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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 4.1890-1891

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Heft 4 (2. Novemberheft 1890)
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Neumann-Hofer, Otto: Die Persönlichkeit in der Schauspielkunst
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11725#0068

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abhängig von ihrem Amt, bas bloße Lharakteristiknm an der

A>rin zu sein, treibt die Farbe in seinen Bildern ihr eigenes
kvesen, iibt sie ihre Macht als Stinunnngserregerin, als das
dein Mnsikalischen verwandte Llement. Besonders augen-
fällig verraten diesen Zng die wenig sorgsältig gearbeiteten
seiner Geniälde, wo die Lharakteristik des Zachlichen vor-
wiegend die charbe nbernininit, die wir allcin schon deni Bock-
linschen Theina zu eincni gnten Teil seiner spezisischen kvirknng
vcrhelsen sehen.

Endlich ist snr den Uiinstlcr bezeichnend die große Menge
skizzenhast, „wenig sorgsältig" gearbeiteter Geinälde nberhanpt.
Vst inochte es ihni nnr daruni zn thun gewesen sein, sich
slugs einmal einer poetischen Idee zu entledigen, die ihm
gerade durch den Aops ging nnd znm Erstannen aller

Malereiverständigen kam dann ein Bildchen aus den Markt,
das eine grnne, rot, blan nnd gclb getnpselte Fläche zeigte :
das war die lViese, eine blane chläche: das war der lhimmel,
und in das pAanum beider gezcichnet noch allerlei andere
sarbige, hingetupfte Dinge; das waren Bäume, Flnsse, badende
Iungen u. dgl.; — wo dann nnn aber das Bild bliebe, das

. H

malerische „Uunstwerk", sragtcn sich die schüttelndsn Uöpfe.

Ia, das Bild mußten sie sich sreiwillig denkcn! Es war ein
lyrisches Gcdicht in charben, was sie da sahen; kein Knnst-
werk im cigentlichen Einne, aber doch der „Entwurf eines
Genies", und ein Genuß sür die, die ihrcn Böcklin kannten.

Eie wußten, diese Ekizzen waren nur die Echößlinge neben
vollbewipfelten Bäumen, den echtcn Uunstwerken; sie hatten
eben ans eincni sruchtbaren Erdreich mit empor gemußt!

Böcklin giebt auch seinen Bildern keine Namen, das über-
läßt er den Uerren von der j?rosa, dcn Bändlern; seine Ge-
sichte entkeime der sdhantasie, sind da nnd die Leute mögen
sie nur beschauen und, wenn sie können, sich etwas dabei
denken. —

Eein Grazienbild gilt uns als einer jener unentwickelten
Echößlinge, und als ein verkümmertcr dazu. Auch das Genie
hat seine inspirationslosen Etunden; nebenbei aber ist es
lVerktagsmensch, es will sich bethätigen, etwas unter den
tsingern haben; dann wird von der Erinnerung gezehrt, es
kopirt sich selber. Als hätte sich der Maler selber kopirt, so
gemahnt dieser nene Böcklin. Illrich Rlein.

Verk

A. D. ln W. Die Eache liegt wunderlich, die Eache
liegt so: An der Borderseite des neuen Lessing-Denkmals ist
der Genius der chumanität dargestellt, ans eine Echristtafel
gestützt, ans der die Schlußverse von Nathans Erzählnng von
den drei Ringen zn lesen sind, von der Etelle an:

„Es eisre Ieder seiner unbestochnen,

Öon Bornrteilen sreien Liebe nach!"

Lrich Echmidt snhrte diese beiden Berse in seiner Fest-
rede zwei Mal als eine Lessingsche chauptsentenz mit besonders
seierlicher Betonung an. Er nannte sie das goldne Nathan-
wort; am Echlusse der Rede sagt' er: „Auch der Schlichteste
aus dem Volke, dem Tellheims Etube, Echloß Dosalo und der
Palmcngang Ierusalems sremd sind, spüre Lessings elektrischen
Schlag, wenn er im ahnenden Gesühl, daß ein Gewaltiger
aus ihn niederschaue, das alte und neue Lvangelium heim-
trägt: Es eisre Ieder uss." Üllso Ieder soll seiner unbestoche-
nen, von Vorurteilen sreien Liebe nacheisern. „5 ein er Liebe."
lllessen Liebe? Der Liebe Lessings? Daß die N)orte so
gedeutet werden vom Beschauer, dem widerspricht die Fort-
setzung, die er mitliest, auss Lntschiedenste. Also seiner
eigenen, ein jeder seiner eigenen Liebe. So hat Echmidt die
Eache verstanden. Aber der Zusammenhang giebt wieder
einen ganz andern Einn; denn die beiden Öerse stehcn zu den
vorhergehenden, die aus dem Denkmal weggelassen sind,
in ganz unmittelbarer Beziehung. Der Richter sagt zu den
sich streitenden Brüdern:

„Moglich, daß der Bater nun

Die Tyrannei des einen Rings nicht länger

In seinem chause dulden wollen! — Und gewiß,

Daß er euch alle drei geliebt und gleich

Geliebt, indem er zwei nicht drücken mögen,

Um einen zu begünstigen. Mohlan!

Es eisre Ieder seiner unbestochnen,
von Borurteilcn sreien Liebe nach!"

