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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 14
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0233

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Bis jetzt ist am meisten aufgeführt „Debora", die in
Hamburg, Leipzig, Düsseldorf, Mainz und München glän-
zende Erfolge erzielt hat.

Autzer diesem Werke liegen noch fertig vor „Herakles",
„Esther" und „A ci s und Galathea". Welch herrliches
Werk z. B. in „Esther" dem deutschen Konzertsaal ge-
wonnen worden ist, das hat der Schreiber dieser Zeilen
selbst ersahren, als er der ersten Aussührung in Hamburg
am Februar d. I. beiwohnte. Das ist ein Werk für
alle Stände; der schlichte Arbeiter findet da ebenso seine
Rechnung, wie der akademisch Gebildete. Ja, gerade das
scheint mir das Wichtigste an der ganzen Händel-Beweg-
ung, datz nicht blotz die üeutsche Kunst einen kräftigen
Anstotz erhält, sondern datz vorallemdasdeutsche
Volk eine wirkliche echte, schlichte und doch ge-
waltige deutsche Kunst sich wied ergewinnt, datz
es die Werke einesMeisters sich zu eigenmacht,
dessen Grötze viel zu sehr auf dem Papier, viel
zu wenig in die Herzen derDeutschen einge-
schrieben stand. Drum ans Werk, Jhr deutschen Kon-
zertinstitute, nehmt den neuen Hündel Chrysanders bei
Euch auf! Georg Göhler.

In Sacheu des „moderuen Zeichenuuterrichts"
ersucht uns Konrad Lange um Aufnahme der solgenden
Zeilen, denen wir, da es sich um Thatsächliches handelt,
die Aufnahme ebensowenig verweigern, wie dem gleich-
salls beigedruckten Schlutzworte des Herrn Prosessors
Flinzer. Damit ist aber diese Angelegenheit für den Kunst-
wart nun wirklich erledigt. Rw.-L.

Herr Flinzer gestattet sich in seiner Replik betreffs des
modernen Zeichenunterrichts (vgl. Kunstwart Nr. Z2) einige,
wie ich annehmen will, unbewutzte Verschiebungen meiner
Gedanken, die ich hier richtig stellen möchte.

t> Es ist nicht wahr, daß ich jede Beteiligung oder An-
wendung des Berstandes beim Zeichnen bekümpfe. Jch
tadle nur die „Ausbildung des Zeichenunterrichts zu einer
logischen Anwendung des Denkens" und halte es für rich-
tiger, wenn der Lehrer die gefühlsmätzige und technische
Seite seines Faches stärker als die verstandesmätzige betont,
weil nicht nur sein Unterricht dadurch für das Kind inte-
ressanter wird, sondern auch das Zeichnen den übrigen
Unterrichtsfächern gegenüber nach seinem spezifischen Werte
stärker hervortritt.

2. Es ist nicht wahr, datz ich das Zeichnen nach na-
türlichen Blättern sür den wichtigsten Punkt meiner Me-
thode erkläre. Als solchen bezeichne ich vielmehr die
schematischen L eb e nsfo r m en, die neben gepretzten
Blüttern während der ersten Jahre des Unterrichts ge-
zeichnet werden sollen.

3. Es ist nicht wahr, datz ich die gepreßten Blätter in
Flinzers Lehrbuch übersehen habe. Jm Gegenteil, ich habe
ausdrücklich hervorgehoben, datz dieser Lehrstoff durchaus
nicht neu ist, sondern von vielen Lehrern schon seit langer
Zeit angewendet wird. Herrn Flinzer dabei besonders zu
erwähnen, hatte ich keine Veranlassung, da andere Zeichen-
püdagogen vor und nach ihm auf diesen Lehrstoff sehr viel
mehr Wert gelegt haben als er. So will z. B. Flinzer,
um nur eines zu erwähnen, diesen Lehrstoff erst am Ende
des zweiten Jahres, also (bei seinem späten Beginn des
Zeichenunterrichts) erst im ^z. Jahre eingeführt wissen
(wenigstens in der Auslage seines Lehrkurses ^888, die
ich besitze). Vorher soll das Kind zwei Jahre
lang geometrische und ornamentale Formen

zeichnen. Das ist aber gerade der wesentliche Kern der
modernen Reformbestrebungen, datz man nicht von der
Kunstform, der Abstraktion, zur Natur, sondern von der
Natur zur Kunstsorm, zum Ornament übergeht, und es ist
Herrn Flinzer sehr wohl bekannt, datz gerade auf diesem
Gegensatz die heftigen Angriffe beruhen, die seine Methode
kürzlich auch in den Kreisen der Zeichenlehrer selbst er-
fahren hat.

