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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 14
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Rath, Willy: Vom Pathos
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0221

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Lweites Aprilbekr l897.

14. Dett.


Derausgeber:

Iferdlnand Avennrius.

vierteljährlich Mark.

10. Zabrg.

wom Dntbos.

Wandlungen, die der Begriff des Wortes
.MR'W „Pathos" zu erleben hat, scheinen noch
nicht abgeschlossen zu sein. Der große
Pathetiker Friedrich Schiller verstand darunter ganz
andres, als wir. Jn seiner Abhandlung „Ueber das
Pathetische" ist es ihm dargestelltes L e i d e n. Unsre
heutige Auffassung, die hier etwas näher betrachtet
werden soll, beruht im Grunde auf dem Begriffe der
Leidenschaft. Ueber die wichtigste und lebens-
fähigste der besonderen Bedeutungen, die der jetzige
Sprachgebrauch dem Wort gibt, werden die Aesthetiker
unter einander und mit der Praxis sich noch zu
einigen haben.

Nur mit Befremden, und vielleicht mit einigem
Neid, können wir heute die Abhandlung lesen, in der
Schiller, mit dem ganzen Feuereiser des Schwaben
sür abstrakte Gespinste, aus a priori-Begriffen wie
„edel" und „gemein" und aus u priori-Sätzen sein
Srfftem ausbaut: „Das Pathetische ist nur ästhetisch,
insofern es erhaben ist. Wirkungen aber, welche
bloß aus eine sinnliche Quelle schließen lassen und
bloß in der Affektion des Gesühlsvermögens gegründet
sind, sind niemals erhaben, wie viel Krast sie auch
verraten mögen; denn alles Erhabene stammt nur aus
der Vernunst u. s. w."

Unsere Zeit hat nicht mehr das glückliche Ver-
trauen zur Unsehlbarkeit ästhetischer — oder anderer
— Theorien. Alles ist in Fluß, in Miniaturepochen

wandeln sich die Srffteme. Mit Gewißheit glauben
wir im Grunde nur an einen normalen Fortschritt
in den Künsten, durch Re-Formation zum Natürlichen,
wo Unnatürliches sich eingenistet hat, und durch ein-
dringlicheres Kennenlernen von Groß- und Kleinnatur.

Jn diesem Sinne hat die neuere Kunst durch
Wiedereinsetzung der Sinne in ihre alten Rechte einen
guten Schritt vorwärts gethan gegenüber dem klassi-
schen und, vor allem, gegenüber dem epigonischen
„Jdealismus" mit seiner willkürlich-einseitigen Ueber-
schätzung des „Geistigen." Die veränderte Bedeurung
des Wortes Pathos ist zum Teil aus diesem Fort-
schritte zu erklären. Das Wort „Pathos" wird in
der neuen Kritik sast nur noch mit dem Gesühlswerte
des Tadels gebraucht. Verständiger ist es wohl,
vor allem ein salsches und ein echtes Pathos
zu unterscheiden.

Falsches Pathos ist uns in Dichtung und Musik,
in Mimik, Sprache und bildenden Künsten: die Sucht,
am unrechten Ort durch andere als natürliche Mittel
den Schein der Erhabenheit zu erwecken. Die vor-
trefflichen Aeußerungen Schillers über das D e k l a-
matorische der sranzösischen Tragödie richten
sich ungefähr gegen dieselbe Erscheinung. Das salsche
^ Pathos ist von Grund aus unkünstlerisch; daher ist
es natürlich Kindern und Kunstunmündigen lieb.
Dilettanten und, heutzutage seltener, Ansänger pro-
duzieren es; eine unfähige oder oberslüchliche Kritik

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