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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 12
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Dresdner, Albert: Der Regisseur
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0189

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12. Dekt.


Derrn'.sgebcr:

Ferdinand NvenarLus.

Vierleljährlicb Mark.

10. Zribrg.

Der Ikegisseur.

^ars man den Zeitungsberichten und Thcater-
kritiken Glauben schenken, so besindet sich
die Kunst der Regie in Deutschland gegen-
wärtig auf einer großen Hohe. Ueberall lesen
wir von stimmungsvollen und feinsinnigen Aus-
sührungen. Daß dem nicht so ist, lehren jeden, der
die Theatervorstellungen unter höheren Gesichtspunkten
als die Tageskritik beurteilt, seinc Erfahrungen.
Denn die Aussührungen leiden bei uns durchgängig
an einem von drei Mängeln: an Stillosigkeit, inso-
fern sie innerlich Unverträgliches nebeneinander stehen
lassen; an Kleinlichkeit der Mittel, durch die man
Stimmung hervorzurufen versucht; oder an geistiger
Plattheit, die den starken und brausenden Gehalt des
Kunstwerks verdünnt und dem werten Publikum genehm
macht. Es mag dem den Theaterverhältnissen ferner
Stehenden übertrieben klingen, aber es steht nach
meinen Ersahrungen und Kenntnissen in der That
so, daß auch an unseren größten und künstlerisch be-
deutsamsten Bühnen die Regie keineswegs in tiesem
und großem Geiste geübt, daß überall mit demselben
schalen Wasser gekocht wird. Die Regisseure, die als
die besten gelten und kritiklos als Autoritäten be-
wundert werden — denn je geistesfreier sich unsere
Zeit dünkt, um so autoritätswütiger ist sie —, sind
die, die das Aeußere der Vorstellungen am besten zu
behandeln wissen. Sie verstehen interessante Dekora-
tion zu machen, Möbel, Kleider und Waffen „stil-

echt" und glänzend zu besorgen, vielleicht auch eine
gewisse Schönheit in Formen und Farben in das
Bühnenbild zu bringen. Daß sreilich auch in dieser
Hinsicht echt schöpserischer Geist sehlt, beweist allein
schon die sast erstaunliche Thatsache, daß noch von
keiner Seite versucht worden ist, unsere jüngste, in
dekorativer Beziehung so glänzend begabte Kunst in
den Dienst des Theaters zu stellen. Man wandelt
vielmehr in den alten Gleisen der Meiningerei, die,
wie alle Einsichtigen längst erkannt haben, sür unser
Theater in seiner gegenwärtigen Entwicklung tote
Gleise sind; und es stammt zu einem großen Teile
hieraus die starke Zurückdrängung des Schauspiele-
rischen, des Wortes, hinter das Aeußere, Dekorative,
die eine dringende Gesahr für unsere Bühne bedeutet.
Doch immerhin mag zugegeben werden, daß auf dem
Gebiete der äußeren Gestaltung und Ausstattung des
Bühnemverks manche Fortschritte gemacht worden
sind. Der Hauptmangel der Regie liegt darin, daß
es an der geistigen Verarbeitung des Kunstwerks
fehlt. Es ist in einem früheren Aufsatze (Kunstwart
IX, auf die Notwendigkeit hingewiesen worden,
daß der Regisseur mit dem tiefsten Verständnisse in
das Drama eindringe und es auf diesem Grunde
einheitlich, mit voller gestaltender Kraft nach- und
neuschaffe. Wie weit die Regie bei uns von dieser
Leistung entsernt ist, zeigt sich ebenso im einzelnen
wie im ganzen. Es sei zuerst ein Einzelbeispiel

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