegerkontrakts- und den meisten
sonstigen ihrer Debatten, wovon unsereiner nichts ver-
steht. Recht so, in unseren Zeitläusen muß man sich
zusammenthun, sonst kommt man herunter, — wir
Fleischermeister wissen das längst!" llnd wer war
aus dem Tag? „Na, doch auch ganz solide Männer,
die jährlich rhr Gewisses haben. Freilich auch zwei-
felhaste, aber bei uns Fleischern kommen ja auch
komische Leute, wenn sie nur zahlen." Jch bin mit
Herrn Schäser ganz einer Ansicht, aber ich meine
doch, ein Schriststellertag könnte auch anders aussehen.

Die Rede von den „Vertretern der öffentlichen
Meinung" ist so viet mißbraucht worden, daß man
kaum noch darüber nachdenkt, was sie eigenrlich sagen
soll. Man erlaube mir einmal zunächst das Jdeal
zu zeichnen, das ja von unserer häßlichen Wirklichkeit
sehr weit ab liegt, ehe wir nachsehen, wie weit sich
diese Wirklichkeit doch melleicht ihm annähern lasse.
Da liegen die Dinge so: in der Presse kommen die
Gedanken, Gesühle, Wünsche des Volks zu öffent-
licher Rede und öffentlichem Gehör, so weit sie öffent-
liche Angelegenheiten betreffen. Nun gibt es eine
Menge von politischen, wirtschastlichen und sonstigen
> Meinungs- und Jnteressengruppen, aus deren Mit-
und Gegeneinanderwirken die Bewegung der Zeit her-
vorgeht: ihr Ausdruck ist die Gliederung der Presse

:si -
 
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