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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 19
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Avenarius, Ferdinand: Schriftsteller-Kammern
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0303

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rufener Seite eiu krnstigcs Wort gesprochen ivürde
gcgeu deu Materinlismus, dic Chnrnkterlosigkeit, Stre-
berei uud nudere llebel, nu deueu eiu großer Teil
uuierer Tngespresse krnukt, wir hntten dnrnus ge-
rcchuet, dnß euergisch Stelluug geuounneu würde gegcu
die trnurigen Geselleu, die dem gnuzeu Stnud deu
Stcmpcl der Aurüchigkeit nusprngeu — nlleiu dnrüber
verlnurete keiu Sterbeuswörtcheu. Es snnd sich kein
Herkules, der Mut uud Krnst besesseu hntte, die
Reiuiguug dieses Auginsstnlles — wir wolleu uicht
sngeu nuszusühreu, deuu dns vermng eiu Einzelner
uicht, — nber im Vereiu mit wnckereu Gesiuuungs-
geuosscu weuigsteus nnzuregeu. lu innKuis er vo-
Iuw80 8nt 68t. Tie llnsruchtbnrkeit des »Tnges« iu
dieser Beziehung beklageu wir dnher nufrichtig, deuu
je tieser uud gewnltiger die Presse in das Lebeu
uuseres Volkes eingreist, je wuchtigcr ihr Eiusluß nuf
dns llrteil vou Regiereudeu uud Regierteu, von Be-
hvrdeu uud Bevölkeruug sich gelteud macht, destv
mehr muß der Wunsch uud dns Bestrebeu lebeudig
merdeu, dnß nur durch Geist, Wisseu uud Charnkter
nusgezcichuete Mnuuer im Dieuste der »siebeuteu
Großmncht« thntig siud. Dnß aus diesem Gebiete
lnuge uicht nlles so ist, wie es seiu sollte, ist eiu
öffeutliches Geheimuis, es ivnre deshnlb Snche des
Schriftstellertnges geweseu, mit rücksichtsloser Eut-
schiedenheit eiu offenes Wort zu sprecheu, dns unsitt-
liche Gebnhreu duukler Ehreumnuuer in ihrem Stnude
zu brnudmnrkcn und sich vou ihueu loszusngen. So
gewiuut es den Auscheiu, nls ob die deutsche Schrist-
stellerwelr die Verworfenheir ihrer Stnudesgeuossen
geslissentlich übersehe und dieseu gewissermnßen Schutz
geivnhre zum Fortbetrieb ihres uusaubereu Gewerbes."
Knuu dnvou, wie nuch dns „Vnterlaud" selbst be-
merkt, im Ernst keiue Rede seiu, so knnu doch nuch
keiue Rede seiu vou eiuer Autoritnt des Tages, so
lange eiu dernrtiger Verdnchl aussteigeu knun. Wenn
mnu nber die Schriftstellerverbnude der bisherigen
Art nls Vereine zur Verlretuug berechtigter materieller
Juteresseu weiter hnlten mill, uud mauches mng jn
dnsür sprecheu, so braucheu wir eben uoch eine nudere
Vertretuug. Einen Ausschuß nutoritntiver Art, eine
„S ch r i s t st eller - Kn m m e r" sozusngeu.

Der Gegeustnude, welche sie zu behnndelu hntte,
wäreu wnhrlich genug. Die Anwenduug des Pnra-
grnpheu vom grobeu ll n s u g nus die Presse wnre
eiuer dnvon, deu, wie bemerkt, schou der letzte Schrist-
stellertng iu seiue Verhnndluugeu gezogen hat. Aber
die Teudeuz, alle Strnsbestimmuugen zur Beenguug
des freien Wortes zu erwciteru, bringt jn nicht uur
durch deu Kautschuk vom „groben llusug" schwere
Gefnhren mit sich. Mnu deuke au dre Ausdehuung
des Begriffes der M a j e st n t s b e l e i d i g u n g aus
Vorsnhreu der regiereudeu Fürsten, nu den herrlicheu

