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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 13
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Avenarius, Ferdinand: Waschzettel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0207

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schieht, unter Quellenangabe v e r t r a u e n s w ü r-
dige Rezensionen nachdruckte. Jch ver-
stehe nicht, was für ein Vorurteil dagegen bei den
Männern besteht, die doch sonst im Scheren und
Kleistern nicht klein sind; seine Schattenseiten hat es
ja, aber es ist doch wohl besser, ich drucke eine gute
Kritik nach, als einen Waschzettel. , '

Dann aber mache ich einen Vorschlag, der bei
näherer Prüsung sicher viel von seinem Verblüffenden
verliert: kann man einmal nicht ohne die Begleit-
zettel auskommen, sobezeichnemansiein
jedem einzelnen Falle als das, was
sie sind, etwa durch einen Zusatz in Klammern,
lBegleitzettel), gleichsam als Quellenangabe, oder
aber, indem man die Verlagsfirma als Verfasser-
namen daruntersetzt.

Darin liegt ja die Hauptgefahr des Waschzettels,
daß sein Ursprung nicht erkannt wird, daß als ein
objektives Urteil hingenommen wird, was geschäft-
liche Empfehlung eines Jnteressierten ist. Erkennt
man ihn, so wirkt er eben wie eine Annonce; jeder
weiß: der hier anpreist, preist seine Waare an. Und
ich glaube, daß die Verleger sich bald mit unserer
Neuerung abfinden würden, denn Annoncen wirken
bekanntlich auch, und als „Begleitzettel" im „redak-
tionellen Teil" ständen sie an noch mehr beachteter
Stelle, als die oft mit 3 Mark und mehr für die
Zeile bezahlten „Eingesandt"-Reklamen zahlreicher
Blätter. Klar gegeben als das, was er ist, verlöre
ferner der Begleitzettel das Qdium, er wäre dann
eben Begleit-, nicht mehr Waschzettel. Die Verleger
brauchten sich seiner nicht mehr zu schämen, es wäre
kein „lichtscheues" Treiben dabei — gezwungen aber,
vor der Öffentlichkeit für ihre Worte einzustehen,
würden sie diefe weit beffer wägen müfsen, als jetzt,
wo eine gefällige Redaktion ihnen die Verantwor-
tung abnimmt.

Scheitern jedoch am Waschzettelunfug alle
friedlichen Vorschläge, fo werden unsere Gebildeten
suchen müssen, einen Kampf dagegen aufzunehmen.
Und ich glaube nicht, daß es felbst bei dem heutigen
Stande unserer Gesetzgebung ganz aussichtslos wäre,
ihn zu eröffnen. Die Gesetze gegen unlautern Wett-
bewerb und andere ließen sich wohl gelegentlich he-
ranziehen, wenn man den Kautschukparagraphen vom
groben Unfug beiseite lassen will. Besonders in-
teressant in dieser Beziehung war aber für mich ein
Reichsgerichtsbeschluß in Sachen Volbeding contrn

Haasenstein und Vogler vom 2s. November s896.
Das Berufungsgericht hatte einen „Verstoß gegen
die Ehrbarkeit" darin gefunden, „daß es die Parteien
bewußter Weife auf eine Täuschung des Publikums
abgesehen hatten, wenn sie die Anpreisungen der
Heilmethode des Klägers als sogenannte Reklamen
in eine große Zahl kleinerer, vorzugsweise in länd-
lichen Kreisen verbreiteter Zeitungen einrücken ließen.
Die Täuschung habe darin gelegen, daß die Reklamen,
weil sie in den r e d a k t i o n e l l e n Teil der
Zeitungen aufgenommen würden, bei den Lesern die
irrige Anschauung hervorriefen, daß die mitgeteilten
Heilerfolge und die fonftigen Lobfprüche über die
ärztliche Thätigkeit des Klägers nicht eine von
ihm selbst ausgehende bezahlte Ver-
öffentlichung seien, sondern auf W a h r-
nehmungen der Redaktionen felbft
oder sonstiger unbeteiligter Gewährs-
m ä n n e r beruhten." Eine folche Täuschung ver-
stoße nicht bloß gegen die Anstandspflichten des ärzt-
lichen Berufes, fondern verletze zugleich das allge-
meine Sittengesetz. Das Reichsgericht erkannte die
Begründung des Urteils als berechtigt an; es sand
mit diefem angefochtenen Urteil „die nach den kon-
kreten Umftänden für unfittlich erachtete Jrre-
führung des Publikums nicht in der Verbreitung
objektiv unwahrer Nachrichten, sondern darin, datz
eine vom Kläger selbst ausgehende
AnpreisungseinerThätigkeit in die
Form des Berichtes eines unpartei-
ischenDritten gekleidet" war: der Vertrag
zwischen Volbeding und Haasenstein und Vogler zur
Verbreitung von Reklamen hatte demnach laut
höchster richterlicher Entscheidung „die Erreichung
eines unsittlichen Zweckes zum unmittel-
baren Gegenstande."

Nun denn: steht es bei unsern buchhändlerischen
Waschzetteln und ihrem Abdruck im redaktionellen
Teile nicht ganz genau so, wie bei diesen Wunder-
doktor-Reklamen? Jedes Wort der Berufungs- und
Reichsgerichtsentfcheidung nennt auch für unfern Wasch-
zettelunfug das Ding beim rechten Namen, brand-
markt, was jetzt noch bis in den „Deutschen Reichs-
anzeiger" hinein sich breit machen darf. Wie lange
darf es das noch? Man ziehe aus den klarliegen-
den Thatfachen die Folgerungen, und man kann
einem der widerwärtigsten Unwesen ein Ende machen.

N.



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