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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 16
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Schwindrazheim, Oskar: Der Gedanke einer deutschen Volkskunst, [2]
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0256

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mcht. Dilettantismus der Städter und Bauerukunst
könnten sich eins durchs andere ergänzen zu einer das
ganze Volk durchziehenden srischen, am Selbstschafsen
Gefallen findenden allgemeinen Hauskunst, die ein
tressliches Gegengewicht gegen das Berufskunstgewerbe
bilden würde. Die Bestrebungeu sür Ausbreitung
des Handfertigkeitsunterrichts, sowie die sür eine
bessere künstlerische Erziehung unserer deutschen Jugend
auf Grund des Konrad Langeschen Werkes, unter-
stützen die Entwicklung ja auss beste.

So sehen wir auf kunstgewerblichem Gebiete eine
ganze Reihe von Bestrebungen, die, ausgesprochen
oder nicht, dem Gedanken einer deutschen Volkskunst
entsprechen. Jn der bildenden Kunst selbst steht es
m. E. ebenso — darüber Zusammenstellungell zu
machen, wird wohl einmal die lohnende Aufgabe
für einen hier besser Bewanderten.

Aber auch aus anderen Gebieten noch sehen wir
den Gedanken thätig, eine größere Volkstümlichkeit
unserer geistigen Errungenschaften und Bestrebungen
anzubahnen, sowohl in dem Sinne, in ihnen mehr aus
der Volksseele zu fußen, als auch in dem, sie weiteren
Kreisen unseres Volkes zugänglich zu rnachen. Jch
erinnere nur an die Bestrebungen des Vereins für
Volksbildung, der Arbeiterbildungsvereine, der Volks-
unterhaltungsabende, der neuerdings geplanten Volks-
hochschulen, des Ausschusses für Wohlfahrtspslege aus
dem Lande. Ia, gleich als empörte sich überall das

Nntiollalgesühl gegen seine llnterdrückung durch die
bisher als Errungenschast gepriesene Jnternationalität
der Kultur — es regt sich auch in anderen Ländern
derselbe Gednnke, aus dem Gebiete der Kunst, wie auf
anderen. Aus Engtand, Amerika, Skandinavien,
Rußlnild kommt uns Kunde von dnhingehenden Be- >
strebungen, Vorarbeiten und Ersolgen. Walter Cranes,
des berühmten englischen Meisters Buch: „Rlls olaims
ok cksoorativs art", das auch in deutscher Uebersetzung
zu uns gekommen ist, ist ein solches Anzeichen der
auch in andern Ländern sich vorbereitenden Umwäl-
zung. Mit Ausnahme einiger weniger, nur für eng-
lische Verhältnisse zutresfender Stellen, spricht Crane
vollständig im Sinne des Gedankens auch einer
deutschen Volkskunst. Was er über die Bauernkunst, über
nationale Volkstümlichkeit der gesamten Kunst, über
die Wertschätzung des Kunstgewerbes, über Natur-
studium, über den Wert der Farbe und der Form,
über „Geschäst" und Kunst u. s. f. sagt, paßt
vollkommen auch für Deutschland, und so ist das Buch
ein sehr schätzenswertes Kampsmittel in unserem Sinne.

Täuschen wir uns, was Deutschland anbetrisft,
nicht in den Vorzeichen, so ist der Gedanke einer
deutschen Volkskunst aus gutem Wege — täuschen
wir uns, auch was das Ausland anbetrifft, nicht,
so ist er erst recht aus gutem Wege, denn dann ist
der Volkskunstgedanke ein naturnotwendig gewordener
Weltgedanke! Gskar ^cbwindrazbLim.

üv ltnds cl) A u.

Dic!)tun^.

» Zobann Seorg Fiseber, unser lieber alter Poet
mit dem warmen Herzen, nun ist er doch ins Elysium
gegangen — möge ihn dort um seiner Ahne Haus „am
Hag die Sonne lagern den langen Tag!" Warum er
uns hier unten so werü gewesen, wir haben's an dieser
Stelle mehr als einmal gesagt, zuletzt noch zu seinem
achtzigsten Geburtstage. Ein „Großer" war er ja wohl
nicht, aber ein „Echter" war er ganz und gar und
deshalb ein sehr viel größerer, als hunderte, die wir als
groß preisen hören. Die stille „Frendigkeit in Gott", das
innige Genießen des Schönen, Reinen, Hohen im Menschen-
herzen und im -Naturleben hat mit Fischer einen der
liebenswertesten Priester verloren.

* HcbönL TttLratur.

S o n n e u w a n d e r e r. Von Karl Hauptmann.
(Berlin, S. Fischer, Verlag.)

Neun Stimmungsbilder in Prosa, die sich mehr oder
minder der Form der Novelle nähern, aber doch Stim-
mungsbilder bleiben. Jhr eigentlicher Gehalt: Reflexe einer
bis zur Überreiztheit seinfühligen, durchaus vornehmen
und warmherzigen Künstlerpersönlichkeit von ungewöhnlich
hoher moderner Bildung. Das subjektive Element über-
wiegt das objektive weit; man darf von diesein Buche

noch in anderem Sinne als von jedem dichterischen sagen,
daß es alle Charaktere in Spiegelnngen anf der Seele
des Dichters zeige. Richtiger, der Vergleich trifft hier
kaum noch zu; bei Karl Hauptmann wirken neue Ein- !
drücke der Außenwelt nicht, indem sie sich auf seiner
Psyche nur spiegeln, sondern gleichsam, indem sie darein
tauchen und zugleich weite und weitere Kreise ziehen, die
all die schon ruhenden Spiegelungen nun wieder bewegen.

Jch glaube nicht, daß diese Dichterpersönlichkeit die
rechte Fvrm ihrer Aussprache schon gefunden hat. Wo
sich die Stücke schlichteren Erzählungen ülterer Art nähern,
wirken sie am meisten als wirklich ganze, klar und ge-
rundet. Jn einigen aber, wie in dem umsangreichsten,
„Träume", ist eine Weise versucht, die weder episch, noch
lyrisch, noch dramatisch, aber auch keine wirklich neue
ist, sondern ein Mischstil, in dem ich nur einen Ausdruck
eben des Suchens selber sehen kann, das noch nicht sindet.
Man ahnt auf jeder Seite einmal, was Hauptmann geben
will, man ahnt das Bild der von ihm erstrebten Wir-
kungen dort in der Nähe vor sich, aber man sieht es
nicht. Jch mag auf die Gefahr von Mißdeutungen hin
nicht verhehlen, daß mir hier jene „große lyrische Form"
am Platze schiene, von der ich früher einmal gesprochen
habe. Wer so tiese und zugleich so feine Wirkungen er-
strebt, muß alle Möglichkeiten benutzen, die ihm die
 
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