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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 24 (2. Septemberheft 1905)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0721

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Entschlossen hielt ich Rat mit meinem Weib,

Mit meinem armen, tapfren Weib — und sandte
Euch meinen Sohn — — den Göttern überlassend
Und Euch, daß er als Stellvertreter diene.

Und als ich kam, die Rechnung abzuschließen,

Da zählt' ich jene Tische — einer zu viel —

Und wußte, daß mein Söhnchen hier, und wußte,

Was mir bevorstand.-

„Sollt' in der Welt die Kiefer allein
Herzlos und trenlos sein?"

Die Worte unsers unvergeßlichen

Und gnäd'gen Herrn, auf mich gemünzt, sie tönten

Mir immerfort im Ohr, und alle Welt

Schrie mir ins Angesicht: sie ist's, sie ist's! —

O, fühlt mit mir, was ich darob gelitten;

Und hätt' ich keinen Sohn gehabt, der für

Des Vaters Schuld sich aufgeopfert, ewig

Wär' ich, mein ganzes Haus, zum Spott, zur Schande

Der Welt geworden. O mein teurer Sohn,

Du Retter unsrer Ehre!

Chiyo: Retter unsrer Ehre!

Ja, laß uns dieses Wort dem sel'gen Geist
Des lieben Kinds als heil'ges Opfer bringen,

Das ihn in jener Welt mit reinster Freude
Erfülle. Ach, als ich ihn hier zurückließ,

Und er mir folgen wollte, ward mein Herz
So unaussprechlich traurig, in dem Todesrachen
Jhn zu verlassen. — Laßt noch einmal mich
Den toten Leib umfahn, ein letztes Mal
Gebt das geliebte Kind in meine Arme,

Daß ich es herze, ach! das letzte Mal —

(Sie wirft sich laut weinend auf den Boden.)

Tonami (nähert sich ihr mitleidsvoll):

Unsel'ge Mutter, Euren grimmen Schmerz,

Ich fühl' ihn mit Euch. Denk' ich seiner Worte,

Die er zu seinem Lehrer bittend sprach:

„Herr, nehmt Euch meiner an. Von ganzem Herzen
Will ich Euch treu sein und gehorsam dienen" —

So schaudert's eisig mir durch alle Glieder,

Mir, die sonst keine Bande an ihn knüpften —

Was müsset Jhr erst, seine Mutter, leiden?

Matsuo: Gebiete deinem übergroßen Schmerz,

Mein teures Weib. Laß uns gefaßt ertragen,

Was durch des Himmels Fügung uns bestimmt.

(Zu Genzo.) Er wußte, Genzo, daß er seinem Tod
Entgegenging, als ihn mein Weib Euch brachte;

Jch hatt' es ihm gesagt, er ging freiwillig,

Ein zarter Knabe von acht Jahren kaum,

Doch mit dem Mut des unerschrocknen Helden.

Wie starb er, Genzo? Bat er um sein Leben?

640 Runstwart XVIII,
 
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