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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 22
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0361

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-O

handelten Gegenständen füge ich ferner noch andre auf
der Frankfurter Delegierten-Versammlung vom Juni ^8y6
behandelte hinzu: die Beschlüsse über den ambulanten
Gerichtsstand, über die Verjährung bei Preßdelikten u.s. w.
Auch kann es nur im Sinne Jhrer eigenen Anschauungen
liegen, daß wir wiederholt dem Bettler- und Gaunertum
sogenannter reisender Berufsgenossen entgegentraten und
thatsächlich wirksame Maßregeln dagegen ins Leben
führten.

Wir haben die Erfahrung gemacht, daß der Verband,
wie er jetzt besteht, auf die ihm angehörenden Vereine
thatsächlich fördernd und kräftigend wirkt. Es ist zu er-
warten, daß er in Zukunft, je mehr Lokalvereine sich
bilden und ihm anschließen werden, eine Macht sein wird,
mit der man außerhalb wie innerhalb des Standes wird
rechnen müssen. Es ist unzweiselhaft, daß unter seinem
Einfluß die allgemeinen Journalisten- und Schriftsteller-
tage immer mehr zu dem sich herausbilden werden, was
sie sein sollen. Versammlungen zu gemeinsamer Arbeit
im Rahmen aller Parteien, zur Hebung insbesondre auch
der idealen Berufsinteressen und zur Förderung einer
gesunden Kollegialität. Was alles man seither „gescherzt"
hat über das Uebermaß von Festfreuden und die Gering-
sügigkeit der wirklichen Errungenschaften, das wird sich üald
von selbst regulieren, und wie schon bisher diejenigen im
Unrecht waren, die allzu spröde den Bestrebungen zur
Sammlung aller Kräfte fern bleiben, so würden sie fortan
hoffentlich immer nachdrücklicher durch Thatsachen dahin
belehrt werden, daß auf dem nun beschrittenen Wege alles
Erreichbare auch wirklich zu erreichen ist.

Gestatten Sie mir zum Schluß noch ein besonderes
Wort über Jhren Vorschlag betreffs der „Schriftsteller-
Kammern". Leider habe ich mir aus Jhren Aussührungen
i keine Anschauung davon bilden können, wie Sie sich die
Organisation solcher Schriststeller-Kammern denken. Eine
„autoritative" Vereinigung einzelner „im Leben gereifter
persönlich durchaus achtungswerter und hochgebildeter
Journalisten und Schriftsteller aus allen Parteien" wollen
Sie mit dieser „Vertretung höherer Art" betraut sehen.
Wer soll diese Männer auswählen und zu ihrem neuen
Amte berufen? Sie selbst können sich auf eigene Faust
oder durch private Verständigung untereinander ein solches
Mandat nicht geben, denn schwerlich würden die übrigen
Tausende ungefragter Berufsgenossen ihre Autorität aner-
kennen. Vielleicht schwebt Jhnen die Einrichtung von
Kammern auf andren Berufsgebietcn als Muster vor; Sie
denken an Landwirtschafts-, Handels-, Gewerbe- oder
auch an Aerztekammern. Aber alle diese verdanken dem
Staat und der Gesetzgebung ihre Entstehung und der
Wahl durch Berufsgenossen ihre Autoritüt. Wie aber
wäre das erstere in unsrem Stande je zu erwarten, daß
sich z. B. die Journalistik irgend eine Einmischung des
Staates in ihre Angelegenheiten gefallen ließe? Nach
meiner Ueberzeugung bleibt aber sür die Organisation
einer nach innen und außen wirksamen Vertretung des
Standes nur der eine Weg freier Selbstthätigkeit übrig,
und ich weiß schlechterdings nicht, wie man auf diesen
Weg anders als durch allgemeine Versammlungen und
durch Bildung möglichst vieler und tüchtiger Lokalvereine
gelangen soll.