H. Es ist nicht wahr, datz ich die schematischen Lebens-
formen als Unterrichtsstoff für die vier ersten Jahre vor-
schlage. Vielmehr rede ich stets von den drei ersten
Jahren, vom siebenten bis zum neunten, und zwar sollen
auch während dieser Zeit neben den schematischen Lebens-
formen gepreßte Blätter gezeichnet werden, so datz also
sür jene nur etwa ein und ein halbes Jahr übrig bleiben
würden. Rourad Lauqe.

Zum nochmaligen Eingehen auf Herrn Prosessor
Langes Erwiderungen sehe ich keinen Grund, da jeder-
mann die fraglichen Stellen in seinem und meinem Buche
mit unserer Polemik vergleichen kann. Fedor Fliuzer.

Der Aufsatz über „A u u st g e s e tz e"
von Friedrich Carstanjen enthält so viel Durchdachtes,
daß es beinahe unbegreiflich erscheinen müßte, wie der Ver-
fasser seine Anregung dazu beim Lesen von E. R a n z o n i s
Buch: „Das Schöne und die bildenden Künste", finden
konnte. Freilich, Carstanjen spricht ja nicht über Ran-
zoni, sondern gelegentlich Ranzonis. Nur eine unge-
naue Kenntnis jener Schrift vermag wohl den ernsten
Ton zu erklüren, mit dem Carstanjen Ranzonis „geist-
reiche Vemerkungen und feinsinnige Beobachtungen"
erwähnt, die „auf festgegründeten Ueberzeugungen be-
ruhen". Wer einigermaßen mit den Kunst- und Preß-
verhältnissen Wiens vertraut ist, der weitz, datz dort
die völlige Jnkompetenz des in Verständnislosigkeit er-
grauten Kunstreferenten Emerich Ranzoni beinahe sprüch-
wörtlich geworden ist. Nicht einmal seine selbstbetonte
„langjührige Ersahrung" schützt ihn vor den heitersten
und effektvollsten kritischen „Böcken"; nach allen Richtungen
hin schietzt er sie. So begegnet man auch in seiner letzten
Philippica gegen die „Modernen" einer Menge Schnitzern,
unter denen mir die folgenden noch klar genug im Ge-
dächtnisse haften, um sie sosort wieder aufzufinden:

Seite 2^7 spricht Ranzoni von einer „antiken
VenusKalipigh o's", worunter wahrscheinlich Aphro-
dite Kallipygos gemeint ist! Daß ein noch so spatziger
Druckfehlerteusel so etwas nicht verschuldet haben kann,
ist einleuchtend, denn ein so „mvdernes" Griechisch fällt
denn doch beim Korrekturlesen jedem auf. — Daß
Michelangelo gelegentlich zu einem Venezianer ge-
macht wird, kann hiernach kaum überraschen (S. t^s),
ebenso wenig, daß w ied erholt von einem „Philosophen
der Neuzeit, Namens N i tz s ch e" die Rede ist! Auch an
unrichtigen Citaten ist das Buch reich, das im übrigen
Dinge erörtert, die vor einem Lustrum „modern" gewesen
sind, also echt Wienerischen „Lokalton" hat.

Da Kunstschriftsteller dieser Art noch in weiteren
Kreisen eine gewisse Autorität haben, so scheint es höchste
Zeit, ihren Einslutz einzugrenzen. Am besten wäre, sie
mit Stillschweigen zu übergehen. Da das nicht mehr
möglich ist, so kann nur ein energisches „Frontmachen"
helfen; vielleicht auch nicht. Mindestens scheint es mir



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