Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

DOI Heft:
Heft 23
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0376

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ivas weder Natur iin gewöhnlichen Sinne, nvch blotzes
Material ist, so ist der Sinn seines Thuns ein doppelter.
Auf dcr einen Seite ivird die Natur insofern ihres Wesens
entkleidet, als in dem entstehenden dritten von alledem,
was wir an der Natur wahrnehmen und was uns dieselbe
zur Natur macht, nichts anderes mehr vorhanden ist, als
das, was dem Auffassungsgebiete des Gesichtssinnes an-
gehört; aus der anderen Seite wird das Material dadurch
zu einem geläufigen Ausdrucksmittel der Sichtbarkeit
gemacht, datz in seiner Verwendung und Bearbeitung alle
seine trefflichen Eigenschaften, nur insoweit Berücksichtigung
finden, als sich an ihnen die Veränderung, Gestaltung,
allmähliche Entwicklung eines Gesichtsbildes vollziehen
lüßt. Die Natur erfährt in diesem Vorgange eine Um-
wandlung, insofern mehr und mehr alles aus ihr ver-
schwindet, was in ihrer gegenstündlichen Erscheinung auf
einem Zusammentreffen wechselnder und in beständiger
Veränderung befindlicher Eindrücke verschiedenster Art
beruht; der Stoff wird gleichsam zur Verleugnung seiner
selbst gezwungen, insofern er nur dem Zwecke dienstbar
gemacht wird, ein so stoffloses Gebilde, wie die dem Gesichts-
sinn sich darstellende Gestalt der Dinge an sich zuin Aus-
druck zu bringen. Das, was an der Natur erreicht werden
mutz, um sie zum künstlerischen Bilde zu machen, kann
nur vermittelst der Thätigkeit am Stoffe crreicht werden;
das, was am Stoffe geschehen muß, um aus ihm ein
Kunstwerk zu machen, kann nur durch die Natur erreicht
werden, zu deren Ausdruck der Stoff sügsam gemacht
wird. Nur dadurch, datz in der künstlerischen Thätigkeit
beider einer, einer von einem bestimmten Streben beherrsch-
ten formenden Behandlung unterliegt, kann jene Welt der
Kunst entstehen, in der fich die Sichtbarkeit der Sache in
der Gestalt seiner Formgebilde verwirklicht." Künstlerische
Form und natürliche Form stehen einander in keinem
anderen Sinne gegenüber, als datz erst in der künstlerischen
Form die natürliche Form erkannt zu werden vermag."

Die letzte Arbeit dieses Bandes bringt das Fiedlersche
Lebensbild eines Künstlers, der bis an sein Lebensende
mit züher Beharrlichkeit nach den höchsten Zielen und
Jdealen gestrebt hat ohne eines annähernd zu erreichen,
der aber trotzdem auf eine Reihe von bedeutenden Künst-
lern einen tiefgehenden Einflutz ausgeübt hat, einen Ein-
flutz, der heute noch fortivirkt. Fiedler zeichnet das trn-
gische dieser „Kleistschen Natur", als welche er Hans von
Maräes mit Recht bezeichnet, mit eindringlichem licbe-
vollem Verftändnis und in voller Sachlichkeit. Schon
um dieses Auffatzes ivillen verdient das Buch die Teil-
nahmc aller ernsten Kunstfreunde.

j)aul Schumanu.

« „Derkomers verfabren." Jn einer Arbeit über
„Das moderne Bild und feine Reproduktion" in der
„Frankfurter Zeitung" fprach kürzlich der Radierer
Bernhard Mannfeld über die Tragwcite des von
Herkomer erfundenen Verfahrens, „auf der Kupferplatte
zu malen und diese Platte mit Hilfe des galvanischen
Verfahrens zu einer druckbaren Tiefplatte zu geftalten,
welche den ganzen Reiz der originellen Künftlerhandfchrift
trägt": Das „Hubert Herkomer-Verfahren" hat die Eigen-
tümlichkeit, datz alle Schwierigkeiten der Reproduktion
in Stich oder Radierung oermieden werden, sofern der
Maler in den Stand gesetzt ist, auf einer mit einem