Demnach: „Es eisreIeder des Vaters unbestochner, von
Vorurteilen sreier Liebe nach!" Vielleicht entschließen sich die
Berliner Fachmänner, ihren Echnitzer zu vcrbessern - nicht
den Echnitzer der Lrich Echmidtschcn Rede, natürlich, sondern
den Echnitzer des Eingravirens von ohne Dordersatz so miß-
verständlichen Nachsätzen, daß sich sogar ein Erich Echmidt
so tüchtig in ihrer Deutung irren konnte. Vielleicht aber läßt
man die Eache auch aus sich beruhen, damit das Lessing-
Denkmal in Unbsrührtheit durch nachträgliche Rritik nicht nur
ein Großes zur Erhebnng der Nachkommen, sondern auch ein
Aleines zu ihrer Erheiterung beitrage.

IKarl Meibtreu ersucht uns nochmals um eine „Be-
richtigung" inbetress des Lrsolgs seines „Schicksals" uv.d ver-
langt den Abdruck einer Erklärung, wonach „der äußere Ersolg,

t e b r. <s^

auch des Schlußakts, ein glänzender war," „der einstimmige
Beisall nach" den ersten Akten aber „als ein seltener
Triumph gelten" kann. Echönhoss selbst in „Zur guten Stunde",
ferner das „Berliner Fremdenblatt", „also ein bedeutendes
Grgan", „das 20. Iahrhundert", die „Dresdner Nachrichten"
und noch andere Blätter hätten weit günstiger berichtet, als
Echönhofs in der „Frankfurter Zeitg." — was wir durchaus
nicht bestreiten, da es der Thatsache, daß Schönhosss Bericht
von sämtlichen uns zugegangenen les waren ihrer
recht viel) der günstigste war, nicht im geringsten widerspricht.

Uns freut es, wenn Bleibtreus „Echicksal", wie es das ver-
dient, eine günstigere Aufnahme gefunden hat, als nach den
Berichten anzunehmen, andererseits überrascht uns das außer-
ordentliche Gewicht, das Bleibtreu dem Zischen und Rlatschen
des publikums beilegt. Seine langen „Berichtigungen" über
den „Erfolg" seines lVerkes konnten, bez. können wir aber
einsach aus zwei Gründen nicht ausnehmen. Erstens nicht,
weil wir — wir drucken die folgenden Sätze zum dritten
Male im „Runstwart" ab! — „mit voller Absicht über die
Ausnahme neuer Bühnenstücke durchs Publikum im Allge-
meinen nicht berichten.—Der Verwechslung von Tagesersolg
und bleibender Bedeutung wollen wir wenigstens unsererseits
keinen Vorschub leisten." Zischen oder Rlatschen ist zumal
bei Erstausführungen immer von tausend Zusälligkeiten ab-
hängig; daß z. B. sür die Ausnahme des Bleibtreuschen
Stückes die schleckte Ausführung stark mitgewirkt hat, ist un-
zweiselhast. !Vir haben auch über Rlatschen oder Zischen bei
Bleibtreus „Schicksal" nicht berichtet, sanden wir gleich keinen
Anlaß die letzten Eätze unseres Zitats „umzukomponiren",
weil der Leser aus ihnen neben der eigenen Neinung des
Aritikers zufällig auch etwas über die Aufnahme durchs
Publikum ersehen konnte, die sich hier mit der durch den
Rritiker berührte. Zweitens verweigern wir Bleibtreus
„Berichtigungen" die Ausnahme, weil ihr Abdruck gegen den ent-
schieden ausgesprochenen Grundsatz des „Aunstwarts" verstieße,
nur über prinzipielle Fragen, über allgemeine Erscheinungen
usw. oder über Bücher, die, wie etwa das Sosnoskys, allge-
meinere Fragen behandeln, verschiedenen Etimmen Gehör zu
geben. Ls kann unmöglich Eache des „Aunstwarts" sein,
jeden poeten, dessen Rritiker versichert hat, sein LVerk tauge
nicht viel, nnn-seinerseits versichern zu lassen, daß es genial
sei. Aber mit einer Unbefangenheit, die groß ist, berust stch
alle Monate einmal ein Einsender der angedeuteten Gattung
aus unseren „Grundsatz der jdarteilosigkeit", obgleich gerade
in jenem Aufsatze, in dem unsere Stellung entwickelt wurde
(Aw. II, s), ausdrücklich zu lesen stand: das Für und IVider
kann nicht walten: „z. B. über der Beurteilung eines
einzelnen IVerks: handelte der «Runstwart» anders, Ver-
breiterung und Verflachung träten in IVechselwirkung ein."


Die Versönlicbkeit in der Lcbnuspielkunst, von Gtto Neumann. Ljofer. Nundsebau. Dichtung.

I Ueber das dichterische Echassen (Schluß), von Alfred Biese. Lrzählende Dichtungen, V, von Albert Dresdner.

Die Eprache des neunzehnten Iahrhunderts. Theater. Erstaussührungen von Schauspielen. weg mit der Theaterzensur!
Ntusik. lVichtigere Oxernaufsührungen. Bildende Uünste. Der neue Böcklin, von Ulrich Rlein. lllerkebr. LcblUSS der

Lusammenstelluug: S. Oovember lS90.

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