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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI issue:
Heft 20 (2. Juliheft 1905)
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Gross, Karl: Kunstindustrie und Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0471

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— einen Stuhl für den Hausherrn geben die Freunde, eigens gefertigt,
behaglich und schön — ein Taufbecken stiftet die Großmutter, in
Silber gehümmert für Enkel und Urenkel, aus daß es ein geweihter
Familienschatz werde mit all den eingravierten Namen. Das ist
kunsthandwerkliches Schaffen. Es lärmt nicht mit der Re-
klame des Tages, es wünscht nur, daß recht viele den vollen Akkord
des Lebens fühleu möchten, den es für seine Existenz braucht. Und
das gibt ihm die tiefe, bleibende Daseinsberechtigung, diesen Be-
dürfnissen gegenüber versagt die beste Maschine, und nur die talent-
und liebevolle Handtätigkeit befriedigt sie wirklich.

Selbstverständlich wird heute auch der Kunsthandwerker der
Maschine nicht entraten können. Alle jene Tütigkeiten, welche früher
von der Hand ausgeführt wurden, ohne daß hierfür eine eigene
schöpferische Gabe nötig war, gehören heute von selbst der Maschine.
Niemand wird verlangen, daß der Kunsttischler noch seine Bretter
mit der Hand säge, hobele, verzinke usw., aber eine schmückende
Schnitzerei soll er mit der Hand und gut machen oder er soll sie
bleiben lassen. Stühle mit Leder, auf das Ornamente gepreßt sind,
sind Erzeugnisse eines Parvenügeschmacks; meist ist auch an ihnen
das Leder schlecht. Ein einsacher Stuhl dagegen mit solidem Leder-
überzug, ohne alle Ornamente, ist ein ehrenwerter Jndustrieartikel.
Weist er jedoch solche Jntarsien auf, die, obwohl durch die Maschine
geschnitten, eine lenkende und fühlende Hand brauchten, so wird
sein besonderer Wert auf dieser Handtätigkeit beruhen, und er wird
als handwerkliche Leistung in Betracht kommeu.

Jn der Textilindustrie hat die Maschine längst in ausgedehn-
tem Maße die Vervielfältigung durch die Hand abgelöst und wirkt
segensreich, solange sie mit solidem Material arbeitet. Wenn diese
Jndustrie aber orientalische Teppiche in schlechtem Material unglaub-
lich billig herstellt, nur damit der kleine Mann auch so tun könne,
als hätte er einen orientalischen Teppich, so ist das für den Fabri-
kanten vielleicht profitabel, wirtschaftlich und kulturell aber in hohem
Maße schädlich. Oder wenn zum Beispiel ein neuer schöner Seiden-
stoff einer einheimischen oder auswärtigen Firma sofort in einem
anderen, minderwertigen Material samt dem Muster nachgemacht
und billig auf den Markt geworfen wird, so ist das unehrliche Profit-
jägerei, die der Allgemeinheit schadet. So ließen fich in allen Zweigen
Beispiele finden.

Hier liegt auch die Wurzel des Warenhausunwesens, und nicht
eine Steuer wird hier helfen, sondern nur die Erziehung des Volkes
für solide, für ehrliche Erzeugnisse. Damit stellt sich dann der
gute Geschmack von selbst ein, der sich dann auch nur soliden Ge-
schäften zuwenden wird, denen natürlich auch das im vorstehenden
Sinne solide Warenhaus zuzuzählen ist. Die Maschine wird dann
der Herstellung guter Massenartikel für den täglichen Gebrauch
dienen, und dem Kunsthandwerke wird die Ausführung phantasie-
voller und mehr oder weniger wertvoller und dauernder Einzel-
erzeugnisse verbleiben, nach denen der Bedarf mit dem Verschwinden
des Parvenügeschmacks mehr und mehr wachsen wird.

Karl Groß



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