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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 22
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Rundschau
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ähnliche Jdee liegt dem Bulthauptschen Werke zu Grunde:
ein wackerer Maurermeister hat in einer modernen Stadt
ein Friedenshaus gegründet, in dem er nur Mietsparteien
ausgenommen hat, die zusammenstimmen, und in der
That scheint sein Werk auch nach seinem Tode unter dem
Szepter seiner Tochter und eines kinderliebenden Portiers
fortbestehen zu sollen. Aber der böse Feind rastet nicht,
und eines Tages stürzt das Friedenshaus doch durch die
Schuld einer unter dem Pseudonym Tuisko schreibenden
Dame und ihres Freundes, des großen Lyrikers Bomst
zusammen. Das Bulthauptsche Buch ist reich an feinen
Beobachtungen und Bemerkungen, auch an Humor; auf
die Hauptgestalten, Adele, die Hausherrin, und Valentin,
den Portier, einen verwachsenen, noch jungen Schullehrer,
fällt helles Licht, ferner ist die Kinderwelt mit großer
Liebe behandelt — aber es sehlt dem Werke der eigentliche
„Zug", alles trägt im Grunde episodischen Charakter, öfter
wagt sich auch die Karikatur hervor. Nun kann eine
Sonderlingsgeschichte ja sreilich fortreißendes Leben und
großen Stil nicht gut haben; üaß sich aber weiter kommen
läßt, als Bulthaupt gekommen ist, beweist jede Erzählung
Wilhelm Raabes. Jmmerhin: Man soll das Gute des
Buches über seine Schwächen nicht vergessen, es ist oiel
wahrhast Schönes darin — und von wie vielen modernen
Produkten läßt sich das sagen? A d o l f B a r t e l s.

Frauz Friedrich Ferdinand und Anderes von
Ernst Muellenbach (E. Lenbach). (Dresden und
Leipzig, Karl Reißner.)

„Franz Friedrich Ferdinand" ist eine kleine Hosge-
schichte aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts von
wunderhübscher Erfindung und sehr feiner Aussührung;
wir haben in diesem Genre sast nichts Besseres. Leider
stehen die übrigen Geschichten des vorliegenden Ban-
des nicht auf gleicher Höhe, Muellenbach fällt doch noch
gelegentlich in die Unarten der deutschen „Humoresken"-
schreiber zurück, so, wenn er den schwindlerischen Gründer
„geistiger Unternehmungen" unserer Tage Aloysius
Däusle und den winzigen Lyriker Adalbert Riesenkönig
nennt. Und nicht blotz mit den Namen geht Muellen-
bach mnnchmal auf allzu wohlfeile Komik aus. Aber
wenn er nur ein halbes Dutzend Stücke wie den „Franz
Friedrich Ferdinand" sertig bringt, so kann man ihm als
einem begabten Schüler W. H. Riehls ruhig eine dauernde
Stellung in der Geschichte der Literatur und große Be-
liebtheit bei allen Lesern, die feinere Kunst zu würdigen
verstehen, versprechen. Adolf Bartels.

Ritter ljans. Schauspiel in vier Aufzügen von
Herm. Anders Krüger. (Leipzig, Alsred Janssen, Mk. 2.)

Halbes „Jugend" und Richard Voßens „Die neue
Zeit" kombiniert ergeben ungesähr den Jnhalt dieses
Schauspiels, doch selbst, wenn sein Verfasser diese beiden
Stücke nicht kennen sollte, würde das Werk weit davon
entsernt sein, eine selbständige Arbeit, die dem inneren
Muß eines wirklichen Talentes den Ursprung verdankt,
darzustellen. Jeder, der unsere moderne Literatur einiger-
maßen kennt, wird es ohne weiteres als eine ziemlich
zwecklose Zusammenhäufung der beliebtesten sluktuierenden
Dramenmotive unserer Zeit charakterisieren müssen. Der
Held des Dramas, ein Pastorssohn, sattelt ohne Wissen
des Vaters von der Theologie zur Philologie um und
hataußerdem ein Verhältnis, „dasnicht ohne Folgen bleibt".
Jn den Ferien kommt es nun zum Krach mit dem Vater,
der aber doch ziemlich gnädig verläuft. Es erscheint ferner,
als Ritter Hans soeben einem unschuldvollen Backfisch seine