(1 0 l u 8 6 V 6 utun 1 i 8, nber nuch nu das uuzwei-
selhnst zu Recht besteheude Versnhren iu Mnjestnts-
beleidiguugssncheu, dns jedeu Wnhrheitsbeweis aus-
schließt uud zu Guusteu eiuer stnntsrechtlichen Kou-
struktiou uuter llmstnudeu eiusnch unsittlich wirkeu
köuute. Mnu deuke nu die ost wahrlich diskutier-
bnreu Entscheiduugeu über G o t t e s l n st e r u u g e u
uud ll u s i t t l i ch k e i t e u in titernrischeu Kuust-
werkeu uud nu die Mncht, die hier uutergeordueten
Polizciorgnueu gelegentlich zusnlleu knuu. Mau denke
nu uusre dem Nnmeu uach nbgeschnffte, iu Wirklich-
keit mit höchst souderbareu Blumcu weiter blüheude
Theaterzeusu r. Mau deuke nu die merkwürdige
Begriffsbestimmung der berechtigteu I n t e-
r essen: ich genieße ihres Schutzes, weuu um zwnuzig
Mnrk Geldverlust sür mich iu Frnge steht, uicht nber,
weuu ich sür hochwichtige mnterielle oder ideelle Jn-
teresseu der Allgemsinheit oder für Lebeussrngeu eiues
nudereu eiutrete , der sich uicht selber verteidigen kaun.
Alle diese Tiuge spieleu iu die Prapis des Jourua-
listeu und Schriftstellers hiueiu, nber sreilich gibt es
noch nudere, welche die Gestnltuug uuserer gedruckteu
öffeutlicheu Meiuung noch unmittelbnrer, ich möchte
sngeu: techuisch betreffen. Da ist der W n s ch z e t t e l- >
uusug, vou dem wir erst kürzlich gesprocheu hnben.

Dn ist der Eiusluß der A n z e i g e n b u r e n u x aus
die Presse, vou dereu uugeheuerlicher Macht die nller-
wenigsteu. eiue Vorstellung hnbeu. Da ist die Miß-
wirtschnft gewisser T e l e g r n p h e u b u r e n u x, die
im Dienste bestimmter Juteresseu berichten oder ver-
schweigeu. Tn sind die Versuche, Rednkteure durch
deu Zeugniszwnug zum Bruche des Redaktions-
g e h e i m u i s s e s, nlso zur Verletzuug ihrer Stnndes-
ehre zu zwiugeu. Dn ist die entehrende Behaudluug
von Leuteu, die wegen uicht eutehrender Preßvergehen
verurteilt worden siud. Alles nebeu noch mnnchem an-
deren Diuge, welche die nuständigeu und sreimütigen
Leute jeder Partei uud dnmit in der Thnt dns ge-
samte Volk nugehen, will es iu seiuer Presse den mög-
lichst uuversälschteu Ausdruck desseu, wns es denkt.

Freilich, dnß es sich hierbei um Sncheu der All-
gemeinheit hnndelt, das wird uuser Volk noch nicht
sogleich empsiuden — es ist durch uusre bisherigen Lite-
ratenkougresse zu sehr entwöhut, nu nudre als bloße
Staudesiuteressen zu deuken. llm so uotweudiger,
dnß endlich eiumal eiue Vertretuug höherer Art ihm
klnr mncht: tun r68 nbjtnr. Auch dazu wären
Schriststeller-Kammeru der gewüuschteu Art berusen,
die, durch ihre Zusnmmeusetzuug vertrauenswürdig,
keiue Brotkorbfrageu sür ihre eigeue Wirtschast, son-
dcru uur solche Frngeu begutachteteu, welche für die
uubehiuderte Aussprnche der öffentlicheu Meiuuug und
damit sür eiu durchnus nllgemeiues Zuteresse bedeut-
snm siud. A.
 
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