Nicht also durch vornehmes Geringschätzen der bis-
herigcn Bestrebungen, vielmehr durch thatkräftige Be-
teiligung daran sollten alle ernsthaft und ideal denkenden
Kollegen ihr Jnteresse an der Gesundung der zahlreichen

Gebresten unsres Standes bethätigen! Tüchtige Gesinnung,
erprobte Erfahrung werden, wie überall, so auch bei den
Vereinigungen unsrer Berufsgenossen ihr Ansehen und
ihren Einsluß behaupten; mehr denn je zuvor ist gerade
jetzt — durch die Organisation des Verbandes deutscher
Journalisten- und Schriftstellervereine — die Gelegenheit
geboten, daraus die Probe zu machen, und ich kann nicht
schließen, ohne dem Wunsche und der Hoffnung Ausdruck
zu geben, daß fortan immer allgemeiner und umfassender
an der Erreichung unsrer höchsten Ziele gearbeitet und
immer weniger nur kritisiert werde.

Frankfurt a. M.

prof. Dr. Böcker.

Herrn Professor Böcker eingehend zu antworten,
hätte nicht viel Zweck, da wir die Thatsachen von so
verschiedenen Standpunkten ansehen, daß sie uns als
ganz verschiedene Thatsachen erscheinen. Mein Herr
Gegner sieht Hauptsachen in Dingen, die mir so neben-
sächlich scheinen, daß ich sie gar nicht erwähnt habe,
woraus er dann schließt, ist hätte sie übersehen. Mein
Herr Gegner meint, daß ein Verband von Vereinen
wesentlich Höheres leisten könne, als ein Verband der
Mitglieder dieser selben Vereine, ich wage mir das nicht
zu versprechen. Mein Herr Gegner hofft viel von der
Selbsterziehung im Schriftstellerverbande, ich kann ihm
da nicht folgen, solange sich an dieser Selbsterziehung
schlechtere Elemente ebenso gut beteiligen können, wie
bessere. Mein Herr Gegner findet, daß es durchaus nicht
materielle Jnteressen waren, die den Leipziger
Schriftstellertag beschäftigt haben, ich kann selbst in der
Mehrzahl der von ihm ausgeführten Themen nur Fragen
erkennen, deren Lösung zugleich die Redaktion einer
Zeitung erleichtern würde. Meinen Hauptwunsch aber,
„Tage" geschaffen zu sehen, die über die Vertretung von
materiellen oder ideellen, jedenfalls aber von S t a n d e s-,
von B e r u f s interessen hinaus das allen ehrlichen
Volksgenossen gemeinsame Gut eines unverfälschten Aus-
drucks der öffentlichen Meinung zu erstreben und zu
hüten hätten, streift mein Herr Gegner kaum. Und so be-
stätigt er selbst meine Behauptung, daß bei den jetzigen
Schriftstellerverbänden die Vertretung dieser allge-
meinen geistigen Jnteressen der Nation zum mindesten
erst in zweiter Linie komme.

Jch mache ihnen daraus keinen Vorwurf. „Wenn
man die Schriftstellerverbände der bisherigen Art", so
schrieb ich, „als Vereine zur Vertretung berechtigter
materieller Jnteressen weiter halten will, und manches
mag ja dafür sprechen, so brauchen wir eben noch eine
andere Vertretung." Die von Böcker betonte Schwierig-
keit beim Schaffen einer autoritativen „Schriftsteller-
Kammer" habe ich selbst schon vor sechs Jahren betont,
indem ich die Lösung der Frage, „wie ein erster Ausschuß
von achtunggebietender Äutorität hingestellt werden
könnte," als die schwierigste bezeichnete. Jch habe auch
schon damals einiges über die Organisation solcher
„Schriftsteller-Kammern" gesagt, das ich auf die Er-
kundigung nach meinen Gedanken darüber vielleicht
wiederholen könnte. Da sich aber jetzt verschiedene Leute
mit diesen Plänen beschäftigen, so ist es wohl besser, wir
besehen sie erst wieder, wenn sie weiter gereift sind.

A.
 
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