Liebe gestanden hat, die verlassene Geliebte, und das Resultat
ist, daß der Vater, der am Kopf leidet und nie ohne Brom
austritt, in Ohnmacht fällt, und Hans verspricht, seinen
Verpslichtungen nachzukommen. An großen Worten sehlt
es dem Helden des Stückes natürlich nicht, aber der
dumme Junge schaut überall durch (wohlverstanden, gegen
des Verfassers Willen), die übrigen Personen sind nach
der naturalistischen Schablone oder im alten Garten-
laubenromanstil wie der Backfisch Lore. Es ist unendlich
viel Täppisches in dem Stück, und manches müßte von der
Bühne eine hochkomische Wirkung hervorbringen, aber
das moderne Publikum, das Publikum unserer sreien
Bühnen ist ja allem, was nur modern aussieht, gegenüber
genau so wie vor den Kops geschlagen, wie es das
Publikum füherer Zeiten dem damals Zeitgemäßen
gegenüber war, und begreift nicht, daß dieser moderne
Ritter Hans künstlerisch auch um nichts höher steht als
der polternde und eisenrasselnde Ritter des verschollenen
Ritterdramas. So ist das Stück denn auch in Leipzig zur
Aufführung gelangt, eine Thatsache, die seine Besprechung
an dieser Stelle rechtfertigt. Literarisch bedeutet es das
Eindringen des poetischen Gigerltums, das ich bei Ge-
legenheit des Berliner Musenalmanachs charakterisiert
habe, nun auch ins Drama. Die Herren haben von den
schweren Kämpsen, die dem jüngsten Sturm und Drang
vorangingen und ihn begleiteten, gar keine Ahnung, aber
sie haben seinen Vertretern abgeguckt, wie sie sich räu-
sperten, und wie sie spuckten, vielleicht ein bischen mehr,
und meinen, nun die neue Richtung gesiegt hat, gleich
die kurulischen Sessel einnehmen zu können. So weit
sind wir aber, Gott sei Dank, noch nicht.

Adolf Bartels.

Tbeater.

* öfiericbte über rviebtigere Liuttübrungen.

Münchener Bericht.

Nach den mühevollen Verrenkungen zu schließen, die
eine große Anzahl unserer Dichter und Maler auf ihrem
Kunstgebiete übt, müßte es eine surchtbar schwierige Sache
sein, Eigenart zu zeigen. Und doch will es mir scheinen,
als ob es eigentlich gar nicht so schwer sein könnte, und
daß die Betreffenden sich nur auf einem toten Punkte ab-
arbeiteten. Denn es sind wohl nur sehr wenig Jndividuali-
täten so schwach veranlagt, daß sie nicht wenigstens einen
Hauch eignen Wesens verspüren ließen, wenn sie sich
streng und schlicht an einen Gegenstand haltend, ihn sach-
lich wiederzugeben sich bemühten. Bei der Flausenmacherei
sreilich verfällt einer um den andern in Gesuchtheit oder
Manier, und wenn der Lustspieldichter nicht bloß durch
die klare Entwicklung seiner Charaktere heiterkeiterregend
wirken will, sondern mit den Charakteren selber seinen
Spaß treibt, so entsteht eitel Narretei. Da haben wir
den „Unterstaatssekretär" von Wilbrandt, der uns
im Gärtnertheater bei Gelegenheit eines Gastspiels etlicher
Wiener Künstler vorgeführt wurde. Ein geistreicher, älterer
Backfisch, Marianne Felsing, sühlt ein heftiges Streben
nach Bethätigung in sich, und in begreislicher Verirrung
wirft sie sich, statt einen weiblicheren Wirkungskreis zu
erwählen, auf die Politik. Nach den Anweisungen ihres
Bruders bedenkt sie namentlich einen Unterstaatssekretär
von Stargard mit ihrem Hasse. Dieser Herr von Stargard
aber hat sich unterdessen schon unter salschem Namen
 
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