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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 19
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0313

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oder feindselig den Bestrebungen der modernen Malerei
gegenüberftehen, übersehen namentlich eines: nämlich daß
die Kunst nicht nur, wie sie meinen, zum Ber-
gnügen und zur Erbauung des Publikums und weiterhin
allenfalls zur Erhaltung der Künstler selbst dient, sondern
auch eine materiell sehr hoch anzuschlagende nationale
Aufgabe zu lösen hat. Die Frage, ob es sich dabei um
ein Jnteresse der geistigen Kultur handelt, bleibt hier
völlig aus dem Spiele. Der Wettbewerb eines Bolkes
mit den übrigen ist aber in ungemein hohem Grade da-
durch bedingt, ob es auf dem Gebiete des Kunstgewerbes,
das dauernde, weitverbreitete, mannigfaltige und stets
wechselnde Bedürsnisse auf dem ganzen Erdkreise zu be-
sriedigen hat, den Kampf mit den übrigen Bölkern be-
stehen kann. Das Kunstgewerbe aber ist von der Ent-
wicklung der hohen Kunst durchaus abhüngig. Wird
Deutschland einst aus dem Weltmarkte, und diese Zeit muß
kommen, in Bezug auf die Erzeugungskosten der Jndu-
strieartikel unterboten werden, so büßt es an Reichtum
und somit an Machtstellung ein; hat es aber die Zwischen-
zeit benutzt, um seine Kunst und damit weiterhin sein
Kunstgewerbe zur Höhe nationaler Kraft zu entwickeln, so
kann es als Sieger aus dem Kampse hervorgehen und
wird seine Macht alsdann nur noch erweitern. Bon der
Pflege der alten Kunst ist ein solches Ergebnis nicht zu
erwarten, darüber werden alle einig sein; nur wo die
Jugend, die Begeisterung, das Streben nach oorwnrts
vorhanden ist, kann auf Ersolg gerechnet werden. Die
Sorge um die Macht und die Dauer Deutschlands sollte
doch wohl die Angst um den Verlust der paar alten
Jdeale, die mehr als reichlich durch neue ersetzt werden
würden, überslügeln können. Um dies Entweder—Dder
handelt es sich jetzt tbatsächlich. Möchte nicht noch mehr
Zeit verloren und der Kunst endlich sene Förderung und
Aufmunterung, die zu fordern, sie ein gutes Recht hat,
gewährt werden, bevor es zu spät ist. Der nüchste Anlaß
zu einer solgenschweren Entscheidung steht sogar bereits
unmittelbar vor der Thür. Vor wenig Tagen noch
üußerte der Generalkommissar der Pariser Wcltausstellung
von 1900, Geheimrat Richter: im allgemeinen könne
Deutschland dem Wettbewerb getrost ins Auge sehen, »nur
die verhältnismäßig noch sehr junge Kunstindustrie werde
keinen leichten Stand haben; auch sie aber werde Ersolg
haben, wenn sie sich bemühe, mit dem Künstler Hand in
Hand zu arbeiten.« Frankreich, England und Amerika,
drei gefährliche Mitbewerber, gilt es zu bestehen. Die
Zeit ist kurz, ja kaum mehr zu rechnen. Der gefährlichste
dieser Rivalen, Frankreich, versügt über eine Jahrhunderte
alte Schulung der Hand. des Auges, des Geschmackes.
Vergleicht man aber die gleichförmigen, durchweg gedie-
genen, jedoch wenig Kraft und Eigenart zeigenden Erzeug-
nisse der sranzösischen Malerschule in den beiden Salons
mit der Fülle der Talente, die auf den deutschen Kunst-
ausstellungen zu Tage treten, so braucht man keine Be-
sorgnis zu haben, sobald nur diesen Talenten wirklich die
Gelegenheit geboten wird, ihre Kraft der Jndustrie und
dem Gewerbe dienstbar zu machen. Hier bietet sich also
ein Feld, wo echter Patriotismus sich bethätigen kann, der
aus der besonderen Stammesart der Künstler seine beste
Kraft schöpft; hier sindet auch der Reichtum ein Gebiet,
wo er fruchtbringend an der gemeinsamen Arbeit der Na-
tion teilzunehmen vermag, statt sich, wie bisher, gleich-
gültig von der Kunstpslege abzuwenden, als von einer
Sache, die ihn nichts angehe und höchstens unter dem Ge-

sichtspunkte der privaten Kapitalanlage für ihn in Frage
kommen könne. Der Segen wird ein tausendfacher sein.
Lebensmut und Freudigkeit werden wieder auferstehen,
denn es wird ein Ziel gefunden sein, wofür man leben
kann, das des Lebens wert ist. Aber freilich gilt es
einen raschen, kühnen Entschluß."

