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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 9
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Rundschau
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Sprechsaal
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0152

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kollngiebel späüiotische» Stils, »us deir Iahren 147Y
und 1481, und dns obcre wohterhnlteue Portnl i» deutscher
Reuaissnuee nus dem Jnhre u,n- Anfnngs der neunziger
Znhrc unsercs Inhrhuuderts ist dns ilknthnus »ach einei»
starkeu Brnude, dcr de» ebe» vollendetcn Uurbau wieder
zerstortc, von dcm Architekten Robert Schmidt neu er-
richtet wordcn. Die nlten, wohlerhnltenen Teile, die
nuch den Brnnd überdnuert haben, sind dnbci von neuein
in den Bnu eingefügt worden. Jn dein vorliegende»

Werkc gibl dcr Erbnucr, nuf nrchivnlischen Nnehrichlcn,
sußeud, Auskunft über den nlten Bnu und über sein
neues Bnucn. Ntancherlci Irrtüiner, die sich in nrchitck-
tonischcn Werken über dns Rnthnus zu Zerbst sinden,
werden dnbei berichtigt. Die gennu und sorgsnltig nus-
gesührtcn Abbildungcn vernnschnuliehcn dns alte wie dns
neue Rnthnus init nllcn einzelnen Teilen.

aul 5 ch u m a u u.

Sprecksaal.

Liue I l l u s i o n.

Mnlhnusen wnr eine nußerst kunstsinnige Stndt. Jn
ihr residierte ein Fürst voll tiefen Kunstverstnndnisses und
bestrebt, durch seine reichen Mittel Kunstleistungen hervor-
zurufen, wie mnn sie nirgends sonst finden würde. Dazü
wnr er wohlwollend und gerecht. Wcnn ihm Künstler
nnerknnnten Nnmens ein Werk nls bedeutend und vollendet
bezeichneten, so ordnete er sognr seine eigene Meinung
unter und knufte Schöpfungen, wenn sie nuch nicht seinen
uollen Beifnll snnden, nur eben, um gerecht zu sein.

Seit einiger Zeit gunlten ihn nbcr schwere Zweifel.
Dns kam in erster Linie dnher, dnß die Künstler unter
sich selbst ihre Werke gegenseitig so schlecht machten wie
nur möglich. Wnr es ein junger Meister, mit dem der
Fürst sprach, so nnnnte dieser die Schöpfungen von Mnlern,
welche bisher nls große Meister gnlten, schlechtweg „Bilder-
bogennrbeit", „konventianellen KdnuüZ „süßliches ZeugZ
vernltete Schundwnre". Unterhielt er sich nber mit einem
hochgestellten nlteren Professor, dessen Werke Gnlerien,
Pnlnste u. s. w. schmückten, so bezeichnete dieser die Ge-
mnlde seiner sungen Genossen nls „Stümperei", „unver-
stnndenes fnulesZeug", „misernble Schmiererei", „Schüler-
gepinsel" und „renlistische Gemeinheit".

Kurz, der Fürst, dcr so gern gerccht scin wollte, wußte
nicht mehr, nuf wen er hören sollte, und ihm selbst wnr
durch die Schimpfereien der Künstler beinnhe die Freude
sowohl nn den Werken der sungen wie nn denen der
nlteren Mnler beeintrnchtigt worden.

Jn zweitcr Linie schrieben nnch jeder Eröffnung ciner
Ausstellung die Zeitungeu, dnß die diesjnhrige Jury gnr
nichts verstnnden, dngegen mit eincr unglnublichen Pnrtei-
lichkeit nusgewnhlt, Schundware nufgcnommen, Meister-
werke znrückgewiesen hnbe und dergleichen mehr. Die
nbgewiesenen Künstler vernnstnlteten Separntausstellungen,
welche das Publikum ebenso besuchte wie die Hauptaus-
stellung, und die Presse nnhm in gleich schroffer Weise sür
oder gegen Hnupt- oder Sepnrntausstellung Partei, wie
die Künstler nnter sich.

