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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 24 (2. Septemberheft 1905)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0720

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Matsuo (tief bewegt zu ihr gewendet): Mein liebes Weib, mein gutes,
teures Weib,

Ja, weine deinen Mutterschmerz, du darfst es.

(Zu Genzo): Verzeiht uns, Genzo, wenn das Elternherz
Nun übermächtig seine Rechte fordert —

Genzo (zwischen Erstaunen und Rührung):

Noch weiß ich nicht — ist's Traum, ist's Wirklichkeit?

Seid Jhr denn, Matsuo, als Tokihiras
Vasall nicht unser Feind? Habt Jhr die Bande,

Die ehmals Euch an Michizanes Haus
Geknüpft, nicht längst für alle Zeit zerrissen?

Soeben noch-wie, Euren eignen Sohn? —

Bewußt-den eignen Sohn? — Jhr seht mich starr —

Matsuo: Mit Recht erstaunt Jhr. Ach! Unsel'ges Schicksal,

Das mich auf fremde Pfade irrgeleitet,

Das zum Vasalln mich eines Herrn verlockt,

Der gegen alles wütet, was nnr heilig
Von Kindheit ist: Den angestammten Herrn
Und Gönner meiner Sippe, meinen Vater
Und meine Brüder. Schwer hab' ich gelitten,

Von allen Lieben mich getrennt zu sehn,

Mit Recht mich oinen Undankbaren schelten
Zu hören, und doch anders nicht zu können,

Wollt' meinen Lehnseid ich nicht schnöde brechen.

Gewiß, was Schweres mich in dieser Welt
Betrifft, ich muß in früherer Geburt
Durch böse Taten es verschuldet haben. —

Jch trug's nicht länger. Unauffällig mich
Aus Tokihiras Lehnsverband zu lösen,

Stellt' ich mich krank und bat um meinen Abschied.

Da, eben, ward es kund, daß Jhr Kwan Shusai
Jn Eurem Hause bergt, und Tokihira
Befahl, ihn schnell zu töten, ehe Jhr
Entfliehen konntet, und das Haupt des Junkers
Zum Zeichen der Vollstreckung ihm zu bringen.

Mir, der allein von allen feinen Mannen
Das Antlitz Shusais kennt, ward der Befehl,

Dem Zug mich anzufchließen, um die Echtheit
Des Kopfs ihm zu verbürgen. Unter dieser
Bedingung sollte mir der Abschied werden.

So saht Jhr mich in letzter Pflichtersüllung
Hier walten, und ich bring' den Göttern Dank
Aus tiefster Seele, daß sie mir verliehen,

Mich von der Last der schweren Schuld zu lösen.

Daß die Ermordung Eures jungen Herrn
Jhr zu vereiteln suchen würdet, Genzo,

Jch glaubt' es fest, ich wußt' es. Doch was wolltet
Jhr tun, da an Entrinnen nicht zu denken,

Wenn Jhr in Täuschung keine Zuflucht fandet?

Da sah ich meine Zeit gekommen. Schnell

2. Sextemberheft sstOö 639
 
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