jd a u l Sch u m a u n.

vermiscbtes.

ch-cricbte üvcr Vcrscbicdcncs.

b) amburger Bericht.

Jnternatio nale Gartenbau-Ausstell ung. I.

Als ;888 in München laut wurde, daß die große
dortige Ausstellung ein betrüchtliches Defizit ergeben
hütte, und ich für die sür ^889 geplante Hamburgische
Gewerbe- und Jndustrie-Ausstellung entsprechende Be-
sürchtungen äußerte, sagte mir mein alter guter Münchner
Prosessor: „Ah was! Ees Hamburger, ees habts ja a
Geld! Nacha sagt so n Reicher: No wieviel is? — Nit
mehr? — Wißts was? I zahls!" Jch habe den alten
Herrn seitdem nicht wieder gesprochen, gewiß aber wird
er, des glänzenden sinanziellen Ergcbnisses der ; 889 er
Ausstellung eingedenk, unserer diesjährigen internationalen
Gartenbau-Ausstellung das Prognostikon gestellt haben:
„Ah, die Hamburger, die ham Jhna a Glück!" Es ist wirklich
aufsallend, dieses Glück! Jn Bremen, Berlin, Lübeck, Kiel —
Endergebnis der Ausstellungen jedesmal: Defizit, und bei
uns wird's sicherlich wieder ein Tresfer ersten Ranges.

Auch vom Standpunkte des Künstlers aus gibt es
viel des Erfreulichen zu berichten. Schon das Stückchen
Erde, aus welchem die Ausstellung stattfindet, ist eines
der malerisch-schönsten, die man sich denken kann. Auf
der Weslseite unserer Stadt sind bekanntlich die von der
Besestigung des 17. Jahrhundert herstammenden Stadt-
gräben zwischen Dammthor und Elbe erhalten geblieben,
ebenso wie die alten von Künstlerhand in herrliche An-
lagen umgewandelten Wälle. Die beiden User des Stadt-
grabens zwischen Holsten- und Millernthor, dasselbe Ge-
lände, das die ;889er Ausstellung trug, sind auch diesmal
der Ausstellungsplatz. Tief in das Terrain eingeschnitten
zieht sich der Graben in mehrsacher Biegung entspre-
chend den alten Bastionen hin, von hohen alten Bäumen
malerisch überschattet. Aus Schritt und Tritt eröffnen
sich dem Auge köstliche Durchblicke, sowohl auf das stille
Gewässer, wie aus die vom alten St. Michael überragte
Stadt selbst.

Mit großem Geschick sind die Ausstellungsgebüude
in die Landschaft eingesügt; mit eiserner Strenge hat man
darüber gewacht, daß auch nicht ein alter Baum, ja,
nicht einmal ein einziger alter Ast eines solchen beschädigt
werde. Gerade dadurch ist eine höchst reizvolle Harmonie
zwischen Natur und Bauwerken erzielt worden, es sieht
aus, als wäre alles so miteinander erstanden, wie etwa
in den Bierlanden Natur und Menschenwerk, Deich, Felder,
Gürten und Häuser ein untrennbares Ganzes bilden.
Nirgends ist der Eigenart des Geländes sowohl, als auch
der Baumgruppen u. s. f. Gewalt angethan; man hat sich
im Gegenteil gerade die Schwierigkeiten künstlerisch zu
Nutze gemacht.

Die Gebäude selbst bekunden den heutigcn Fortschritt
in Bezug auf die künstlerische Auffassung dieses recht
modernen Zweiges der Architektur. Bon den glüsernen
Schaukästen der crsten Ausstellungen hierher, welcher
 
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