Dies Alles betrübte den Fürst sehr.

Sollte es denn keine echte Kunst mehr geben?

Sollten die Werke der nlteren Mcister wirklich keine
erhnbenen Schöpfungen und die Leistungen der jungen
Künstler wirklich nur geist- und tnlentloses Geschmier
sein?

Tn beschloß der Fürst, eine Ausstellung zu vernn-
stnlten, bei der Künstler und Lnien nhnlich wie in der
Ntusik und Dichtkunst gleichmnßig nm ihre Ansicht befrngt
und zu möglichst unpnrteiischem Urteil über nene Gemnlde
ülterer und junger Mnler veranlaßt würden.

Am 21. Npril tritt diese Jury früh y Uhr im Aus-
stellungspnlast zusnmmen. Dort wird geloost, in welcher
Reihenfolge, nnch Tnusenden der Bezeichnungszahlen ge-
ordnet, die Bilder geprüft werden.

Bei der Prüsung haben sich die Mitglieder der Jurp
jeder lnutcn Bemerkung über dns betreffende Bild zu ent-
hnlten und nur durch eine weiße oder schwnrze Kugel, die
in den, von dem Regierungsbeamten gehaltenen Snck
möglichst versteckt gelegt wird, siir oder gegen die Auf-
nnhme zu entscheiden. Benmte notieren sofort, welche
Nummer durch einfnche Mehrheit nngenommen oder nb-
gelchnt ist, und lnssen die ersteren Vilder in eigene Nnume
bringen. So werden zuerst 8oo Gemälde nus nllen eingesen-
deten gewählt, dann nus den zuerst nbgewiesenen weitere
2oo. Alle als definitiv nbgewiesen übrig bleibenden Bilder
werden sofort zurückgesendet. Aus der Jury wird hiernuf
durch das Loos, wieder altersklnssenweise, eine Hnnge-
kommission von n Mitgliedern bestimmt. Diese hnt bis
zum 2y. April nbends ihre Arbeit zu beenden.

Die Begleitbriefe der nngenommenen Bilder bleiben
verschlossen, nach Nummern geordnet, im Sekretnrint liegen.

Bis zum i. August hnt jedes Mitglied der Jury
10 Nummern von Bildern zur Belohnung mit der goldenen
und 20 zur Belohnung mit der silbernen Medaille in ver-
schlossenem Umschlng nber mit Nnmensunterschrift ver-
sehen einzureichen.

Er bestimmte solgende Verordnungen, welche sein
Minister verössentlichte:

„Am i. Mai i8y7 wird eine Ausstellung von neuen
Gemälden eröffnet, zu der 1000 Werke Ausnahme sinden.
Jedermnnn kann sich beteiligen.

Die Künstler hnben ihre Bilder ohne jede Chiffre oder
Nnmensnennung, nur mit eincr sechszifferigen Znhl be-
zeichnet, bis zum 13. April in den Ausstellungs-
pnlast bringen Zu lnssen. Dort werden die Bilder unter
Aufsicht von vereidigten Beamten nusgepnckt und nach
Ziffern geordnet ausgestellt. Verschlossene Begleitbriefe mit
gleicher Nummer müssen die Adressen derAbsenderenthalten.

Am 20. April melden sich alle hier lebenden Künstler
im Schloß und zwar die Herren von 20 bis 25 Jahren
um y Uhr, jene von 25 bis so Jahren um 10 Uhr und
so fort, so daß die tzerren von 65 bis 70 Jahren um
6 Uhr an die Reihe kommen. Alle Künstler über 70 Jahre
melden sich um cUst Uhr. Jm Schloß ziehen die einzelnen
Altersklassen Loose. Die drei höchsten Nummern bestim-
men die Vertreter der weiligen Klasse. Es ergibt dies also
je Z Künstler zwischen 20 und 22, 3 zwischen 25 und
20 Jahren u. s. f., zusammen 55 Künstler. Diese bilden
die Jury zur Auswahl der aufzunehmenden Bilder.
 
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