Silberüberzug versehenen Kupferplatte ein Bild ganz in
seiner gewohnten Art, wie er mit der Oelfarbe hantiert,
zu erzeugen. „Die Silberschicht erglänzt weitz auf der
Kupferplatte, die darauf ausgeführten Pinfelftriche er-
scheinen je nach der Dicke des Auftrags heller oder dunkler.
Zartc Töne, wie Wolken oder Fleischpartieen, können mit
dem Finger verrieben werden, fodaß nur eine unendlich
feine Schicht der Farbe, die den auszudrückenden, zarten
Partien entspricht, auf der Platte haften bleibt. Will
man scharfe, aber feine Lichtcr einzeichnen, wie sie in dem
Glanz des Auges oder bei leuchtenden einzelnen Haaren
erfordcrlich sind, so nimmt der Maler nur den zugespitzten
Pinselstiel und zeichnet die Lichtec oder Glanzlichter mit
der grötzten Leichtigkeit ein. — Die von Hubert Herkomer
präparierte Farbe bleibt stündig weich; dadurch, daß sie
nicht verhärtet, ist es also kein Erfordernis, die Arbeit
in einem Zuge fertig zu machen. Die Arbeit kann bei
Seite gestellt wcrden; es kann zu jeder beliebigen Zeit
von neuem daran gearbeitet werden, und man wird
nicht die Wahrnehmung machen, datz die Farbe sich
irgend verändert hat. Die kühnste Behandlung, die
breitefte Pinselführung, wie die minutiüsefte Malart, ganz
die Eigenart der Malweise jedes Künstlers kann hiermit
seinen vollendeten Ausdruck finden, und der Druck wird
ganz der Malerei, die der Künstler auf der Kupferplatte
angefertigt hat, entsprechen. Sollte der Maler bei An-
sicht des Druckes jedoch finden, daß einzelne Abände-
rungen in den Tonstärken oder hier und da einzelne
stürkere Markierungen oder Konturen wünschenswert oder
notwendig find, so kann er diese Aenderungen selbst an
der Platte vornehmen, indem er mit der kalten Nadel
direkt ins Metall zeichnet, oder er kann auf dem Wege
der Tiefätzung, in der Art des Radierverfahrens den er-
wünschten Effekt nachtrüglich erzielen. Falls der Mnler
nicht geübt genug wäre, diese Aenderungen an seiner
Platte vorzunehmen, ivürden leicht ausreichende Krüfte
geboten werden, um die Korrekturen, die er dann auf
feinen Drucken nüt Kreide angeben könnte, auszusühren.
Das Hubert Herkomer-Verfahren in feiner allgemeinen
Anwendung würde somit all die umstündlichen und keine
hervorragendc Sicherhcit gewährenden, heliog'-aphischen
(das heißt, mit Hilfe des photographischen Versahrens
hergestellten) Reproduktionen, also das Eingreifen zweiter
und dritter Hände in die Künstlerarbeit unnötig machen.
Joder Maler würe imstande, seine originale Malerei ohne
llmwandlung in eine Druckplatte zu gestalten, die eine
ganz beliebige Anzahl Drucke ermöglicht und die, in den
Handel gebracht, den Originalarbeiten gleich zu bewerten
find. Jeder Künstler hat auf diese Weise die Freude, sein
eigenstes Werk eigenhündig rcproduzieren zu könncn und
ist nicht mehr darauf angewiesen, eine Nachbildung durch
andere Hände vornehmen zu lassen, oder durch chemifch-
photographisches Verfahren hergestellte Kopien auch für
den Fall der unbefriedigenden oder falschen Wiedergabe
acceptieren zu müfsen, weil sich in solchen Fällen leider
nichts genügend abändern lüßt. Aber etwas anderes ist
es noch, was den Künstler veranlassen wird, auf diese
Weise sein Werk zu reproduzieren, und das ist die ge-
schäftliche Seite; er kommt auf diese Weise in den Besitz
seiner eigenen Druckplatte, kann die Drucke davon in den
Kunsthandel bringen, und er selbst, uicht der Verleger
zieht den Gewinn aus der Arbeit."
 
Annotationen