Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1905)
DOI Artikel:
Unsere Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0442

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
umfließt und harmonisch bindet und sogar den nüchtern weißen Garten-
stuhl poetisch verwoben und verwunschen hat — es ist wirtlich eine liebens-
würdige und echt sommerliche Malerei des Meisters. Andächtig nnd welt-
versunken in jedem feinsten Strich, ohne mit dem Strich ein Wesen zu machen.

Aus dem Garten heraus, ein Paar Schritte nur, da dehnt sie sich,
die ebene „Landschaft" Albert Haueisens mit Wiese, Feld und Wald.
Am hohen Himmel bekämpfen sich Wolken und Winde, kämpft sich die Sonne
mühsam ihre Gucklöcher hinab aufs fruchtbar grünende Gefild. Wo sie
hinabschaut, da jubelt die Schöpfung in froh belebten Farben dankbar auf,
und Licht und regnerischer Schatten wandeln schier ins Unendliche über
den weiten Horizont hinaus. Das ist erlebte Naturpoesie und doch ganz
rechtschaffen malerisch empfunden und sehr kontrastreich und lebendig gestaltet.

Eine nächtliche Stunde am „Bergsee" zeigt W. L. Lehmann. Alles
ist herabgestimmt in Form und Farbe. Nebeldust über dem glatten Wasser;
fast schwarz die Hügel drüben; schwerwölkig der Nachthimmel, den das
Mondlicht schwach erhellt. Eine laue Sommernacht vielleicht, in der man
die Stille hört und die Geister durch die Dunstschleier schweben sieht. Schwind
hätte fie so gesehen, daß er sie auch ins Bild gesetzt hätte. Der Meister
unseres Blattes hier ließ sie den Beschauer erraten, erfühlen. Es ist sein
Verdienst, daß man es wirklich fühlt, der „Erdenkräfte flüsterndes Gedränge"
in dieser einsamen Natur, die doppelt verlassen erscheint, weil die Nachen
im Vordergrund künden, daß sie es nicht immer ist. Man achte, wie aus-
drucksvoll die Fläche hier in den Dienst der Stimmung gestellt ist, und wie
anders sie, obwohl ebenso horizontal betont, bei Haueisen als richtige Bild-
sprache das landschaftliche Gefühl vermittelt.

Die sechs weiteren Abbildungen erläutert Schultze-Naumburg im Auf-
satze „Heimatschutz".

Hugo Wolf: Jm Frühling, von Mörike. Durch die Zu-
vorkommenheit des neuen Wolf-Verlages ist uns die Freude geworden, den
Lesern wieder eines der schönsten Lieder des Meisters mitteilen zu können.
Man weiß ja: die Notenbeilage soll nicht einen musikalischen Hausschatz
ersetzen, sondern anregen, daß er sich bilde und mehre. Zu seinem lautersten
Golde gehören Wolfs Mörikelieder. s828 ist Mörikes Gedicht entstanden;
j888 hat es Wolf in Musik übersetzt. Was diese Musik von tausend anderen
Liedern unterscheidet, ist ihre Kraft und Jnnerlichkeit. Nur wenige Erzeug-
nisse dürfte es geben, auf die Hans Sachsens Worte: Der Lenz, der sang
für fie — im tiefsten Sinne anwendbar wären. Leere Ueberschwänglichkeit
oder verschwimmendes Zerfließen, die Pole der Sentimentalität, waren dem
Tondichter unbekannt. Wie schwer, wie unmöglich es ist, die Wirkung der
Töne in Worte zurückzuübersetzen, fühlt man vor solchen Werken erst ganz.
Halten wir uns also an die musikalische Form, auf der unseres Erachtens
die Wirkung beruht. Logisch beweisen läßt sich natürlich auch hier nichts;
aber man kann über den Grund tiefer Eindrücke Rechenschaft ablegen.

Wir fangen mit der „Begleitung", d. h. mit dem Klavierpart an.
Er soll damit ja nicht, etwa einem verbreiteten Vorurteile zulieb, in den
Vordergrund gerückt werden. Ein echtes Kunstwerk fügt sich überhaupt
nicht aus unwichtigen und wichtigen Teilen zusammen: in jedem Teile
seines Organismus kreist das Ganze. Die Grundverhältnisse des Aufbaus
erkennen wir am leichtesten im gespielten Teil. Wolf wollte nicht zum
zweiten Male durch Musik ausdrücken, was die Worte gaben: er zielt

h Zuliheft V05 385
 
Annotationen